Mehr Selbstbewusstsein, mehr Rechte und mehr Kompetenz für den Schleswig-Holsteinischen Landtag

Von | 14. April 2011

Rainald Grebe sag­te über sein Lied „Präsident”: „Im Groben geht es um die­sen Fluch, (…) dass der Präsident nichts ent­schei­den und bewe­gen kann. Obwohl dies auch nicht immer stimmt, da er teil­wei­se wirk­lich etwas zu ent­schei­den hat. Doch dass er Bänder durch­schnei­det und Bankette eröff­net, ist tra­gisch.

Ein Präsident hat die Macht des Wortes. Manchmal muss man näm­lich nichts ent­schei­den kön­nen. Manchmal reicht es dann, wenn ein Präsident dar­auf drängt, den eige­nen Standort zu über­prü­fen.

Wer das wöchent­li­che Kalenderblatt des Landesblogs ver­folgt, weiß, dass Torsten Geerdts kei­nen Heli hat, aller­dings ab und an schon mal Bänder durch­schnei­det oder gruß­wor­tet — dass er aber auch den poli­ti­schen Teil sei­nes Amtes aus­füllt. Auf die Art, die dem Sozialpolitiker, seit 2009 Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages, eigen ist: zurück­hal­tend aber bestimmt, zuhö­rend ohne zu schwei­gen, in klei­nen Schritte gehend. 

Heute (14. April) hat der gebür­ti­ge Neumünsteraner ein Positionspapier für einen moder­ne­ren Parlamentarismus in Schleswig-Holstein vor­ge­legt: „Ich möch­te eine Debatte ansto­ßen, um am Ende mehr Selbstbewusstsein, mehr Rechte und mehr Kompetenz für den Schleswig-Holsteinischen Landtag zu errei­chen“. Die Länderparlamente, so Geerdts, müss­ten auf­pas­sen, nicht den Anschluss an „eine plu­ra­le Gesellschaft im 21. Jahrhundert, an poli­ti­sche Entscheidungsfindungen im euro­päi­schen Mehrebenensystem, an eine ver­än­der­te Medienlandschaft und an sich rasant ver­än­dern­de Strukturen in der Informationsgesellschaft zu ver­lie­ren“.

Nach 1 1/​2 Jahren Amtszeit hat er Spaß am Präsidentenamt gefun­den. Er wird in sei­nem  Wahlkreis 14 (Neumünster), den ehe­mals tra­di­tio­nell Rudolf Johna für die SPD gewann und in dem er 2009 mit 4,2 Prozentpunkten Vorsprung sieg­te, wie­der kan­di­die­ren, will sich um einen guten Listenplatz bemü­hen und dann — so die CDU denn die größ­te Fraktion stellt und ihn fragt — gern wie­der Landtagspräsident wer­den. 
Er stellt fest: Es fehlt „Landtagen und ihren Abgeordneten auf der einen Seite an Rechten und Instrumenten, um die Interessen der Bürger bes­ser und nach­drück­li­cher zu ver­tre­ten“. Auf der ande­ren Seite beschäf­tig­ten sich Parlamentarier zu viel mit sich selbst und zu wenig mit den all­täg­li­chen Problemen der Menschen.

In Zeiten, wo Parteienverdrossenheit „nor­mal“ ist und Unzufriedenheit mit den Entscheidungsmechanismen der Politik längst kein Randthema irgend­wel­cher Dauernörgler ist, reicht es nicht, wenn sich Politiker gegen­sei­tig auf den Nabel schau­en. Der Landtagspräsident sucht daher eine breit ange­leg­te Debatte mit der Politik, aber auch mit Vertretern von Vereinen, Verbänden, Wirtschaft und Kultur. Mit ihnen will er dar­über spre­chen, wie der Landtag sei­ne Arbeit moder­ner, effek­ti­ver und selbst­be­wuss­ter aus­füh­ren kann: Das Plenum, so heißt es in dem Papier, „muss im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern Ideengeber für die Zukunft des Landes und die gesell­schaft­li­che Modernisierung sein.

Der über­mor­gen (16. April) 48 Jahre alt wer­den­de Landtagspräsident schlägt in sei­nem Papier unter ande­rem vor:

  • ein Weisungsrecht des Landtages gegen­über der Landesregierung,
  • eine Stärkung der Sacharbeit in den Ausschüssen bei gleich­zei­ti­ger Konzentration im Plenum auf Themen mit Landesbezug,
  • ein Verhaltenskodex im Umgang mit neu­en Medien wie Facebook, Twitter und ande­ren sozia­len Netzwerken,
  • die Stärkung der freie Rede im Parlament,
  • die Beteiligung der Parlamente in der Föderalismuskommission III auf Bundesebene,
  • eine umfang­rei­che­re Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Eher neben­bei erwähnt das Papier, dass es ab Ende April eine neue Homepage des Landtages geben soll.

Der CDU-Politiker will sei­nen Vorschlag nicht als geschlos­se­ne Liste ver­stan­den wis­sen, son­dern zeigt sich offen; er möch­te das Papier als „Anstoß für eine offe­ne Diskussion ver­stan­den wis­sen”.

Wie soll es wei­ter­ge­hen? Geerdts kün­dig­te an, dass er in den nächs­ten Wochen einen Fahrplan mit kon­kre­ten Veranstaltungen unter ande­rem mit Landesdatenschützer Thilo Weichert, der Parlamentarischen Gesellschaft oder auch der Landeszentrale für poli­ti­sche Bildung vor­le­gen wer­de. Zudem will er einen Kreis von Schleswig-Holsteinischen Landtagsabgeordneten benen­nen, in dem Vorschläge für die Arbeit des Landtages dis­ku­tiert und beschlos­sen wer­den sol­len. Der lang­jäh­ri­ger Kommunalpolitiker, der im Vorfeld in den ver­gan­ge­nen Wochen Sitzungen der Landtagsfraktionen besucht oder mit ein­zel­nen Abgeordneten gespro­chen und dabei für sei­ne Ideen gewor­ben hat, zeig­te sich zuver­sicht­lich: „Ich habe bereits etli­che Punkte mei­nes Papiers im Haus dis­ku­tiert und bin auf eine brei­te Unterstützung für die Eröffnung die­ser Debatte gesto­ßen“.

Nun dann. Wir doku­men­tie­ren nach­fol­gend das Positionspapier „Parlamentarismus im Wandel” und haben außer­dem beschlos­sen, uns in die Diskussion ein­zu­brin­gen und das Landesblog als Plattform für eine Diskussion zur Verfügung zu stel­len. Die Debatte dazu soll­te näm­lich unse­rer Meinung nach auch in Blogs (Mit Blick auf das Positionspapier: Blogs woll­ten nie bür­ger­li­ches Engagement erset­zen, sie sind aber ohne Zweifel Bürgerliches Engagement), auch in den sozia­len Netzwerken dis­ku­tiert wer­den. Frei nach 343Max: Ihr wer­det euch noch drü­ber freu­en, dass wir nicht Politikverdrossen sind.
Schwieriger wird es das Parlament, die Abgeordneten haben. Denn vie­le der Forderungen brau­chen kei­ne zu ändern­den Vorschriften, son­dern set­zen ein ande­res Selbstverständnis der Abgeordneten vor­aus:

  • Die Abgeordneten spre­chen in der Regel in frei­em Vortrag” heißt es schon heu­te in § 56 der Geschäftsordnung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Man muss das nur ernst neh­men.
  • Pressekonferenzen kön­nen Abgeordnete natür­lich schon heu­te geben, die media­le Aufmerksamkeit kann man aber nicht ver­ord­nen.  
  • Natürlich wirft es ein schlech­tes Bild auf den Plenarsaal des Landtages, einem Raum des Wortes und der Debatte, wenn die Hälfte der Abgeordneten sich nicht dem Redner wid­men son­dern ins Smartphone schau­en. Das löst man aber nur schwer­lich mit Twitterverboten son­dern bes­ser mit attrak­ti­ven Reden und der Abkehr vom Frontalunterricht nicht nur beim Gespräch mit Besuchergruppen son­dern auch im Plenarsaal.  

Das spricht aber nicht gegen den Weg, den Torsten Geerdts vor­schlägt, son­dern für ihn: Das Parlament ist, wie er selbst schreibt, ein Ort des Diskurses. Diskurs im Foucaultschen Sinne ist schließ­lich nicht mehr nur Diskussion, son­dern „sprach­lich pro­du­zier­ter Sinnzusammenhang, der eine bestimm­te Vorstellung for­ciert, die wie­der­um bestimm­te Machtstrukturen und Interessen gleich­zei­tig zur Grundlage hat und erzeugt“. Und wo bes­ser als in einem Parlament kann man, sehr prak­tisch und sehr poli­tisch, über Machtstrukturen und (lob­by­is­tisch moti­vier­ten) Interessen reden. Natürlich nicht unter­ein­an­der, son­dern öffent­lich und mit der Öffentlichkeit. 


TORSTEN GEERDTS

PRÄSIDENT DES SCHLESWIG-HOLSTEINISCHEN LANDTAGES

 

Vor genau 175 Jahren konn­te mit der Konstituierung der Ständeversammlungen in Schleswig und Holstein in dem Kampf um und für Demokratie ein ers­ter Erfolg ver­zeich­net wer­den. Der Rückblick zeigt, dass Demokratie ein stän­di­ger Prozess ist und der ste­ti­gen Weiterentwicklung sowie Anpassung an ver­än­der­te gesell­schaft­li­che Verhältnisse bedarf. Gerade ein Landesparlament darf den Anschluss an eine plu­ra­le Gesellschaft im 21. Jahrhundert, an poli­ti­sche Entscheidungsfindung im euro­päi­schen und längst schon glo­ba­len Mehrebenensystem, an eine ver­än­der­te Medienlandschaft und erst recht an sich rasant ver­än­dern­de gesell­schaft­li­che Strukturen in der Informationsgesellschaft nicht ver­pas­sen.

 

I. Mitwirkung im euro­päi­schen Mehrebenensystem

Europapolitik ist Innenpolitik. Es ent­steht eine stär­ke­re Befassungsnotwendigkeit des Landtages mit euro­päi­schen Themen, um mög­lichst früh­zei­tig Landesinteressen zur Geltung zu brin­gen und sich recht­zei­tig mit der Umsetzung beschäf­ti­gen zu kön­nen. Dafür ist eine Konkretisierung der Informationsrechte des Landtages und der Zusammenarbeit mit der Landesregierung erfor­der­lich.
Ein Weisungsrecht des Landtages gegen­über der Landesregierung für deren Abstimmungsverhalten im Bundesrat kann in bestimm­ten Konstellationen als Kompensation für inner­staat­lich feh­len­de Beteiligungs- oder gar Verhinderungsmöglichkeiten bei der Übertragung von Hoheitsrechten (ins­be­son­de­re Gesetzgebung) auf die euro­päi­sche Ebene durch Bundesorgane die­nen. Umgekehrt nimmt der Landtag eine Mittlerfunktion gegen­über Bürgerinnen und Bürgern für Europa- und Bundespolitik ein. Er ist der Garant für eine bür­ger­na­he Politik. Der Landtag von Baden-Württemberg hat bereits eine ent­spre­chen­de, vor­bild­li­che Verfassungsänderung ver­ab­schie­det.

 

II. Spielräume schaf­fen und nut­zen

Die Ergebnisse der Föderalismuskommissionen I und II sind für die Zukunft des Bundesstaates und des Länderparlamentarismus unzu­rei­chend – eine Stärkung der Landesparlamente ist nicht wirk­lich gelun­gen. Hier ist ein neu­er Reformansatz drin­gend erfor­der­lich – gera­de im Hinblick auf das Auslaufen des Solidarpakts II und die anste­hen­de Reform des Länderfinanzausgleichs.

  • Die Beteiligung der Parlamente muss bei der Föderalismuskommission III sicher­ge­stellt sein.
  • Die Konferenz der Landtagspräsidenten (vgl. Lübecker Konvent) nut­zen, um län­der­über­grei­fend neue Initiativen zu star­ten.
  • Die Öffentliche Wahrnehmung und Kontakte auf Bundesebene sowie in unser Nachbarland nach Kopenhagen sind aus­zu­bau­en.

 

III. Parlamentsaufgaben

Der Landtag muss sich auf sei­ne bestehen­den Handlungs- und Gestaltungsspielräume und vda­mit auf sei­ne Kernaufgabe – die Gesetzgebungskompetenz – besin­nen und die­se nut­zen. Das gilt sowohl für das Plenum, in dem vor­nehm­lich Debatten über bedeut­sa­me Sachthemen zu füh­ren sind, als auch für die Ausschüsse, in denen die eigent­li­che Sacharbeit der Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker im Vordergrund steht. Das Plenum muss im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern Ideengeber für die Zukunft des Landes und die gesell­schaft­li­che Modernisierung sein und darf sich nicht in Kleinstdebatten ver­lie­ren.

  • Im Vorfeld der Plenarsitzungen muss im Ältestenrat stär­ker über die Notwendigkeit bestimm­ter Anträge debat­tiert wer­den. Bei vie­len Anträgen müs­sen sich die Antragsteller erns­ter fra­gen und die Frage gefal­len las­sen, ob Tagesordnungspunkte einen direk­ten Landesbezug vor­wei­sen kön­nen.
  • Unter dem Strich soll­te für das Plenum stär­ker als bis­her die Maßgabe gel­ten, dass der Landtag der Ort ist, an dem über die Zukunft des Landes debat­tiert und enga­giert gestrit­ten wird.
  • Freie Rede, spon­ta­ne Wortbeiträge und Widerrede sind Grundlage leben­di­ger Debattenkultur. Durch eine bes­se­re Mischung aus grö­ße­rer Disziplin und Instrumenten zur Unterstützung leben­di­ger Debatten könn­ten die Plenartagungen inter­es­san­ter und aktu­el­ler wer­den: Ein sol­ches Instrument wäre bei­spiels­wei­se die Möglichkeit zu kur­zen Initiativbeiträgen vom Platz aus (vgl. Bundestag). Mehr Disziplin erfor­dert ein star­kes und kom­pe­ten­tes Präsidium – die­se zu gewähr­leis­ten ist auch Aufgabe der Fraktionen.
  • Die Demokratie lebt vom Respekt vor der Meinung poli­tisch Andersdenkender – Uneinigkeit muss aus­ge­tra­gen und aus­ge­hal­ten wer­den, getrof­fe­ne Entscheidungen soll­ten akzep­tiert wer­den.
  • Redezeitenkontingente – glei­che Redezeit für alle Fraktionen ver­teilt auf die gesam­te Tagung – las­sen den Fraktionen die Möglichkeit, eige­ne Schwerpunkte zu set­zen. So kön­nen Fachsprecherinnen und Fachsprecher eige­ne Sachthemen stär­ken.
  • Die Ausschussarbeit ist eine zen­tra­le Säule des Parlamentsbetriebes. Die Arbeit im Plenum ist ohne eine effi­zi­en­te­re Ausschussarbeit nicht denk­bar. Ziel muss es sein, die Ausschüsse wie­der stär­ker zur Sacharbeit anzu­re­gen und die Arbeit zu ver­net­zen. Sie soll­ten weni­ger der Ort vor- oder nach­ge­zo­ge­ner Plenardebatten sein, son­dern viel­mehr die Gremien, in denen die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker gemein­sam mit Experten die Ideen, Initiativen und Vorstöße der Fraktionen unter­mau­ern. Anhörungen – münd­lich oder schrift­lich – erfor­dern eine bewer­ten­de Diskussion und Rückmeldung der Fraktionen an die Angehörten. Eine geziel­te Pressearbeit unter­stützt die Ausschüsse.
  • Ausschussreisen soll­ten ver­mehrt durch Delegationsreisen der Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker zu Themenschwerpunkten ersetzt wer­den, denen eine par­la­men­ta­ri­sche Initiative folgt.

 

IV. Parlamentarisches Selbstverständnis

In Deutschland und Schleswig-Holstein ist zuneh­mend eine man­gel­haf­te öffent­li­che Debattenkultur zu beob­ach­ten, die Bürgerinnen und Bürger zuneh­mend ver­schreckt und zwar nicht poli­tik­ver­dros­sen wer­den lässt, doch zu einer bedenk­li­chen Form der Verdrossenheit an der par­la­men­ta­ri­schen Demokratie führt. Wir erle­ben in Politik und Medien vor allem wider­sprüch­li­che und ober­fläch­li­che poli­ti­sche Analysen. Dies stimmt bedenk­lich, ist doch der öffent­li­che Diskurs eine zen­tra­le Voraussetzung für eine funk­tio­nie­ren­de Demokratie. Wenn wir den Kern vie­ler Probleme aber in öffent­li­chen Debatten gar nicht mehr errei­chen, wer­den wir auch nicht zu zukunfts­wei­sen­den Lösungen gelan­gen. Das Parlament als Ort des demo­kra­ti­schen Diskurses muss vor­bild­haft für die öffent­li­che Debattenkultur sein. Auch wenn die Wahlbeteiligung in Schleswig-Holstein im Länderdurchschnitt noch rela­tiv hoch ist, so soll­te es vor­nehms­te Aufgabe des Landtages sein, für eine stär­ke­re Wahlbeteiligung zu wer­ben und dafür zu arbei­ten. Die Vertiefung der poli­ti­schen Bildung als Ziel des Landesparlamentes ist daher unver­zicht­bar – die Landeszentrale für poli­ti­sche Bildung ist der zen­tra­le Ort dafür.

  • Eine Rückbesinnung auf das Amt im Sinne einer Dienstleistung für das Gemeinwohl, die ange­mes­se­ne Erfüllung der Amtswürde und zugleich die Erinnerung an das Repräsentationsprinzip, das die Freiheit und die Unabhängigkeit des Mandats erfor­dert, ist zwin­gend. Daher ist unse­re par­la­men­ta­ri­sche Demokratie nicht mit einem impe­ra­ti­ven Mandat ver­ein­bar, weder von Partei oder Fraktion noch von Bürgerinnen und Bürgern.
  • Der Landtag erteilt der Landesregierung selbst­be­wusst Aufträge und kon­trol­liert die Arbeit der Exekutive. Angesichts der heu­ti­gen kom­ple­xen Themen und Gesetzesvorhaben, muss über schär­fe­re Kontrollmechanismen nach­ge­dacht wer­den – dazu zählt zum Beispiel ein ver­bes­ser­tes Berichtswesen der Regierung an das Parlament.

V. Parlamentarismus in der Informationsgesellschaft

Formen ver­stärk­ten Kontakts mit Bürgerinnen und Bürgern unter Nutzung klas­si­scher sowie neu­er Medien sind aus­zu­bau­en und mit Blick auf die gesell­schaft­li­chen Veränderungen zu ent­wi­ckeln.
Demokratie und demo­kra­ti­sche Mitwirkung müs­sen dabei aber immer eine bestimm­te Hürde über­win­den – Blogs und Abstimmungen über sozia­le Netzwerke erset­zen kein bür­ger­schaft­li­ches Engagement. Die Demokratie lebt nicht aus sich her­aus, son­dern allein durch die Anstrengung aller Menschen in unse­rem Land.

  • Im ver­gan­ge­nen Jahr besuch­ten über 13.000 Menschen das Landeshaus. Der Ablauf bei der Betreuung der Besuchergruppen muss bei den Diskussionen mit Abgeordneten zeit­ge­mä­ßer und der Zielgruppe ange­passt wer­den.
  • Soziale Netzwerke, wie z.B. Facebook und Twitter, gehö­ren als neue Medien zum fes­ten Arbeitsalltag vie­ler Abgeordneter. Allerdings sind Paralleldebatten im Plenum, die bei­spiels­wei­se in der Vergangenheit öfter über Facebook oder Twitter ange­scho­ben wur­den, für das Präsidium nicht nach­voll­zieh­bar und daher schwer zu kon­trol­lie­ren. Ein Verhaltenskodex für den Umgang mit die­sen Medien, aber auch bezüg­lich des Umgangs mit Smartphones im Plenum, wäre ein Zeichen von Disziplin und Integration in die Parlamentsarbeit zugleich.
  • Auch die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Landtages muss sich vor die­sem Hintergrund wei­ter­ent­wi­ckeln und vor allem mit den neu­en Medien und der moder­ne­ren Darstellung des Landtages inten­siv befas­sen. Die neue Homepage des Landtages – die nicht nur sehr viel moder­ner und effi­zi­en­ter als die alte ist, son­dern auch die Möglichkeiten der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit stark erwei­tert –, wird Ende April frei­ge­schal­tet.
  • Die Einführung soge­nann­ter Tablet-Computer (z.B. iPad) in der nächs­ten Wahlperiode wäre ein Betrag zu einem papier­är­me­ren Landtag und zur höhe­ren Effizienz der Abläufe.
  • Abgeordnete soll­ten durch eige­ne Pressekonferenzen stär­ker in der Öffentlichkeit wir­ken.

 

VI. Wie sehen die nächs­ten kon­kre­ten Schritte aus?

Es wer­den kon­kre­te, wei­ter­füh­ren­de Veranstaltungen geplant wie z.B. eine Veranstaltung mit Landesdatenschützer Dr. Thilo Weichert und der Fachhochschule Kiel zum Thema Facebook, Twitter und ande­ren sozia­len Netzwerken als Workshop für Abgeordnete, eine Veranstaltung im Rahmen der Parlamentarischen Gesellschaft sowie der Landeszentrale für poli­ti­sche Bildung etc.

  • Festlegung eines Zeit- und Veranstaltungsplanes bis zum Jahresende bis Ende Mai.
  • Festlegung eines Gremiums aus Abgeordneten, in dem die kon­kre­ten Vorschläge für einen moder­nen Parlamentarismus dis­ku­tiert und beschlos­sen wer­den – dazu zäh­len sowohl der Ältestenrat als auch ein Kreis jun­ger Abgeordneter.
  • Vorstellung des Abschlussergebnisses im Herbst/​Ende des Jahres.

Kiel, 14. April 2011

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

2 Gedanken zu “Mehr Selbstbewusstsein, mehr Rechte und mehr Kompetenz für den Schleswig-Holsteinischen Landtag”:

  1. Oliver Fink

    Ich fin­de, Torsten Geerdts hat einen guten Anstoß mit vie­len inter­es­san­ten Ansätzen gege­ben. Allerdings stel­le ich mir die Frage, wie bei­spiels­wei­se die fol­gen­den Sätze har­mo­nie­ren sol­len:

    Eine Rückbesinnung auf das Amt im Sinne einer Dienstleistung für das Gemeinwohl, die ange­mes­se­ne Erfüllung der Amtswürde und zugleich die Erinnerung an das Repräsentationsprinzip, das die Freiheit und die Unabhängigkeit des Mandats erfor­dert, ist zwin­gend. Daher ist unse­re par­la­men­ta­ri­sche Demokratie nicht mit einem impe­ra­ti­ven Mandat ver­ein­bar, weder von Partei oder Fraktion noch von Bürgerinnen und Bürgern.

    ver­sus

    Allerdings sind Paralleldebatten im Plenum, die bei­spiels­wei­se in der Vergangenheit öfter über Facebook oder Twitter ange­scho­ben wur­den, für das Präsidium nicht nach­voll­zieh­bar und daher schwer zu kon­trol­lie­ren. Ein Verhaltenskodex für den Umgang mit die­sen Medien, aber auch bezüg­lich des Umgangs mit Smartphones im Plenum, wäre ein Zeichen von Disziplin und Integration in die Parlamentsarbeit zugleich.

    Wenn man den Abgeordneten Freiheit und Unabhängigkeit zutraut, dann soll­te man Ihnen auch die nöti­ge Kompetenz zutrau­en, mit neu­en Medien ver­ant­wor­tungs­voll umzu­ge­hen. Ein frei­wil­li­ger Verhaltenskodex wäre in mei­nen Augen okay, ein ver­pflich­ten­der, dis­zi­pli­nie­ren­der Kodex zur bes­se­ren Kontrolle wohl kaum. So ver­ständ­lich der Wunsch aus Sicht der Leitung einer Ausschuss- oder Plenardebatte auch manch­mal erschei­nen mag…

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  2. Stecki

    Es ist sehr zu begrü­ßen, daß Landtagspräsident Geerdts aus eige­nem Antrieb die­se — längst über­fäl­li­ge — über den Tag hin­aus und sehr grund­le­gen­de Diskussion anstößt.

    Nicht allen Schlußfolgerungen wür­de ich so in die­ser Form zustim­men, eini­ge Aspekte sind noch nicht ganz in der Informationsgesellschaft ange­kom­men und wie Oliver Fink sehe ich auch Widersprüchlichkeiten. Aber da es sich ja um einen Denkanstoß und den Beginn eines Prozesses han­delt, scha­det dies nicht son­dern beför­dert die intel­lek­tu­el­le Beschäftigung und den Gedankenaustausch.

    Ich bin daher gespannt, wie der Dialog fort­ge­setzt wird — insb. hier „vor Ort“ im Netz ;-)

    Reply

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