Amtlich: Kultur nur noch als Staatsschmuck

Von | 16. Mai 2011

Schleswig-Holsteins Kulturschaffende kom­men aus dem Strudel schlech­ter Nachrichten nicht her­aus. Nach den ver­gan­ge­nen Streichkonzerten hat ihnen Kultusminister Ekkehard Klug nun erneut einen dicken Brocken ser­viert. In einem sechs­sei­ti­gen Papier mit dem schlich­ten Titel „Kulturpolitische Thesen“ legt er dar, wel­che Kultureinrichtungen er prin­zi­pi­ell für för­de­rungs­wür­dig hält.

Wird die­ses Papier zur Realität, zöge sich das Land Schleswig-Holstein end­gül­tig aus der Förderung aller frei­en Kultur außer­halb des Bereichs, den man als staats­tra­gend bezeich­nen darf, zurück. Zwar möch­te Klug wenigs­tens der zeit­ge­nös­si­schen Kunst Raum geben, stellt jedoch fest, dass in der Förderung von Künstlern zukünf­tig neue Wege zu erpro­ben sei­en. Eine Unterstützung aus der Landeskasse ist damit nicht gemeint.

Nicht viel bes­ser geht es den zahl­rei­chen Institutionen, Verbänden und Initiativen, die im Land und oft auf loka­ler Ebene Kultur schaf­fen und leben­dig hal­ten. Ihnen wid­met Klug einen Dreizeiler unter der Überschrift „Ergänzende Elemente der kul­tu­rel­len Infrastruktur“. Sie dür­fen zwar auch zukünf­tig mit Unterstützung aus Kiel rech­nen, aller­dings nur dann, wenn ihre Arbeit „ein­deu­tig im Landesinteresse liegt und über­re­gio­na­le Bedeutung hat“.

Was blie­be, wäre eine Art rudi­men­tä­rer Grundversorgung im insti­tu­tio­nel­len Bereich. Bibliotheken, Musikschulen, Volkshochschulen, Museen, Theater sowie Denkmalschutz und Archivwesen zählt Klug in sei­nem Papier zu den „Kernen der kul­tu­rel­len Infrastruktur“. Sie sol­len wei­ter­hin unter­stützt wer­den, wobei erklär­ter­ma­ßen ein Schwerpunkt auf der Erschließung von Synergieeffekten liegt. So soll mit­tel­fris­tig eine Musikakademie ins Leben geru­fen wer­den, deren Aufgabe die Bündelung aller  Aktivitäten im Bereich der Musikschulen und Landesjugendensembles sein soll.

Das Auffällige an Klugs Thesen ist nicht allein die dau­er­haf­te Aussicht auf Schmalhans als kul­tu­rel­len Küchenmeister. Es ist viel­mehr der Kulturbegriff, den der Kultusminister sei­nen Überlegungen offen­bar zugrun­de legt. Unschwer lässt sich aus sei­nen Vorstellungen der klas­si­sche Kanon der Höhenkamm-Kultur aus Literatur, klas­si­scher Musik, bil­den­der Kunst und Theater able­sen – erwei­tert um die his­to­ri­sche Überlieferung durch Archive und Denkmalschutz.

Damit ver­pflich­tet sich im Jahre 2011 der Kulturminister eines deut­schen Bundeslandes einem Kulturbegriff, der aus dem 19. Jahrhundert stammt. Unter dem Eindruck eines über­bor­den­den Nationalismus rech­ne­te man damals allein ver­meint­lich „höher­wer­ti­ge Erscheinungen“ der Kultur zu und glaub­te die­se im inter­na­tio­na­len Gegeneinander aus­spie­len zu müs­sen. Klug spricht, der Mode fol­gend, lie­ber von „Kultur als Standortfaktor”.

Auch wenn die­se Ansichten bis weit ins 20. Jahrhundert hin­ein wirk­sam waren, gel­ten sie inzwi­schen doch als über­holt und Kultur in all ihren Erscheinungsformen als gleich­wer­tig und för­de­rungs­wür­dig. Wie wenig sich das bis in die Amtsstuben des Kieler Kultusministeriums her­um­ge­spro­chen hat, lässt sich dar­an able­sen, dass das Papier mit kei­ner Silbe auf die neu­en Medien, die Popular- oder gar auf Regionalkulturen zu spre­chen kommt. Dies fällt für Klug offen­bar in die Zuständigkeit der Kommunen oder ist „zeit­ge­nös­sisch“, passt damit nicht zu sei­nem Kulturbegriff und ist ergo nicht för­de­rungs­wür­dig.

Dieter Hoogestraat
Von:

Dieter Hoogestraat ist freier Journalist mit einem besonderen Interesse an regionalem und lokalem Kulturleben sowie am netzbasierten Arbeiten.

5 Gedanken zu “Amtlich: Kultur nur noch als Staatsschmuck”:

  1. Steffen Voß

    Schöner Kommentar! Mich erin­nert das an einen Absatz aus einem SPIEGEL-Artikel von 1971:
    „In der Tat erscheint die Nordregion nach 20 Jahren christ­de­mo­kra­ti­scher Herrschaft als Armenhaus des Landes oder, wie der Kieler Industrie-und-Handelskammer-Präsident Heinz Seibel sagt, als ‚Museum der Bundesrepublik’. [..] Die Schleswig-Holsteiner unter­hal­ten weder Kunst- noch Musikhochschulen noch Bühnen von Bedeutung. Einziges Staatsorchester ist die Polizeikapelle. Festspiele von Rang fin­den zwi­schen Kalkfelsen bei Bad Segeberg statt — zu Ehren Karl Mays.”
    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-43278720.html

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  3. Volker Thomas

    Ja, gewiss ein schö­ner Kommentar. Aber er bedarf der Kommentierung:
    1. Die Aufgabenteilung in der Kulturförderung ist nun ein­mal sub­si­di­är, d.h. erst die Kommunen, dann das Land, dann der Bund etc. Das kann man kri­ti­sie­ren oder anders sehen, eine Kritik dar­an, dass das Land kom­mu­na­le Kulturinitiativen nicht för­dert, geht jedoch fehl.
    2. Vor die­sem Hintergrund: Was ist falsch dar­an, wenn sich das Land auf die kul­tu­rel­le Infrastruktur kon­zen­triert? Die Frage ist nach mei­ner Einschätzung gleich­wohl, ob es rich­tig sein kann, den weit­aus größ­ten Teil der Kulturförderung unver­än­dert und sakro­sankt bei den öffent­li­chen Theatern zu belas­sen und genau hier­über kei­ne Debatte zu füh­ren.
    3. Steffen, dei­nen Kommentar habe ich nicht ver­stan­den: Das Land hat heu­te eine Kunsthochschule, eine Musikhochschule, (bald) kein Polizeiorchester mehr und ein gro­ßes (und teu­res) Musikfestival. Und nun?

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  4. Dieter HoogestraatDieter Hoogestraat Post author

    @Steffen: Willst du andeu­ten, dass der 1971 vom Spiegel beschrie­be­ne Zustand die Zielvorgabe der der­zei­ti­gen Landesregierung ist ;-)

    @Volker: zu 1.: Die Aufgabenteilung im Kulturbereich folgt zwar grund­sätz­lich dem Subsidiaritäsprinzip. Das muss aller­dings nicht bedeu­ten, dass das Land auf die Förderung von loka­len oder regio­na­len Vorhaben ver­zich­tet. zu 2.: Na, genau dar­um geht’s doch, dass hier eine unver­ständ­li­che struk­tu­rel­le Einschränkung auf die Höhenkamm-Kultur und inner­halb die­ser, wenn ich dir fol­ge, offen­bar auf die Theater erfolgt. Die genaue Mittelverteilung müss­te ich aber über­prü­fen. Hast du Material dazu zur Hand?

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  5. Pingback: “hog” wird Landesblogger – Dieter Hoogestraat - Journalist

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