Abschied von den Königsmachern

Von | 17. Mai 2011

Umfragen, so scheint es, sind sehr nütz­lich, um sich zu ver­ge­wis­sern, ob man zur Gruppe der Macht gehört bezie­hungs­wei­se mit­ten­mang dabei ist. Wenn die Parteien Umfragen bewer­ten müs­sen, ver­langt das, Realismus und Zuversicht geschickt zu for­mu­lie­ren. Die Zögernden wol­len akti­viert, die Aktiven moti­viert, die Treuen bei der Stange gehal­ten und die Verlorenen gewon­nen wer­den.

Zur Ausgangslage

So ging die Wahl 2009 aus. Und so sehen die Ergebnisse des NDR-Umfragen (Infratest dimap) im August 2010 und im Mai 2011 aus (Zahlen zitiert nach www.wahlrecht.de) :

ParteiErgebnis
LTW 2009
Veränderung
zur LTW 2005
Umfrage
August 2010
Umfrage
Mai 2011
CDU31,5-8,73233
SPD25,4-13,33231
GRÜNE12,4+8,31922
FDP14,9+6,254
LINKE6,0+0,742
SSW4,3+5,244
PIRATEN1,8+1,8s. Anderes. Andere
Andere3,6-1,144

Was geht?

Die CDU bleibt stärks­te Partei. CDU, SPD und Grüne kön­nen in belie­bi­ger Koalition Mehrheiten bil­den. Der SSW (für den die 5%-Hürde nicht gilt) ist sta­bil drin. Die Linken sind weit davon ent­fernt, wie­der in den Landtag ein­zu­zie­hen. Die FDP kann immer­hin noch ban­gen (Die Fehlerquote liegt bei 1,4 bis 3,1%).

Königsmacher? Zünglein an der Waage? Diese Worte soll­ten wir, wenigs­tens vor­über­ge­hend, zu den Akten legen. Die einen sind dafür aktu­ell zu stark, die ande­ren aktu­ell zu schwach. Nur wer ganz sicher gehen will, mag viel­leicht den SSW fra­gen, ob er der Dritte im Bunde sein möch­te.

Was sagen die Parteien in Schleswig-Holstein:

Der Spitzenkandidat der CDUChristian von Boetticher, ver­gleicht die bei­den NDR-Umfragen und stellt fest, dass die CDU neben den Grünen als ein­zi­ge Partei zuge­legt habe. Aber: „Bis zu unse­rem Ziel, in einem Jahr 40 Prozent der Wählerstimmen zu errei­chen, liegt aller­dings noch viel Arbeit vor uns.” Er setzt auf eine bere­chen­ba­re und gerad­li­ni­ge Politik, mit der er Schleswig-Holstein bis 2020 aus der Schuldenfalle her­aus­füh­ren, die Bildungsqualität stei­gern und die Rahmenbedingungen für Ausbildung und Arbeitsplätze ver­bes­sern wer­de.

Torsten Albig, Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, sieht eine Mehrheit für eine rot-grü­ne Landesregierung. „Das ist eine gute Basis für das bevor­ste­hen­de Jahr, das ich dazu nut­zen möch­te, im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern ein Zukunftsprogramm für unser Land zu ent­wi­ckeln.” Wahlen zu gewin­nen ist für ihn kein Selbstzweck. Es gehe jetzt dar­um eine sta­bi­le Basis zu schaf­fen, um ab 2012 Schleswig-Holstein wie­der soli­de zu regie­ren und gerecht zu gestal­ten.”

Bei den Grünen freut sich deren Landesvorsitzende Marlene Löhr, dass ihre Partei seit über einem Jahr Zustimmungswerte von mehr als 20 Prozent habe: „Es bestä­tigt uns dar­in, wei­ter­hin sehr sach­lich Politik zu machen und Konzepte für ein Grünes Schleswig-Holstein zu erar­bei­ten, die auch in einer Regierung trag­fä­hig wären.” Sie fin­det, dass sich aus den Umfragewerte kei­ne Koalitionsautomatismen ergä­ben: der Wettbewerb um die bes­ten Konzepte für Schleswig-Holstein ste­he auch wei­ter­hin an ers­ter Stelle. Den Grünen sei es beson­ders wich­tig, die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner in die Zukunftsgestaltung die­ses Landes ein­zu­bin­den.

Für den SSW erklärt Flemming Meyer, Landesvorsitzender, die zwei Ziele, die der SSW sich für die kom­men­de Landtagswahl gesetzt habe: „Erstens wol­len wir über 5% bekom­men um wie­der mit min­des­tens vier Abgeordneten im Landtag ver­tre­ten zu sein. Zweitens muss die schwarz-gel­be Landesregierung weg.” Beide Ziele sind sei­ner Meinung nach in Reichweite.

Wolfgang Kubicki, Fraktionschef der FDP im Kieler Landtag befand gegen­über dpa, dass sei­ne Partei nicht in Panik ver­fal­len wer­de: „Wir haben unse­re Werte regel­mä­ßig im letz­ten Jahr vor der Wahl von den Meinungsumfragen zum Wahlergebnis ver­dop­pelt.”

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

7 Gedanken zu “Abschied von den Königsmachern”:

  1. AR

    Königsmacher wird es immer geben… nur wird dies 2012 jemand ande­res sein als 2009.

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    1. Swen Wacker Post author

      Die Denke beim bis­he­ri­gen „Könige machen” oder „Zünglein an der Waage sein” basiert auf den 2 1/2-Parteien-System der Nachkriegs-Bundesrepublik des 20sten Jahrhunderts, das wie­der­um auf den klas­si­schen Milieus der Weimarer Zeit beruh­te. Diese System haben wir nicht mehr. Den klas­si­schen Königsmacher, der in dem Schröderschen Bild vom Koch und Kellner sei­nen pein­li­chen Abschluss fand, hat aus­ge­dient. Wir haben seit eini­ger Zeit eine Gruppe von drei recht sta­bil star­ken Parteien. Ich kann mir vor­stel­len, dass die Linke, die FDP und eine rech­te, nicht faschis­ti­sche Partei eben­falls hin­rei­chend Wählerpotential bin­den kön­nen. Und, nicht mehr im tra­dier­ten rechts-lin­ke-Schema gedacht, da sind auch Parteien wie die Piraten denk­bar — sowie auf- und abtau­chen­de Parteien des Zeitgeist, der Mode oder aktu­el­ler Protestthemen. Das passt auch ganz gut zu der nicht mehr nach dau­er­haft stren­gen, engen Milieus sor­tier­ten Gesellschaft, son­dern zu den „Sinus-Milieus” (deren Wandel durch Weiterentwicklung ja auch irgend­wie ihr Wesen spie­gelt). Mein Tipp: sechs bis acht Parteien, die wie kom­mu­ni­zie­ren­de Röhren ab- und zuneh­men. Das bedeu­tet viel Wandel: Im Wahlrecht, in den prak­ti­schen Prozessen zur Mehrheitsfindung/-bil­dung oder bei jed­we­der Partizipation.

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  2. Kai Dolgner

    Ach ja, „Prognosen sind schwie­rig, beson­ders wenn sie die Zukunft betref­fen” soll Niels Bohr gesagt haben. Umfragen sind kei­ne Wahlergebnisse. Selten haben ein­fa­che Trendverlängerungen wirk­lich die Zukunft vor­her­ge­sagt. Warten wir mal ab, ob die Wählerinnen und Wähler wirk­lich auf eine stär­ke­re Zergliederung der Parteienlandschaft set­zen oder es wie­der zu Konzentrationsprozessen kommt. Zur Zeit sieht es ja eher so aus, als ob die Grünen haupt­säch­lich „auf Kosten” der ande­ren klei­ne­ren Parteien gewach­sen sind. Von 1947 bis 1958 saßen übri­gens auch schon 6 Parteien im schles­wig-hol­stei­ni­schen Landtag und wenn man die­ser Umfrage glau­ben könn­te, wären es ab 2012 nur noch 4. Ich fin­de zwar die gan­zen Milieu-Diskussionen in die­sem Zusammenhang auch sehr inter­es­sant, aber manch­mal zeit­lich und räum­lich etwas kurz gegrif­fen. Viele nei­gen dazu, den rela­tiv kur­zen Zeitraum von 1961 bis 1983 mit nur vier Parteien und drei Fraktionen im Bundestag für den „Normalzustand” der par­la­men­ta­ri­schen Demokratie zu hal­ten. Das ist sowohl his­to­risch als auch euro­pa­weit aber eher die Ausnahme.

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    1. Swen Wacker Post author

      Damit es wie­der zu einer Konzentration auf weni­ge Parteien kommt, bedarf es eines Grundes. Ich kann den nicht erken­nen.
      Die Weimarer Republik war eine Zeit des Auf- und Umbruchs (ich bin in die­sem Zusammenhang sehr beein­druckt von Peter Gay — Republik der Außenseiter). So las­sen sich die vie­len Klientel-ori­en­tier­ten Parteien erklä­ren. Die klas­si­schen Milieus konn­ten ihre Bindungswirkung nicht ent­fal­ten.

      Und heu­te? Heute ist der sozia­le Kontext anders ver­wo­ben, dass mer­ken die Parteien, die Gewerkschaften, die Kirchen, die ande­ren (ehe­mals) gro­ßen Vereine und Verbände. Wo es das nicht mehr gibt, kann es nicht mehr zu Prägungen, die zur (lang­fris­ti­gen) Identifikation mit einer Partei füh­ren, kom­men. Ich stam­me z.B. aus einem zutiefst sozi­al­de­mo­kra­ti­schen Elternhaus, habe erst müh­se­lig gelernt, dass es neben „der Partei” noch ande­re gibt und dass mich in der Schule alle immer miß­ver­ste­hen, wenn ich von „der Partei” rede :-) Was an Bedeutung gewinnt ist die Frage nach dem eige­nen poli­ti­schen oder öko­no­mi­schen Nutzen, gele­gent­lich gepaart mit der ste­ti­gen indi­rek­ten Betroffenheit, die unse­re ver­netz­te­re media­le Welt mit sch bringt. Das ist kein Boden, auf dem Konzentration gut wächst.

      Wir wer­den uns wohl an einen häu­fi­ge­ren Wechsel ein­stel­len müs­sen, kei­ne dau­er­haf­ten Muster wie das aus der Ausnahmezeit der 1960ern und 1970ern , auf die Du zurecht hin­weist. Und in so einer Welt, die ja nicht bedroh­lich ist, ist kei­ne Partei mehr Königsmacher — oder jede Partei kann nach einer Wahl in die­se Rolle kom­men.

      Die Umfrage sagt ja nichts zu den Wählerwanderungen. Allein nach den Zahlen könn­te man ver­mu­ten, dass die FDP an die Grünen abge­ge­ben hat. Die Wahlanalysen in BW und RP haben noch­mal deut­lich gemacht, dass das Feld der Nichtwähler ein loh­nen­der Acker ist. Die Grünen haben bür­ger­li­che Wähler zudem aus allen Parteien an sich gezo­gen. Aktuell scheint das nicht dazu zu füh­ren, dass sich das Protestwählerpotential nun eine neue Protestbewegung sucht.

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      1. Kai Dolgner

        Fast jede Zergliederung hat bis­her irgend­wann mit einem Konzentrationsprozess geen­det, weil es in Zeiten all­zu gro­ßer Vielfalt häu­fig eine Sehnsucht nach Übersichtlichkeit und Stärke gibt, die übri­gens auch gefähr­lich sein kann. Ebenso haben grö­ße­re Einheiten auch eine Tendenz wie­der zu zer­fal­len. Beides kann man z.B. in der ita­lie­ni­schen Politik der letz­ten Jahrzehnte gut beob­ach­ten. In wel­chem Zeitrahmen sich die­se Prozesse abspie­len hängt von vie­len Faktoren ab, die zum Teil halt auch unvor­her­seh­bar sind, wes­halb ich da auch kei­ne Voraussagen tref­fen mag.
        Bisher haben sich aber gera­de die Politilogen mit Voraussagen bezüg­lich Parteienentwicklung, die einen Zeitraum von mehr als 5 Jahren betra­fen, immer bla­miert. Scheint mir ein biß­chen so zu sein, wie Börsenkurse oder das Wetter über län­ge­re Zeiträume vor­her­sa­gen zu wol­len. In den 90ern wur­de auch mit Verve die Überzeugung ver­tre­ten, dass uns die Arbeit aus­ge­hen wür­de. Eine Folge war, dass die Qualifizierung des Nachwuchses auf der Strecke blieb (gibt ja eh genug, wir neh­men dann halt nur die Besten etc.). Und dann ist es doch anders gekom­men und alles schreit Fachkräftemangel! Es gibt noch vie­le ande­re Beispiel, des­halb tei­le ich Bohrs grund­sätz­li­che Skepsis zum Thema Vorhersagbarkeiten und war­te ab, was der Souverän bei den Wahlen so tut oder lässt.

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  3. Kai Dolgner

    Nachtrag:

    In der kur­zen Weimarer Republik, auf die Du Dich beziehst, saßen übri­gens bis zu 16 Parteien im Reichstag. Auch mit 5%-Hürde wären es bis zu 7 (!) gewe­sen.

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  4. Ralf Brinkmann

    Ich wer­de die Freien Wähler Schleswig-Holstein wäh­len, weil ich mer­ke, das die der­zeit im Landtag ver­tre­te­nen Parteien den Schuldenberg immer grö­ßer wer­den las­sen. Die Interessen des Bürgers wer­den kaum noch ernst genom­men von den soge­nann­ten Volksparteien, die kei­ne mehr sind. Vielleicht scha­det das jahr­zehn­te­lan­ge durch-regie­ren von CDU und SPD dem demo­kra­ti­schen System, so das sich Lobby-isten­ver­bän­de zu stark in die Politik ein­mi­schen, kön­nen.
    Wie hoch ist denn der Blog der Nichtwähler gewe­sen 2009?

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