Democratainment - Postdemokratie nach Husumer Art

Von | 29. Mai 2011

Die heu­ti­ge Bürgermeisterwahl in Husum hat es ins Bayerische Fernsehen geschafft! Report München berich­te­te Anfang Mai über das spe­zi­el­le Kandidatenfindungsverfahren der Husumer: Tatsächlich gab es zu Anfang nur einen Kandidaten. Der war war der bis­he­ri­ge Hauptamtsleiter und der wur­de von SPD, FDP und SSW unter­stützt. Die Befähigung und Eignung für die Spitze der Stadtverwaltung ist also leicht nach­zu­wei­sen. Wenn es aber nur einen Kandidaten gibt — wozu soll­ten die Husumerinnen und Husumer dann heu­te zur Wahl gehen? Die Aktion „Husum sucht den Bürgermeister” soll­te Abhilfe schaf­fen.

Der Husumer Wirtschaftskreis hat sich wohl auch gedacht, dass ein Bewerber kei­ne ech­te Wahl dar­stellt und eine bun­des­wei­te Anzeigenkampagne geschal­tet. Es bewar­ben sich Jobsuchende aus ganz Deutschland. 29 Bewerber haben geant­wor­tet und sich zum Teil in ihren Schreiben „auf ein Vorstellungsgespräch gefreut”. Viele davon waren offen­bar wenig geeig­net für die Leitung einer Verwaltung. Drei von ihnen gehen in die Wahl.

Letztlich gehen SPD, FDP und SSW mit dem Hauptamtsleiter, die CDU mit einem läng­jäh­ri­gen Kommunalpolitiker, die GRÜNEN mit einem Abteilungsleiter aus Lübeck ins Rennen. Unabhängig tre­ten ein ehe­ma­li­ger CDU-Fraktionsvorsitzender, ein Arbeitsloser und ein Manager aus Hamburg an — der hebt im ZEIT Interview sogar her­vor, dass sein Vorteil wäre, dass er sich nicht mit Verwaltung aus­ken­ne — er käme aus der Industrie. Nur der GRÜNE Kandidat hat­te es als exter­ner Bewerber geschafft eine der Parteien zu über­zeu­gen.

Problem 1: Vermischung von Wirtschaft und Politik

Wenn sich die Wirtschaft so direkt in demo­kra­ti­sche Prozesse ein­mischt und ihre finan­zi­el­le Macht dafür ein­setzt, einen gefäl­li­ge­ren Kandidaten zu fin­den, dis­kre­di­tiert sie dadurch nicht nur den bis­he­ri­gen Kandidaten, son­dern gibt den neu­en Kandidaten auch noch zusätz­li­che Publicity. Wenn einer von denen gewählt wird, steht der immer im Verdacht Strohmann der Wirtschaft zu sein. Ein Verdacht, den auch ein Bericht der WELT am Ende nahe­legt.

Einer der unab­hän­gi­gen Kandidaten ist Holger Eichhorn. Er hat bereits als Fraktionsvorsitzender der CDU gear­bei­tet und war schon ein­mal von 1990 bis 1994 zwei­ter Bürgermeister in Husum. Er sag­te dem Online-Magazin eventmal.de:

„Als Husumer Bürger sehe ich die Aktion des Wirtschaftskreises als eine unzu­läs­si­ge Einmischung in die kom­mu­na­le Selbstverwaltung an. Hier wur­den Grenzen über­schrit­ten, die nicht hät­ten über­schrit­ten wer­den dür­fen. Aus den vie­len, vie­len Gesprächen zu die­sem Thema habe ich den Eindruck mit­ge­nom­men, das die HusumerInnen sowohl die Stadt als auch das Bürgermeisteramt als beschä­digt anse­hen.”

Problem 2: Wenige Kandidaten stel­len sich zu Wahlen

Das ande­res Problem sind die weni­gen, geeig­ne­ten Bewerber. Wirklich reiz­voll sind die­se Jobs als Konkursverwalter der Kommune nicht. Und wer etwas für sei­nen Lebenslauf tun will, soll­te viel­leicht lie­ber kein poli­ti­sches Amt anstre­ben. Einer der Husumer Bürger in der BR-Reportage meint, die Parteien müss­te mal dafür sor­gen, dass das attrak­ti­ver wird. Wenn man sich aber über­legt, dass die Parteien in Husum alle zusam­men viel­leicht 80 wirk­lich akti­ve, ehren­amt­li­che und oft bereits mehr­fach ein­ge­bun­de­ne Mitglieder haben, dann fragt man sich wie eine Bürgermeisterwahl zum Beispiel mit pro­fes­sio­nel­ler, kom­mer­zi­el­ler Unterhaltung mit­hal­ten könn­te. Demokratie ist nur im Vergleich mit ande­ren Staatsformen attrak­tiv — wenn man aber gleich­zei­tig zuse­hen könn­te, wie sich Stefan Raab im chi­ne­si­schen Gemüsetopf einen Schneehang her­un­ter­rut­schen lässt, wirkt sie fad und grau.

Problem 3: Die Menschen nut­zen ihr demo­kra­ti­sches Recht nicht

Ein gro­ßer Bewerberkreis bedeu­tet kei­ne gro­ße Wahlbeteiligung: In Flensburg hat es im letz­ten Herbst auch ohne Werbung neun (9!) Kandidaten gege­ben und nur 27,8% der Flensburger sind wäh­len gegan­gen. Dort ergab sich eher der Eindruck, Bürgermeister wäre ein x-belie­bi­ger Job, den jeder machen kön­ne. Eine dop­pel­te Diskreditierung des jetz­ti­gen Amtsinhabers.

„Die einen stel­len sich nicht mehr zu Wahl und die ande­ren gehen nicht mehr wäh­len — ein inter­es­san­tes System,” sag­te Urban  Priol ein­mal in „Neues aus der Anstalt”.

Kandidaten

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Ein Gedanke zu “Democratainment - Postdemokratie nach Husumer Art”:

  1. Steffen Voß

    ‎Ergebnis: 43,0% Schmitz, 14,5% Hanisch, 14,1% Mordhorst, 14% Eichhorn, 13,2% Johannsen, 0,9% Wojenko, 0,5% Hargel — Über den letz­ten Kandidaten fin­det sich übri­gens nir­gends eine Info.

    In die Stichwahl am 19. Juni gehen also Uwe Schmitz und Martin Hanisch.

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