Klaus Schlie, Innenminister des Landes Schleswig-Holstein, hat vor einigen Wochen eine Elmshorner Richterin öffentlich und unter Namensnennung gerügt. Anlass war die Verurteilung eines Polizisten wegen „gefährlicher Körperverletzung im Amt“ zu einer Geldstrafe. Er hatte Pfefferspray, nach Überzeugung des Gerichts unverhältnismäßig, also ohne Not, eingesetzt. In seinem Brief, der in der Öffentlichkeit, der Opposition, beim Koalitionspartner FDP und im Parlament auf heftige Kritik stieß, hatte er hervorgehoben, dass der Einsatz von Pfefferspray den Einsatzkräften eine „überaus schwierige Entscheidung“ abverlange. Diese müsse häufig in „Sekunden“ getroffen werden. Zudem: Immer häufiger träten Situationen auf, die von „Aggressionen und zunehmender Gewaltbereitschaft“ gekennzeichnet seien.
Das Urteil liegt nun im Wortlaut vor. Der Sachverhalt wird in dem Urteil ausführlich geschildert. Er ist – bis auf die Frage, ob der Polizist den Einsatz angedroht habe oder nicht – nicht strittig.
Über die rechtliche Auslegung maße ich mir kein Urteil an. Das muss der Rechtsweg zeigen.
Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass der Innenminister in seinem Brief nicht den im Urteil geschilderten Sachverhalt meinte. Denn von „Sekunden“, „überaus schwieriger Entscheidung“, „Aggressionen und zunehmender Gewaltbereitschaft“ verspüre ich bei der Lektüre nicht viel. Nachvollziehbar wird allerdings, warum er – in einem gewissen Widerspruch zu den Formulierungen in seinem Brief – im Ausschuss darauf bestand, dass der Einsatz auch ohne gegenwärtigen körperlichen Angriff gerechtfertigt sei. Es lag nämlich keiner vor: „Der Zeuge … machte keinerlei Anstalten, dem Angeklagten oder dessen Kollegen gewaltsam entgegenzutreten“.
Mir erschließt sich nach der Lektüre auch nicht, wo sich mit Blick auf den Einsatz von Pfefferspray in diesem Fall die Frage nach der „angemessenen Verwendung von Zwangsmitteln im polizeilichen Einsatz“ stellt. Der Sachverhalt zeigt in meinen Augen in alltäglichster Banalität den typischen Ablauf einer zu treffenden Ermessensentscheidung. Mir fallen da zig andere Konstellationen ein, wo es nachvollziehbar weltfremd wäre, wenn ein Gericht „am grünen Tisch“ in Nachhinein dem Polizisten in Sekundenbruchteilen eine tiefschürfende ermessenfehlerfreie Abwägung abverlangte. Dieser Fall scheint mir dafür nicht geeignet zu sein.
Die in der Ausschusssitzung geäußerte rechtliche Kritik des Innenministeriums, das Gericht habe in der Urteilsbegründung rechtsfehlerhaft versäumt, die polizeirechtlichen Vorschriften als Grundlage für den Einsatz des Pfeffersprays heranzuziehen, scheint nicht begründet zu sein: Im Urteil jedenfalls werden die einschlägigen Vorschriften des Landesverwaltungsgesetzes breit diskutiert.
So könnte es sein, dass der Minister seiner Polizei einen Bärendienst erwiesen hat. Gut gemeint ist das Gegenteil von gut gemacht.
Es gibt keine ordentlichen Staatsgerichte in der BRD mehr, da auch der Art. 101 GG mit dem Einigungsvertrag (Art.4 Ziff.2 ) seit 1990 keine territoriale Gültigkeit mehr besitzt. Das gleiche gilt für die ehem. „gesetzlichen Richter”, die dem deutschen Volk entzogen wurden.