Passend zur in der letzten Woche vom Landesdatenschutzbeauftragten Dr. Thilo Weichert angestoßenen Facebook-Debatte (das Landesblog berichtete) wurde heute im Landtag eine Modernisierung und Erweiterung der Landesdatenschutzes beschlossen, die unter anderem wegen einer bereits im letzten Jahr erfolgten Rüge des Europäischen Gerichtshofes nötig geworden war.
Größter Kritikpunkt des EuGH war die formelle Abhängigkeit und Gebundenheit der Landesdatenschutzbehörden von den jeweiligen Landesregierungen. So hatte bisher in Schleswig-Holstein das Innenministerium die Rechtsaufsicht über das „Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz” (ULD); dem Ministerpräsidenten oblag die Dienstaufsicht, der damit auch Vorgesetzter des Datenschutzbeauftragten war.
Doch nicht nur rechtlich, auch technisch ist das 11 Jahre alte Landesdatenschutzgesetz nicht mehr auf der Höhe seiner Zeit. Man denke zurück: Im Jahr 2000 gab es noch kein Facebook, der Datensammler Google steckte noch in den Kinderschuhen. Niemand hatte ein iPhone in der Tasche, und auch die Strafverfolgungsbehörden griffen weitestgehend auf „traditionelle” Methoden zurück — eine Funkzellenabfrage wie jüngst in Dresden war vor nur 11 Jahren noch schwer vorstellbar. Allgemein hat sich die Datensammelwut vieler öffentlicher und nicht-öffentlicher Einrichtungen in der letzten Dekade dramatisch gesteigert.
Natürlich können viele dieser Punkte im europäisch-deutschen-Föderalismus-und-Kompetenz-Wirrwarr nicht allein von Schleswig-Holstein behandelt oder gesetzlich geregelt werden. Was konkret in Schleswig-Holstein für den Datenschutz getan wird, erläutere ich im Weiteren.
Was sind die wichtigsten Änderungen?
Die einschneidendste Veränderung im Landesdatenschutzgesetz (LDSG) ist die gesetzlich festgeschriebene Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten. Im neuen Gesetz heißt es:
„(1) Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz nimmt die ihm zugewiesenen Aufgaben in Unabhängigkeit wahr und ist nur dem Gesetz unterworfen. Die §§ 50 bis 52 des Landesverwaltungsgesetzes sind nicht anzuwenden. […]”
Die Paragraphen 50 bis 52 des LVwG hatten bisher die Landesregierung zu „Vorgesetzten” des ULD gemacht. Dies war auch (unter anderem) der Grund für die Rüge des EuGH.
Die Drucksache mit dem gesamten neuen Gesetzestext findet man hier.
Mit ungewöhnlich freundlichem Konsens stimmten alle Parteien für die Novelle, wenngleich die zu erwartenden Floskeln der einzelnen Lager in der Beratung genannt wurden: Der CDU-Abgeordnete Dr. von Abercron schloss mit den Worten „Im Zweifel für die Sicherheit”, Peter Eichstädt von der SPD forderte mehr Aufklärung und Medienkompetenz und die FDP-Abgeordnete Brand-Hückstädt brachte die „Freiheit statt Angst”-Diskussion im Zusammenhang mit öffentlicher Videoüberwachung ins Spiel.
Schleswig-Holsteins oberster Datenschützer Dr. Thilo Weichert zeigte sich im Gespräch nach der Beratung zufrieden, der von seinem Haus mitentwickelte Gesetzentwurf wurde vom Innenministerium sowie dem Innen- und Rechtsausschuss des Landtages weitestgehend angenommen. Zwar seien einige kontroverse Punkte (wie beispielsweise der vom ULD geforderte behördliche Datenschutzbeauftragte) vom Innenministerium zur finanziellen Entlastung der Kommunen nicht mit ins Gesetz aufgenommen worden, dennoch würden die Unabhängigkeit des ULD und die Privatssphäre der Bürger weiter gestärkt.
Weitere Änderungswünsche
Darüber hinaus wurde eine von der Regierung eingebrachte Änderung des Landesdatenschutzgesetzes in erster Lesung diskutiert und in die Ausschüsse verwiesen. Der Gesetzesentwurf wird im Innen- und Rechtsausschuss des Landtages sicher noch kontrovers diskutiert werden.
Die Verarbeitung, Speicherung, Verkettbarkeit und Erhebung von personenbezogenen Daten in der öffentlichen Verwaltung soll überarbeitet werden. Beispielsweise sollen die Protokolldaten (wer hat wann auf welche Daten zugegriffen) von nun an immer mit den personenbezogenen Daten zusammen gespeichert werden. Dies soll lückenlose Dokumentationen über die Nutzung der Daten erlauben und Missbrauch vorbeugen.
Zudem soll ein transparenteres Einsichtsverfahren mit dem ULD erarbeitet werden, nach dem Bürger die von ihnen gespeicherten Daten einsehen können, soweit diese nicht bei Behörden der Landessicherheit, Strafverfolgung oder Steuerfahndung gelagert sind.
Neben der Änderung des LDSG soll auch das Landesverfassungsschutzgesetz geändert werden. Die Landesregierung möchte es auch künftig ermöglichen, den jährlichen Verfassungsschutzbericht, der auch personenbezogene Daten enthalten kann, im Internet zu veröffentlichen.
Das Innenministerium hat sich bei der Kommentierung der Gesetzesentwürfe Mühe gegeben, so dass man die Änderungen recht gut nachvollziehen kann.
Man kann die Drucksachen im Informationssystem des Landtags abrufen unter
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/drucks/1500/drucksache-17 – 1599.pdf
und
http://www.landtag.ltsh.de/infothek/wahl17/drucks/1600/drucksache-17 – 1698.pdf