Mehrheit für das Glücksspielgesetz steht

Von | 7. September 2011

Der Zählappell in der Regierungskoalitionen im Kieler Landtag scheint gut ver­lau­fen zu sein: Alle Mann an Bord und alle bereit, um für das Glücksspielgesetz in die Wanten zu stei­gen. CDU und FDP wol­len in der kom­men­den Woche im Kieler Landtag den ein­ge­brach­ten Entwurf eines Glücksspielgesetzes in drit­ter Lesung beschlie­ßen.

Das Gesetz soll die Lücke schlie­ßen, die der zum Jahreswechsel aus­lau­fen­de Glücksspielstaatsvertrag rei­ßen wird. Der von 15 Bundesländern aus­ge­han­del­te Nachfolger war im Juli von der EU-Kommission in sie­ben Punkten wett­be­werbs­recht­lich scharf kri­ti­siert wor­den. Zuvor hat­te es, ins­be­son­de­re bei FDP, Grünen und Netzaktivisten, erheb­li­che Bedenken gegen die im Vertragsentwurf vor­ge­se­he­nen Netzsperren gege­ben. Es gilt des­halb als unsi­cher, ob die für das Inkrafttreten erfor­der­li­chen Zustimmung von 13 Bundesländern über­haupt zusam­men­kom­men wer­den.

Nach der ein­deu­ti­gen Absage der EU zum Entwurf der 15 Bundesländer hat­te man in Kiel wohl mehr Bewegung im Rest der Republik erwar­tet und sogar eine unüb­li­che drit­te Runde in der Parlamentsbefassung ein­ge­legt. Aber anschei­nend ist es hin­ter den Kulissen recht still geblie­ben. Da die Kieler Koalition sich zu Gute schreibt, dass der schles­wig-hol­stei­ni­sche Entwurf wett­be­werbs­recht­lich in Brüssel noti­fi­ziert wur­de, will man nun im Land zwi­schen den Meeren Fakten schaf­fen und das Gesetz beschlie­ßen: „Unsere Landesbehörden kön­nen sich damit auf das Ende des aktu­el­len Glücksspielstaatsvertrages der 16 Bundesländer ein­stel­len und die nöti­gen Weichenstellungen für eine ver­fas­sungs- und euro­pa­rechts­kon­for­me Regelung vor­neh­men“, so FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki.

Aber eine Hintertür bleibt offen: Konzessionen, die auf der Grundlage des neu­en schles­wig-hol­stei­ni­schen Glücksspielgesetzes erteilt wer­den, gel­ten erst ab März 2012. „Wir haben immer gesagt, dass eine schles­wig-hol­stei­ni­sche Einzellösung in Zeiten zuneh­men­der inter­na­tio­na­ler Zusammenarbeit und einer welt­wei­ten Vernetzung nicht unse­re bevor­zug­te Lösung ist. Deshalb geben wir die Hoffnung nicht auf, dass es doch noch zu einer gemein­sa­men Lösung kom­men wird“, sag­te Hans-Jörn Arp, stell­ver­tre­ten­der Vorsitzender der CDU-Fraktion.

CDU und FDP im Kieler Landtag hat­ten stets betont, dass sie kein ufer­lo­ses Zockerparadies zwi­schen Sylt und Lübeck eröff­nen wol­len und zum Beispiel auf die im Gesetzesentwurf beschrie­be­nen Maßnahmen zur Suchtprävention hin­ge­wie­sen. In die­sem Bereich sol­len nun sogar „noch wei­te­re Verbesserungen vor­ge­nom­men“ wer­den, so Werner Kalinka von der CDU: „Wir stär­ken die Kontrolle, wer­den über eine Verordnung die Zuverlässigkeitskriterien prä­zi­sie­ren, neh­men Berichtspflichten über die Wirksamkeit des Spielerschutzes auf und sor­gen über einen Fachbeirat für den Ausschluss anstö­ßi­ger Wetten.” Das und ein eben­falls heu­te vor­ge­leg­ter Resolutionsentwurf, nach dem die Landesregierung bereits in der Novembersitzung des Landtages einen ers­ten Entwurf für ein eige­nes, schär­fe­res Spielhallengesetz vor­le­gen soll, das dem „aus­ufern­den Automatenspiel” — nach Meinung vie­ler Experten mit einem hohen Suchtpotential aus­ge­stat­tet — Einhalt gebie­tet, haben anschei­nend letz­te Zweifel in der Koalitionsreihen besänf­tigt. Auch soll die ursprüng­lich geplan­te neue Aufsichtsbehörde ent­fal­len und die Glücksspielaufsicht nun doch durch das Innenministerium erfol­gen — finan­ziert durch kos­ten­de­ckend erho­be­ne Gebühren.

Ob die Opposition das auch alles toll fin­det, kann bezwei­felt wer­den. Die Grünen, anschei­nend durch­aus offen für die Idee, den fak­tisch bestehen­den Onlineglücksspielmarkt jeden­falls teil­wei­se zu regu­lie­ren, hat­ten erst vor weni­gen Tagen einen umfang­rei­chen, sehr detail­lier­ten und noch unbe­ant­wor­te­ten Fragenkatalog ver­öf­fent­licht. Sie wer­den des­halb sicher auf­merk­sam Änderungen im Entwurf beäu­gen, die der CDU-Abgeordnete Werner Kalinka ges­tern (6. September 2011) ver­kün­de­te: „Es wird kei­ne Anstalt gegrün­det, wie ursprüng­lich im Entwurf der Koalitionsfraktionen vor­ge­se­hen, son­dern die Landesregierung wird über die Vergabe der Lizenzen ent­schei­den. Diese wer­den zeit­lich begrenzt. Lizenzen aus ande­ren EU-Ländern gel­ten nicht auto­ma­tisch in Schleswig-Holstein.

SPD-Fraktionschef Ralf Stegner hat­te vor weni­gen Tagen den schwarz­gel­ben Plänen eine kla­re Abfuhr erteilt und vor einem „Las Vegas im Norden“ gewarnt. Er sieht das Land durch die Ideen von CDU und FDP zur Liberalisierung des Glücksspiels „iso­liert und auf dem Holzweg“. Die Landesregierung sol­le sich bes­ser „für die Fortsetzung einer gemein­sa­men Glücksspielregelung in der Bundesrepublik Deutschland durch Abschluss eines neu­en Glücksspielstaatsvertrages“ enga­gie­ren.

Peter Harry Carstensen, der als Ministerpräsident im Herbst tur­nus­ge­mäß den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz über­nimmt, steht vor der schwe­ren Aufgabe, die Länder und dem im Hintergrund wohl brem­send wir­ken­den deut­schen Lotto- und Totoblock von einem neu­en, EU-kon­for­men Staatsvertragsentwurf zu über­zeu­gen. Keine Aufgabe, um die man ihn benei­den wür­de: Denn das soge­nann­te Kohärenzprinzip ver­pflich­tet die Mitgliedsstaaten der EU, in sich stim­mi­ge und wider­spruchs­freie Rechtslagen zu schaf­fen. Ein Staatsvertrag für 15 Länder und ein Extrawurst für Schleswig-Holstein wer­den da wohl kei­nen Bestand haben kön­nen.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

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