Man will ja wissen, wofür eine Partei steht. Von wegen Markenkern und so. Werner Kalinka, innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, hat heute in Sachen Vorratsdatenspeicherung deutlich gemacht, dass ideologische Verfestigungen bei der Debatte um die Vorratsdatenspeicherung nicht weiterhelfen. Dann erklärte er allerdings: „Viele im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung und Terrorismusabwehr praktisch tätige Personen fordern, dass es auf Bundesebene zügig zu einer Lösung im Bereich der Vorratsdatenspeicherung kommen muss.“ Die Forderung sei berechtigt, weil nämlich „bereits heute bestimmte schwerwiegende Straftaten mit dem „Tatmittel Internet“ nicht mehr aufgeklärt werden können.“
Warum das ein Widerspruch ist, erklärte Gerrit Koch, der innen- und rechtspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion. Ohne ideologische Verfestigung, dafür mit einer Kleinen Anfrage, die der Sozialdemokrat Kai Dolgner gestellt hatte, in der Hand, befand er anhand der Antwort des Innenministers, „dass sich aus der Zuordnung von IP-Adressen von nicht mehr vorrätigen Bestandsdaten nur in ganz wenigen Fällen – und dann auch nur möglicherweise – weitere Ermittlungsansätze ergeben hätten.” Solche Erfolgsaussichten, so der Liberale, “rechtfertigten nicht, alle Bürger unter Generalverdacht zu stellen“. Ermittlungseffizienz und Opferschutz dürfe man natürlich nicht außer Acht gelassen, aber: es müsse „sehr sorgfältig abgewogen werden“. Koch zeigte andere Wege auf: „Eine Vorratsdatenspeicherung ohne jedweden Anlass würde diesem Anspruch im Gegensatz zum so genannten „Quick-Freeze-Verfahren“ nicht gerecht.
Das von der Bundes-FDP vorgeschlagene Quick-Freeze-Verfahren gilt als als Alternative zur vom Bundesverfassungsgericht verworfenen Vorratsdatenspeicherung. Bei diesem Verfahren werden Telekommunikations-Verkehrsdaten für Zwecke der Strafverfolgung (nur) vorübergehend gesichert.
Also „puffern” beim Quick Freeze ist auch „speichern”, d.h. wir diskutieren da eher über „wie lange”. Viel wichtiger ist IMHO „was” und „wofür” und „wer kontrolliert die Nutzung” Mein vorläufiges Fazit bis zum Beleg anderer Fakten bleibt: Für alle Maßnahmen der VDS, mit Ausnahme der IP-Speicherung, gibt es überhaupt keinen validen Nachweis, dass sie bei der Strafverfolgung helfen würden und bei der IP-Speicherung wurden mir bisher nur Einzelfälle bzw. ein relativ geringer Anteil (max 5% Aufklärungsquote bei KiPo) genannt, so dass die notwendige Abwägung nur sehr schwer zu treffen ist, wenn mensch sich ernsthaft Gedanken machen will. Ideologische Verfestigungen erlebe ich leider auf beiden Seiten, wie ja auch die fröhlichen Zahlenberechnungen meiner kleinen Anfrage ergeben haben. Es wäre wirklich schön, wenn methodisch sauber erfasst werden würde, wann beim Tatmittel „Internet” die erschwerte oder unmögliche Strafverfolgung an mangelnden „Vorratsdaten” und an welchen des Sammelbegriffs „Vorratsdaten” gelegen hat und dieses dann von einer unabhängigen Stelle ausgewertet werden würde. Erst wenn diese Daten vorlägen, könnte mensch entscheiden: Ok, für diese Aufklärungsquotenerhöhung ist mensch bereit den folgenden Grundrechtseingriff zu verantworten oder nicht zu verantworten. Und das ist immer eine Abwägung, um die mensch nicht herumkommt, wenn er keine „ideologsich verfestigten Positionen” vertreten möchte. Auch Verhaftungen oder gar U-Haft etc. sind natürlich Grundrechtseingriffe und es trifft auch häufig Unschuldige, trotzdem sind sie manchmal schlicht zur Strafverfolgung notwendig.
Die EU-Richtlinie ist aber garnicht Ausfluss einer solchen Abwägung oder lässt dem nationalen Gesetzgeber genügend Raum, diese Abwägung selbst zu treffen, deshalb wäre meine persönliche Wunschliste:
1. Die EU-Richtlinie muss weg
2. Es wird deutschlandweit unter Einbeziehung unabhängiger Wissenschaftler methodisch sauber erhoben, welche Maßnahmen der VDS zur weiteren Strafverfolgung bei welchen Tatbeständen in welchem Umfang eine weitere Strafverfolgung ermöglicht hätten
3. Es wird unabhängig von den Strafverfolgungsbehörden geprüft, in welchem Umfang die mangelnde Strafverfolgung auch mit alternativen Methoden („Quick-Freeze”, Quick-Freeze Plus” verbessert werden könnte
4. Der Deutsche Bundestag entscheidet in Abwägung der Ergebnisse aus 2. und 3., ob und welche Maßnahmen zum Einsatz kommen.
5. Wenn der Bundestag sich für Maßnahmen entscheidet, bekommen diese ein Verfallsdatum (z.B. 4 Jahre) mit zwingender Evaluation
DAs wäre doch mal ein transparentes, ergebnisoffenes Verfahren oder?
Und wenn mensch das alles gemacht hat, kann mensch immer noch die Tüte mit den Kampfbegriffen, Schmähungen usw. auspacken ;-)
Kai
Es ist aber nun nicht so, dass dies Haltung der SPD ist. Mehrere SPD-Innenminister und konservative Kreise (liegt es am Alter?) wollen die anlasslose Datenspeicherung auf Vorrat durchsetzen.
Und der (vermittelnde) Vorschlag von Tillmann, Freude und anderen aus dem Arbeitskreis Netzpolitik der SPD spricht sich auch für VDS aus, wenn auch als „light”-Version. http://www.henning-tillmann.de/2011/08/spd-musterantrag-zur-vorratsdatenspeicherung/
Wäre schön, wenn Du Dich durchsetzen könntest in der SPD. Und ich hoffe, dass wir in den Koalitionsverhandlungen nach Mai :) für SH die VDS vollständig ausschließen können, wenn es dann noch ein Thema ist!
Ich kann mich der Aussage von Thomas Lange nur anschließen.
Meiner Ansicht nach ist der Vorschlag Quick Freeze auch nur der Versuch eines Kompromissvorschlags, um damit die Durchsetzung der Vorratsdaten- oder Mindestfristspeicherung abzuwenden. Wenn ich das richtig verstehe, stehen für die VDS auf Bundesebene eben CDU und SPD. Insofern wünsche ich Dir in Deiner Partei viel Durchsetzungs- und Überzeugungsvermögen sowie engagierte Mitstreiter.
Zu Quick Freeze hatte sich RA Jan Moenikes vom Gesprächskreis Netzpolitik schon sehr kritisch geäußert: http://www.moenikes.de/ITC/2011/01/18/quick-freeze-%E2%80%93-der-wolf-im-schafspelz/
Auch Ralf Stegner hat sich laut taz (http://www.buchmesse.taz.de/!73868/) gegen den Vorschlag Quick Freeze ausgesprochen. Ihm reicht das noch nicht aus:
„Auch aus der SPD hatte die Union Schützenhilfe bekommen. Deren Innenpolitiker stellten sich am Montag gegen die Position von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), Handy- und Internetdaten zur Verbrechensbekämpfung nur bei konkretem Verdacht nachträglich einfrieren zu lassen. „In der Sache ist das völlig untauglich”, sagte Schleswig-Holsteins SPD-Chef Ralf Stegner nach Beratungen der SPD-Innenpolitiker von Bund und Ländern in Berlin. „Man kann nur einfrieren, was man hat.” Wie die Union und die EU plädieren die SPD-Innenpolitiker für eine Speicherung über mehrere Monate unter strengen Auflagen. Sie halten laut Stegner drei bis vier Monate für ausreichend, die Union spricht von sechs Monaten.”
Es wäre albern, abzuleugnen, dass es in der SPD zur Zeit eine (wahrgenommene) Mehrheit für die VDS gibt, die zwar nicht so weit geht, wie die alte VDS oder die Vorstellungen des BMI aber sich deutlich von meiner Position unterscheidet. Ich habe aber immer klar gemacht, dass es meine persönliche Position ist, u.a. hier:
http://www.ltsh.de/presseticker/2010 – 03/02/12 – 29-21 – 7aac/PI-S4z2kXqs-spd.pdf
Und Alvar und Tillmann versuchen natürlich einen gangbaren Kompromiss innerhalb der SPD zu finden, der allemal besser ist, als die bisherigen Vorstellungen (ähnlich wie es die FDP mit QuickFreeze+ probiert), wobei ich nach wie vor Quick Freeze + für einen tieferen Eingriff halte, da hier halt erheblich mehr Daten zwischengespeichert wird, als die Zuordnung IP-Adresse/Anschlussinhaber. Aber wer Kompromisse sucht, bekommt natürlich allemal mehr Schläge (im Zweifelsfall von beiden Seiten, ich bin nämlich einer dieser bösen Innen- und Rechtspolitikern ;-)) als wenn man seine Zielgruppe einfach „bedient”. Kompromisse suchen, hinter denen man vielleicht nur zu 70% steht, gehört auch zum Wesen der Demokratie…Und meine Wunschliste ist halt auch nur eine Wunschliste