Die Industrie- und Handelskammern in Schleswig-Holstein suchen den Konflikt mit dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) in Sachen Facebook. Sie fordern den ULD auf, keine Bußgelder gegen schleswig-holsteinische Unternehmen zu erlassen. Ansonsten scheue man, um Rechtssicherheit zu erlangen, die gerichtliche Auseinandersetzung nicht.
Facebook aller Orten: Auf der 56. Konferenz städtischer Pressesprecher des Deutschen Städtetages in Dessau wird über die Frage diskutiert, wie ein rechtssicherer Umgang mit Facebook aussehen kann. Die 82. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder tagt vom 27. bis zum 29. Oktober in München, Facebook wird ein Thema sein. Am Donnerstag, treffen sich, ebenfalls in München, die Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder, Facebook soll Thema sein, Beschlüsse werden nicht erwartet. Die us-amerikanische Firma kann sich über öffentliche Aufmerksamkeit also nicht beklagen. Zumal sie nicht durch die Bank negativ ist.
Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert war aufgrund eigener Analysen zu der Auffassung gelangt, dass Daten von Besuchern der Fan-Seiten bei Facebook ebenso wie von Besuchern anderer Webseiten, die den sogenannten Like-Button benutzen, ohne die ausdrückliche Zustimmung der Besucher an Facebook weitergegeben würden — das verstoße gegen deutsches Recht. Analysen anderer scheinen das zu bestätigen. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) hatte Institutionen und Unternehmen in Schleswig-Holstein ein Ultimatum gesetzt: Bis Ende September sollte Facebook-Angebote wie Fan-Pages und Like-Button abgeschaltet werden. Sonst drohten Bußgelder in Höhe bis zu 50.000 Euro. Die Datenschützer erhielten dafür Zustimmung. Aber auch Kritik.
Ihnen wird entgegengehalten, dass es sich bei diesen Analyse-Techniken um hinlänglich bekannte Methoden handele, die nicht nur Facebook benutze und im WWW verbreitet seien. Sie dienten auch dem Schutz der Besucher zum Beispiel vor Phishing (Siehe den Kommentar des Facebook-Mitarbeiters Gregg Stefancik). Zudem reagiere Facebook auf Kritik.
Auf einer ganz anderen Ebene sind die Kritikpunkte zu sehen, die zum Beispiel den schleswig-holsteinischen Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen umtreiben. Ist die Taktik des ULD, mangels rechtlicher Möglichkeiten nicht Facebook direkt anzugehen, sondern die Betreiber von Webseiten oder Administratoren von Fan-Seiten mit Bußgeldern zu drohen, vernünftig und richtig? Oder müsse nicht eher der Dialog gesucht werden.
Entsprechend steigt die Unsicherheit der Facebook-Benutzer gerade in Schleswig-Holstein: Was macht man am 1. Oktober, wenn man eine Fan-Seite administriert. Wie geht man mit dem Like-Button auf der eigenen Webseite um?
Zumal der ULD anscheinend nicht gewillt ist, sich zu bewegen. Dem WDR gegenüber sagte Thilo Weichert heute, dass er, wie angekündigt, am Freitag seine Stellung zu Facebook veröffentlichen werde. Der Tenor scheint klar. Er ist nicht beeindruckt von Facebooks Argumenten: „Insgesamt haben die Argumente von Facebook keine Relevanz für unsere grundsätzliche rechtliche Bewertung: Die Verwendung von Gefällt-mir-Button und das Betreiben von Fanpages ist unzulässig.“
Auch an dem Zeitplan will er anscheinend nicht rütteln, wird im Ton aber moderater. In dem gleichen Interview sagte er: „Wir werden ab Mitte Oktober Anhörungsverfahren durchführen und Sanktionen einleiten: Wir werden dafür öffentliche und private Stellen ansprechen, die Staatskanzlei oder Kommunen und Landkreise, ebenso wie Medienanbieter und in größerem Interesse stehende Unternehmen und Website-Betreiber, aber keine Jugendorganisationen oder Privatpersonen.“
Ebensowenig, wie sich der Kieler Datenschützer von Facebook beeindrucken lassen will, lassen sich Schleswig-Holsteins Unternehmer vom ULD beeindrucken. Sie stemmten sich heute auf einer Pressekonferenz in Lübeck gegen das Facebook-Ultimatum. Marcus Schween, Federführer Recht der IHK Schleswig-Holstein: „Die IHK Schleswig-Holstein wird auch in Zukunft die Facebook-Plattform sowie andere Social-Media-Netzwerke zur Kommunikation mit Ihren Mitgliedern nutzen“.
So eindeutig, wie der Landesdatenschützer die Rechtslage beschreibe, sei sie nämlich keinesfalls. „Fraglich ist, ob Webseitenbetreiber überhaupt mittels Bußgeld bestraft werden können“. Auch Schween zweifelt am richtigen Adressaten: „Wenn überhaupt müsste sich die Aktion der Datenschützer gegen Facebook selbst richten.“ Auch an der Taktik haben die schleswig-holsteinischen Unternehmer Zweifel. Sie wollen einen anderen Weg: „Wie im Fall Google-Analytics durch den Hamburger Datenschutzbeauftragten sollte die Lösung in Verhandlung zwischen dem ULD und Facebook gesucht werden.“
Wie die Landesregierung hält Schween es für „völlig unangemessen“, dass der Konflikt (allein) auf den Schultern der schleswig-holsteinischen Unternehmen ausgetragen werde. „Die Drohung des ULD hat erhebliche Verunsicherung bei den Unternehmen im Land ausgelöst, nicht Unsicherheit, sondern Rechtssicherheit ist aber das, was die Wirtschaft im Land benötigt.“
Auch wenn er die rechtliche Einschätzung des Kieler Datenschützers nicht teilt, zeigt die Initiative, „dass das aktuelle Datenschutzrecht nicht mehr den Anforderungen und Entwicklungen des Internet gerecht wird.“ Wer da aktiv werden muss, weiß er auch: Gefragt sei der Gesetzgeber, nicht die Vollzugsbehörde.
Die Unternehmer werden deutlich: „Wir fordern das ULD auf, vom Erlass von Bußgeldern gegen schleswig-holsteinische Unternehmen Abstand zu nehmen.“ Und sie sind bereit, zu handeln: „Wir scheuen auch nicht die gerichtliche Auseinandersetzung, die wir stellvertretend für unsere Unternehmen führen würden, um Rechtssicherheit zu erlangen“.
Facebook hat sich nach Angaben der IHK Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren gerade auch für Unternehmen zu einem wichtigen Kommunikations- und Vertriebskanal entwickelt. 20 Millionen Deutsche sind bei der Plattform angemeldet. „Das können unsere Unternehmen nicht ignorieren. Das Verbot einer Einbindung dieser Plattform wäre ein massiver Wettbewerbsnachteil.“
Die IHK zu Lübeck, Schwesterkammer in der IHK Schleswig-Holstein, betreibt zwei Facebook-Fanpages: IHK Lübeck und das Angebot IHK-Ausbildungslotsen, eine Plattform für Jugendliche, die sich über Ausbildung informieren wollen. Den „Like it“-Button benutzen die drei Kammern in Schleswig-Holstein aktuell nicht, werden ihn aber zukünftig auf www.ihk-schhleswig-holstein.de einsetzen.
Kritik nicht nur und erst jetzt von der IHK und dem MP, sondern auch von Juristen aus dem gleichen Bundesland:
http://blawg.legalit.de/2011/08/26/warum-der-kreuzzug-des-uld-gegen-die-facebook-user-rechtswidrig-ist/
http://blawg.legalit.de/2011/09/16/vortragsveranstaltung-in-kiel-zu-facebook-fanpage-like-button-naturlich-nicht-abschalten/
Nur, um vielleicht mal ein bißchen argumentative „Waffengleichheit” herzustellen ;-)
Oder zählen in der Diskussion nur die Ansichten von Politikern, Behörden und Verbänden…?
Jan, Du hast Recht. Als ich den Artikel schrieb, schaute ich eingeengt durch die Institutionenbrille. Natürlich ist ein solche Seh- und Zählweise unvollständig. Ich gelobe Besserung.
Swen, das musst Du gar nicht. Mir war nur wichtig, mal darauf hinzuweisen, dass es tatsächlich konkrete rechtliche (und nicht nur politische bzw. emotionale) Argumente gibt, die man hier ins Feld führen kann…
Ich finde das brandgefährlich, was die IHK da betreibt. Zum einen die Argumentation, dass sich Gesetze änder müssen, wenn sie wie jetzt hier geschehen, zur Anwendung kommen. Dann die Aufforderung mit Facebook in Verhandlungen zu treten. Soviel ich weiß hat sich Facebook dem vor der ULD-Aktion total verweigert. Zudem hat der ULD gegen Facebook direkt bisher nichts in der Hand. Ich denke am ehesten trifft die Kritik zu, dass das ULD sich die greift, die sie erwischen kann, um Facebook zu treffen. Da fehlt es aber eher am Datenschutz in den USA oder an internationalen Abkommen, die der Tatsache gerecht werden, dass die NutzerInnen eben weltweit agieren. Dann immer nur den niedrigsten Datenschutzlevel anzulegen halte ich für langfristig keinen gangbaren Weg. Mir fehlen da ehrlich gesagt die tollen Alternativen seitens der ULD-Kritiker, die ja zum Großteil vorher auch zu Facebook geschwiegen und es einfach genutzt haben.
Moin Moin…
warum wird normal begabten Menschen nicht das Recht zugestanden, daß zu nutzen, was sie für vertretbar und/oder richtig halten?
Das Schöne am Fernsehen, PC ‚dem „Gefällt mir”-Button usw. ist doch, dass jeder entscheiden kann/soll/muss, wann und ob er es nutzt.
Sind wirklich alle Leute so dumm oder naiv, dass man es ihnen nicht zutraut?
Schade das in Deutschland alles geregelt werden soll, dass auch nur den Anschein einer freien Entscheidung aufkommen lässt.
Gruß
Das Problem aus datenschutzrechtlicher Sicht ist, dass ich den „Gefällt mir”-Button schon „nutze”, wenn ich lediglich eine Website aufrufe, von der ich vor dem Aufruf noch gar nicht wissen kann, dass sie diesen Button enthält. Daten von mir werden an Facebook allein bei der Anzeige des Buttons übermittelt, ohne dass ich ihn anklicken muss.
Ob meine Daten an Facebook übermittelt werden, hat dabei also wenig bis gar nichts mit meiner potentiellen Dummheit oder Naivität zu tun…
Hallo,
ja…gut…und?
Wo liegt das Problem?
Jeder Netznutzer weiss doch, dass er Spuren im Netz hinterlässt.
Wer absolute Sicherheit will, sollte, wenn überhaupt, nie seine Daten irgendwo hinterlassen und nur in Internetcafe´s surfen…
alles andere ist Illusion…
Aber danke für die Info…
Ach ja, eines finde ich schon etwas bedenklich…unabhängig von der Datenschutz-Relevanz…es gibt keinen „Gefällt mir NICHT”-Button..
es lebe die schöne heile Internetwelt ;o)
Gruß
Das Datenschutzrecht greift gegenüber einer (hierfür) verantwortlichen Stelle bei der Übermittlung personenbezogener Daten. Kein einziges dieser Tatbestandsmerkmale ist im Fall des Like-Buttons in der Person des Verwenders erfüllt!
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