Facebook: IHK Schleswig-Holstein beugt sich nicht dem Druck der Datenschützer

Von | 28. September 2011

Die Industrie- und Handelskammern in Schleswig-Holstein suchen den Konflikt mit dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) in Sachen Facebook. Sie for­dern den ULD auf, kei­ne Bußgelder gegen schles­wig-hol­stei­ni­sche Unternehmen zu erlas­sen. Ansonsten scheue man, um Rechtssicherheit zu erlan­gen, die gericht­li­che Auseinandersetzung nicht. 

Facebook aller Orten: Auf der 56. Konferenz städ­ti­scher Pressesprecher des Deutschen Städtetages in Dessau wird über die Frage dis­ku­tiert, wie ein rechts­si­che­rer Umgang mit Facebook aus­se­hen kann. Die 82. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder tagt vom 27. bis zum 29. Oktober in München, Facebook wird ein Thema sein. Am Donnerstag, tref­fen sich, eben­falls in München, die Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder, Facebook soll Thema sein, Beschlüsse wer­den nicht erwar­tet. Die us-ame­ri­ka­ni­sche Firma kann sich über öffent­li­che Aufmerksamkeit also nicht bekla­gen. Zumal sie nicht durch die Bank nega­tiv ist.

Der schles­wig-hol­stei­ni­sche Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert war auf­grund eige­ner Analysen zu der Auffassung gelangt, dass Daten von Besuchern der Fan-Seiten bei Facebook eben­so wie von Besuchern ande­rer Webseiten, die den soge­nann­ten Like-Button benut­zen, ohne die aus­drück­li­che Zustimmung der Besucher an Facebook wei­ter­ge­ge­ben wür­den — das ver­sto­ße gegen deut­sches Recht. Analysen ande­rer schei­nen das zu bestä­ti­gen. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) hat­te Institutionen und Unternehmen in Schleswig-Holstein ein Ultimatum gesetzt: Bis Ende September soll­te Facebook-Angebote wie Fan-Pages und Like-Button abge­schal­tet wer­den. Sonst droh­ten Bußgelder in Höhe bis zu 50.000 Euro. Die Datenschützer erhiel­ten dafür Zustimmung. Aber auch Kritik.

Ihnen wird ent­ge­gen­ge­hal­ten, dass es sich bei die­sen Analyse-Techniken um hin­läng­lich bekann­te Methoden han­de­le, die nicht nur Facebook benut­ze und im WWW ver­brei­tet sei­en. Sie dien­ten auch dem Schutz der Besucher zum Beispiel vor Phishing (Siehe den Kommentar des Facebook-Mitarbeiters Gregg Stefancik). Zudem reagie­re Facebook auf Kritik.

Auf einer ganz ande­ren Ebene sind die Kritikpunkte zu sehen, die zum Beispiel den schles­wig-hol­stei­ni­schen Ministerpräsident Peter-Harry Carstensen umtrei­ben. Ist die Taktik des ULD, man­gels recht­li­cher Möglichkeiten nicht Facebook direkt anzu­ge­hen, son­dern die Betreiber von Webseiten oder Administratoren von Fan-Seiten mit Bußgeldern zu dro­hen, ver­nünf­tig und rich­tig? Oder müs­se nicht eher der Dialog gesucht wer­den.  

Entsprechend steigt die Unsicherheit der Facebook-Benutzer gera­de in Schleswig-Holstein: Was macht man am 1. Oktober, wenn man eine Fan-Seite admi­nis­triert. Wie geht man mit dem Like-Button auf der eige­nen Webseite um?  

Zumal der ULD anschei­nend nicht gewillt ist, sich zu bewe­gen. Dem WDR gegen­über sag­te Thilo Weichert heu­te, dass er, wie ange­kün­digt, am Freitag sei­ne Stellung zu Facebook ver­öf­fent­li­chen wer­de. Der Tenor scheint klar. Er ist nicht beein­druckt von Facebooks Argumenten: „Insgesamt haben die Argumente von Facebook kei­ne Relevanz für unse­re grund­sätz­li­che recht­li­che Bewertung: Die Verwendung von Gefällt-mir-Button und das Betreiben von Fanpages ist unzu­läs­sig.“ 

Auch an dem Zeitplan will er anschei­nend nicht rüt­teln, wird im Ton aber mode­ra­ter. In dem glei­chen Interview sag­te er: „Wir wer­den ab Mitte Oktober Anhörungsverfahren durch­füh­ren und Sanktionen ein­lei­ten: Wir wer­den dafür öffent­li­che und pri­va­te Stellen anspre­chen, die Staatskanzlei oder Kommunen und Landkreise, eben­so wie Medienanbieter und in grö­ße­rem Interesse ste­hen­de Unternehmen und Website-Betreiber, aber kei­ne Jugendorganisationen oder Privatpersonen.“ 

Ebensowenig, wie sich der Kieler Datenschützer von Facebook beein­dru­cken las­sen will, las­sen sich Schleswig-Holsteins Unternehmer vom ULD beein­dru­cken. Sie stemm­ten sich heu­te auf einer Pressekonferenz in Lübeck gegen das Facebook-Ultimatum. Marcus Schween, Federführer Recht der IHK Schleswig-Holstein: „Die IHK Schleswig-Holstein wird auch in Zukunft die Facebook-Plattform sowie ande­re Social-Media-Netzwerke zur Kommunikation mit Ihren Mitgliedern nut­zen“

So ein­deu­tig, wie der Landesdatenschützer die Rechtslage beschrei­be, sei sie näm­lich kei­nes­falls. „Fraglich ist, ob Webseitenbetreiber über­haupt mit­tels Bußgeld bestraft wer­den kön­nen“. Auch Schween zwei­felt am rich­ti­gen Adressaten: „Wenn über­haupt müss­te sich die Aktion der Datenschützer gegen Facebook selbst rich­ten.“ Auch an der Taktik haben die schles­wig-hol­stei­ni­schen Unternehmer Zweifel. Sie wol­len einen ande­ren Weg: „Wie im Fall Google-Analytics durch den Hamburger Datenschutzbeauftragten soll­te die Lösung in Verhandlung zwi­schen dem ULD und Facebook gesucht wer­den.“

Wie die Landesregierung hält Schween es für „völ­lig unan­ge­mes­sen“, dass der Konflikt (allein) auf den Schultern der schles­wig-hol­stei­ni­schen Unternehmen aus­ge­tra­gen wer­de. „Die Drohung des ULD hat erheb­li­che Verunsicherung bei den Unternehmen im Land aus­ge­löst, nicht Unsicherheit, son­dern Rechtssicherheit ist aber das, was die Wirtschaft im Land benö­tigt.“

Auch wenn er die recht­li­che Einschätzung des Kieler Datenschützers nicht teilt, zeigt die Initiative, „dass das aktu­el­le Datenschutzrecht nicht mehr den Anforderungen und Entwicklungen des Internet gerecht wird.“ Wer da aktiv wer­den muss, weiß er auch: Gefragt sei der Gesetzgeber, nicht die Vollzugsbehörde. 

Die Unternehmer wer­den deut­lich: „Wir for­dern das ULD auf, vom Erlass von Bußgeldern gegen schles­wig-hol­stei­ni­sche Unternehmen Abstand zu neh­men.“ Und sie sind bereit, zu han­deln: „Wir scheu­en auch nicht die gericht­li­che Auseinandersetzung, die wir stell­ver­tre­tend für unse­re Unternehmen füh­ren wür­den, um Rechtssicherheit zu erlan­gen“. 

Facebook hat sich nach Angaben der IHK Schleswig-Holstein in den ver­gan­ge­nen Jahren gera­de auch für Unternehmen zu einem wich­ti­gen Kommunikations- und Vertriebskanal ent­wi­ckelt. 20 Millionen Deutsche sind bei der Plattform ange­mel­det. „Das kön­nen unse­re Unternehmen nicht igno­rie­ren. Das Verbot einer Einbindung die­ser Plattform wäre ein mas­si­ver Wettbewerbsnachteil.“  

Die IHK zu Lübeck, Schwesterkammer in der IHK Schleswig-Holstein, betreibt zwei Facebook-Fanpages: IHK Lübeck und das Angebot IHK-Ausbildungslotsen, eine Plattform für Jugendliche, die sich über Ausbildung infor­mie­ren wol­len. Den „Like it“-Button benut­zen die drei Kammern in Schleswig-Holstein aktu­ell nicht, wer­den ihn aber zukünf­tig auf www.ihk-schhleswig-holstein.de ein­set­zen.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

9 Gedanken zu “Facebook: IHK Schleswig-Holstein beugt sich nicht dem Druck der Datenschützer”:

  1. Jan Strunk

    Kritik nicht nur und erst jetzt von der IHK und dem MP, son­dern auch von Juristen aus dem glei­chen Bundesland:

    http://blawg.legalit.de/2011/08/26/warum-der-kreuzzug-des-uld-gegen-die-facebook-user-rechtswidrig-ist/

    http://blawg.legalit.de/2011/09/16/vortragsveranstaltung-in-kiel-zu-facebook-fanpage-like-button-naturlich-nicht-abschalten/

    Nur, um viel­leicht mal ein biß­chen argu­men­ta­ti­ve „Waffengleichheit” her­zu­stel­len ;-)

    Oder zäh­len in der Diskussion nur die Ansichten von Politikern, Behörden und Verbänden…?

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    1. Swen Wacker

      Jan, Du hast Recht. Als ich den Artikel schrieb, schau­te ich ein­ge­engt durch die Institutionenbrille. Natürlich ist ein sol­che Seh- und Zählweise unvoll­stän­dig. Ich gelo­be Besserung.

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      1. Jan Strunk

        Swen, das musst Du gar nicht. Mir war nur wich­tig, mal dar­auf hin­zu­wei­sen, dass es tat­säch­lich kon­kre­te recht­li­che (und nicht nur poli­ti­sche bzw. emo­tio­na­le) Argumente gibt, die man hier ins Feld füh­ren kann…

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  2. Thilo P

    Ich fin­de das brand­ge­fähr­lich, was die IHK da betreibt. Zum einen die Argumentation, dass sich Gesetze änder müs­sen, wenn sie wie jetzt hier gesche­hen, zur Anwendung kom­men. Dann die Aufforderung mit Facebook in Verhandlungen zu tre­ten. Soviel ich weiß hat sich Facebook dem vor der ULD-Aktion total ver­wei­gert. Zudem hat der ULD gegen Facebook direkt bis­her nichts in der Hand. Ich den­ke am ehes­ten trifft die Kritik zu, dass das ULD sich die greift, die sie erwi­schen kann, um Facebook zu tref­fen. Da fehlt es aber eher am Datenschutz in den USA oder an inter­na­tio­na­len Abkommen, die der Tatsache gerecht wer­den, dass die NutzerInnen eben welt­weit agie­ren. Dann immer nur den nied­rigs­ten Datenschutzlevel anzu­le­gen hal­te ich für lang­fris­tig kei­nen gang­ba­ren Weg. Mir feh­len da ehr­lich gesagt die tol­len Alternativen sei­tens der ULD-Kritiker, die ja zum Großteil vor­her auch zu Facebook geschwie­gen und es ein­fach genutzt haben.

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  3. Anonymous

    Moin Moin…

    war­um wird nor­mal begab­ten Menschen nicht das Recht zuge­stan­den, daß zu nut­zen, was sie für ver­tret­bar und/​oder rich­tig hal­ten?
    Das Schöne am Fernsehen, PC ‚dem „Gefällt mir”-Button usw.  ist doch, dass jeder ent­schei­den kann/​soll/​muss, wann und ob er es nutzt.
    Sind wirk­lich alle Leute so dumm oder naiv, dass man es ihnen nicht zutraut?

    Schade das in Deutschland alles gere­gelt wer­den soll, dass auch nur den Anschein einer frei­en Entscheidung auf­kom­men lässt.

    Gruß 

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    1. Oliver Fink

      Das Problem aus daten­schutz­recht­li­cher Sicht ist, dass ich den „Gefällt mir”-Button schon „nut­ze”, wenn ich ledig­lich eine Website auf­ru­fe, von der ich vor dem Aufruf noch gar nicht wis­sen kann, dass sie die­sen Button ent­hält. Daten von mir wer­den an Facebook allein bei der Anzeige des Buttons über­mit­telt, ohne dass ich ihn ankli­cken muss.

      Ob mei­ne Daten an Facebook über­mit­telt wer­den, hat dabei also wenig bis gar nichts mit mei­ner poten­ti­el­len Dummheit oder Naivität zu tun…

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      1. Anonymous

        Hallo,
        ja…gut…und?

        Wo liegt das Problem?

        Jeder Netznutzer weiss doch, dass er Spuren im Netz hin­ter­lässt.

        Wer abso­lu­te Sicherheit will, soll­te, wenn über­haupt, nie sei­ne Daten irgend­wo hin­ter­las­sen und nur in Internetcafe´s sur­fen…
        alles ande­re ist Illusion…

        Aber dan­ke für die Info…

        Ach ja, eines fin­de ich schon etwas bedenklich…unabhängig von der Datenschutz-Relevanz…es gibt kei­nen „Gefällt mir NICHT”-Button..
        es lebe die schö­ne hei­le Internetwelt ;o)

        Gruß

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      2. Jan Strunk

        Das Datenschutzrecht greift gegen­über einer (hier­für) ver­ant­wort­li­chen Stelle bei der Übermittlung per­so­nen­be­zo­ge­ner Daten. Kein ein­zi­ges die­ser Tatbestandsmerkmale ist im Fall des Like-Buttons in der Person des Verwenders erfüllt!

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