DEBATTE - Last Exit Irland?

Von | 10. Oktober 2011

Der Konflikt zwi­schen dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) und Facebook um den „Gefällt-Mir-Button“ und Fanseiten hat zu kon­tro­ver­sen Diskussionen bei Parteien, Institutionen, Verbänden und Experten, aber auch auf Seiten der Besucher/-innen und Nutzer-/in­nen von Facebook geführt. 

Das Landesblog will nicht nur berich­ten, son­dern auch Platz für Debatten sein. Ich habe des­halb alle Parteien sowie eini­ge Verbände aus Schleswig-Holstein gebe­ten, uns ihre Sicht der Dinge zum Themenkomplex Facebook/​Datenschutz im Landesblog dar­zu­stel­len. Hier der Beitrag der SPD Schleswig-Holstein.

Weitere Artikel in der Debatte um Facebook fin­den sie hier

Amin Hamadmad ist Pressesprecher des SPD Landesverbandes. Er twit­tert unter SPD_​Amin. Steffen Voß ist Social-Media-Referent der SPD Schleswig-Holstein, er bloggt auch ab und an im Landesblog, vor­nehm­lich aber hier.

Facebook ist ein Phänomen, das die Gesellschaft auf vie­le ver­schie­de­ne Weise her­aus­for­dert. Dabei ist das gar nicht nur das übli­che „alte Offline-Welt vs. Online”, son­dern Facebook stellt auch vie­les auf den Kopf, was wir über das Internet geglaubt oder gehofft haben – zum Beispiel die star­ke Zentralisierung und Festlegung auf nur einen Anbieter. „Too big to fail“ – der­zeit ist face­book nicht weg­zu­den­ken, ernst­zu­neh­men­de Konkurrenz noch nicht sicht­bar. Mit der dar­aus resul­tie­ren­den Macht für Einzelne müs­sen wir ler­nen umzu­ge­hen – auch und vor allem die­je­ni­gen, die Hoffnungen auf mehr Transparenz und gesell­schaft­li­che Teilhabe über das Internet hegen.

Facebook ist in der aktu­el­len Diskussion um den Datenschutz nur ein Platzhalter für alle mög­li­chen Firmen — von Twitter über Youtube bis hin zu Amazon. Auch dort wer­den flei­ßig Daten gesam­melt und genutzt. Facebook ist ohne Frage das extrems­te Beispiel, an dem man vie­le Fragen durch dekli­nie­ren kann. 

Greifen wir die Frage „Datenschutz — ja oder nein” her­aus: Es geht bei der Diskussion, die die ULD ent­facht, nicht um das, was Menschen bei Facebook ver­öf­fent­li­chen. Das ist kei­ne Frage des Datenschutzes, son­dern der Medienkompetenz. Es geht im Wesentlichen um die Daten, die Facebook unter ande­rem dadurch sam­melt, dass Webseiten-BetreiberInnen in aller Welt Facebooks Widgets ein­bau­en. Wir gehen davon aus, dass die meis­ten Deutschen nicht wol­len, dass Informationen über sie gesam­melt, sor­tiert, gebün­delt und ver­knüpft wer­den. Nicht vom Staat und nicht von Unternehmen. Erst recht nicht in der Weise, wie Facebook dies tut. 

Wir haben Deutsche und Europäische Datenschutzbestimmungen. Gesetze, die den Willen der Bevölkerung über das, was mit ihren Daten gesche­hen darf, zum Ausdruck brin­gen. An die­ses Recht müs­sen sich in Europa und Deutschland agie­ren­den Unternehmen hal­ten. Es gibt auch die zwei­te Seite – die des Partners bzw. der NutzerInnen der vom Unternehmen gestell­ten Infrastruktur. Diese Seite in der Diskussion nun in den Fokus zu stel­len, ist nicht ziel­füh­rend und lenkt vom eigent­li­chen Problem ab: Der Nichtdurchsetzung gel­ten­den Rechts durch staat­li­che Institutionen. 

Ein ers­ter guter Ansatz dies zu ändern ist, natio­nal­staat­li­che Rahmen auf der tech­ni­schen Ebene kla­rer zu fas­sen. Ein gutes Projekt dazu hat der Bundesverband der Verbraucherzentralen ange­scho­ben, das die SPD unter­stützt. Sicherlich nicht der Weisheit letz­ter Schluss, aber ein guter Anfang. 

Der inter­na­tio­na­le Charakter des Internets min­dert die Gestaltungs- und Regulierungsmöglichkeiten des demo­kra­ti­schen Nationalstaates. Ein Grund mehr, sich der inter­na­tio­na­len, bzw. euro­päi­schen Ebene zuzu­wen­den. 

Es gäbe durch­aus Hebel, um Facebook zu zwin­gen, euro­päi­schem Recht zu ent­spre­chen, denn Facebook will in Europa Geld ver­die­nen. Und es will, dass sich deut­sche Geschäftspartner an geschlos­se­ne Verträge hal­ten. Einfluss auf die Vertragsgestaltung zu neh­men, ist also ein Schlüssel zur Lösung. Wenn die Unternehmen in Deutschland ein so gro­ßes Interesse an der wei­te­ren Nutzung von Facebook haben, soll­te man auch nach dem Einsatz ihrer unbe­strit­te­nen Marktmacht zur Beeinflussung der Unternehmensstrategie von Facebook in Sachen Datenschutz fra­gen. Auch und gera­de hier Verbündete zu suchen, wäre eine gute Strategie für die Politik. Unternehmen, die bei Facebook aktiv sind, mit Strafzahlungen zu kon­fron­tie­ren könn­te in die­sem Zusammenhang kon­tra­pro­duk­tiv sein. 

Einen Versuch ist es auf jeden Fall wert, was gera­de unter dem Schlagwort „Europe ver­sus Facebook“ statt­fin­det. Die im ers­ten Moment etwas spon­tan wir­ken­de Aktion eines Studenten aus Österreich hat sich mitt­ler­wei­le zu einem ernst zu neh­men­den Projekt ent­wi­ckelt. Facebook – mit euro­päi­schen Niedrigsteuersatz-Sitz in Irland – dort wegen der Nichteinhaltung der euro­päi­schen Datenschutzrichtlinie anzu­zeigen, um Ermittlungen der iri­schen Behörden in Gang zu set­zen, ist eine bemer­kens­wer­te Aktion. Wie die Aussichten auf Erfolg sind, ist schwer ein­zu­schät­zen. Ihre öffent­li­che Wirkung kann aber mit Sicherheit als effek­ti­ver als die Boykotte von Fanpages ein­zel­ner User gewer­tet wer­den. 

Wünschenswert wäre mehr Interesse des Europäischen Parlaments, der Bundesregierung und auch der Länder und ihren Datenschützern an den Vorgängen in Irland, stel­len sie doch wahr­schein­lich einen der weni­gen effek­ti­ven Hebel zur Verpflichtung eines gro­ßen ame­ri­ka­ni­schen Unternehmens auf die euro­päi­sche Datenschutzrichtlinie dar.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

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