DEBATTE: Die PIRATEN zum Streit ULD vs. facebook

Von | 14. Oktober 2011

Der Konflikt zwi­schen dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) und Facebook um den „Gefällt-Mir-Button“ und Fanseiten hat zu kon­tro­ver­sen Diskussionen bei Parteien, Institutionen, Verbänden und Experten, aber auch auf Seiten der Besucher/-innen und Nutzer-/in­nen von Facebook geführt. 

Das Landesblog will nicht nur berich­ten, son­dern auch Platz für Debatten sein. Ich habe des­halb alle Parteien sowie eini­ge Verbände aus Schleswig-Holstein gebe­ten, uns ihre Sicht der Dinge zum Themenkomplex Facebook/​Datenschutz im Landesblog dar­zu­stel­len.

Hier der Beitrag des PIRATEN Schleswig-Holstein. Der Text ent­stand durch eine gemein­schaft­li­che Arbeit und ist die Essenz der Diskussion der Basis-PIRATEN im Landesverband.

Weitere Artikel in der Debatte um Facebook fin­den Sie hier.

Patrick Ratzmann ist Vorstandsmitglied bei dem PIRATEN in Schleswig-Holstein und Redakteur der Flaschenpost tätig. Unter @likedeel auf Twitter zu fin­den, küm­mert er sich vor allem um die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Landesverband und ist als Mitglied des Kieler PIRATEN-Stammtisches aktiv.

Wir haben uns nach inten­si­ver Diskussion unter zahl­rei­chen Mitgliedern dazu ent­schlos­sen, unse­re Fanpage still­zu­le­gen. Während der Debatte auf einer unse­rer Mailinglisten und im Rahmen öffent­li­cher Themenabende kris­tal­li­sier­te sich her­aus, dass sowohl die recht­li­che als auch die mora­li­sche Betrachtung der Vorgehensweise des ULD für die­se Entscheidung zweit­ran­gig ist. 

Fest steht, dass durch den Besuch einer Fanpage per­so­nen­be­zo­ge­ne Daten des Besuchers an Facebook (USA) über­tra­gen wer­den und dort zu umfang­rei­chen Profilen ver­knüpft wer­den kön­nen. Niemand weiß, was mit die­sen Daten heu­te und in Zukunft geschieht, wer sie wofür ver­wen­den wird. Sicher ist jedoch, dass die Datenschutzgesetze in den USA wesent­lich locke­rer gestrickt sind als die in Deutschland. 

Wie durch einen Österreichischen Studenten belegt [1, 2], sam­melt Facebook alle per­so­nen­be­zo­ge­nen Daten, derer es hab­haft wer­den kann und löscht sie auch dann nicht, wenn ein Benutzer sie aus sei­nem Konto ent­fernt hat. Zudem wer­den die­se Datensätze mit Informationen aus Konten ande­rer Benutzer ergänzt. 

Das Problem der „Datenkrake Facebook“ ist nicht neu. Den meis­ten Nutzern ist ober­fläch­lich bekannt, dass Facebook von ihren Daten lebt. Doch kann davon aus­ge­gan­gen wer­den, dass die unglaub­lich kom­pli­zier­ten AGB in den sel­tens­ten Fällen gele­sen, geschwei­ge denn ver­stan­den wer­den. Der Masse der Benutzer ist schlicht nicht bewusst, wie vie­le Daten sie Facebook tat­säch­lich lie­fern und wel­che Folgen dar­aus ent­ste­hen kön­nen. Sie befin­den sich im fal­schen Glauben, die Kontrolle in ihrer Hand zu haben. 

Die Piratenpartei steht wie kei­ne ande­re Partei für den Datenschutz und eben­so für die inten­si­ve Nutzung und Auslotung der Möglichkeiten des Internets. Wir gera­ten des­halb in einen Gewissenskonflikt. Dessen Kern liegt in der Rolle des Lockmittels, die Betreiber von Fanpages ein­neh­men. Sie sind der Käse in Facebooks Datenfalle. Die Schleswig-Holsteiner PIRATEN wol­len das nicht sein und ver­zich­ten daher auf die Nutzung einer Fanpage, bis sich an die­ser Stelle etwas ändert. Zudem wer­den wir Interessierte auf Info- und Diskussionsabenden über die Thematik auf­klä­ren. 

Facebook wird natür­lich nicht krat­zen, was eine klei­ne Partei in Schleswig-Holstein macht, doch das ist auch nicht unser Ansinnen. Wir haben uns den Datenschutz auf die Fahnen geschrie­ben. Für vie­le unse­rer Mitglieder ist er einer der wich­ti­ge­ren Gründe, sich bei den PIRATEN zu enga­gie­ren. Sie wol­len glaub­wür­dig blei­ben. 

Wir sind inso­fern auf der Seite des ULD, als das wir die nicht beein­fluss­ba­ren Datenübermittlungen an Facebook beim Aufrufen einer Fanpage oder einer Website mit „Gefällt mir“-Button, je nach Nutzertyp (ohne oder mit Facebook-Konto), von bedenk­lich bis nicht trag­bar ein­stu­fen. Zudem sind die Informationen, die Nutzer dar­über erhal­ten, was mit wel­chen ihrer Daten wann pas­siert, unzu­rei­chend. 

Die Vorgehensweise des ULD, öffent­lich­keits­wirk­sam die Nutzer Facebooks als Betreiber ein­zu­stu­fen und mit Bußgelddrohungen anzu­ge­hen, hal­ten wir dage­gen für den fal­schen Weg. Viele der vom ULD als ein­deu­tig dar­ge­stell­ten Punkte sind unter Experten umstrit­ten. Das betrifft zum Beispiel die genaue Klärung, wel­che Daten tat­säch­lich per­so­nen­be­zo­gen sind und das Heranziehen der Nutzer anstel­le des eigent­li­chen Betreibers Facebook. 

Es zeigt sich hier die Hilflosigkeit der loka­len Datenschutzbehörden gegen­über glo­ba­len Unternehmen mit Sitz im Ausland. Es zeigt sich außer­dem, dass die Entwicklung unse­res Datenschutzgesetzes, trotz eini­ger Anpassungen in den letz­ten Jahren, nicht ansatz­wei­se mit den schnel­len Veränderungen des Internets und der damit ver­bun­de­nen gesell­schaft­li­chen Wandlung mit­hal­ten kann. 

Hier besteht drin­gen­der Bedarf, nach­zu­ar­bei­ten, mög­lichst auf euro­päi­scher und glo­ba­ler Ebene. Von allei­ne wer­den Facebook und ver­gleich­ba­re Firmen sich nicht ein­schrän­ken oder anpas­sen, son­dern noch nach­le­gen. Andererseits dür­fen die Datenschutzregelungen nicht durch unrea­lis­ti­sche Anforderungen jeg­li­chen Fortschritt blo­ckie­ren. Feingefühl, Weitblick und Zusammenarbeit sind gefragt. 

Gerade anhand der Social Networks wur­de in den ers­ten Monaten die­ses Jahres klar, wie wich­tig die­se Art der Kommunikation und Verbindung heu­te schon ist. Der Arabische Frühling war kei­ne „Internetrevolution“, hät­te ohne Social Networks wie Facebook und Twitter jedoch nicht statt­ge­fun­den. In Zukunft wird sich noch viel mehr zei­gen, wie wich­tig das Internet für die Erhaltung und Verbesserung der Demokratie ist. Sofern wir es zulas­sen.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

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