DEBATTE: die Position der Linken zum Disput um Facebook

Von | 14. Oktober 2011

Der Konflikt zwi­schen dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) und Facebook um den „Gefällt-Mir-Button“ und Fanseiten hat zu kon­tro­ver­sen Diskussionen bei Parteien, Institutionen, Verbänden und Experten, aber auch auf Seiten der Besucher/-innen und Nutzer-/in­nen von Facebook geführt. 

Das Landesblog will nicht nur berich­ten, son­dern auch Platz für Debatten sein. Ich habe des­halb alle Parteien sowie eini­ge Verbände aus Schleswig-Holstein gebe­ten, uns ihre Sicht der Dinge zum Themenkomplex Facebook/​Datenschutz im Landesblog dar­zu­stel­len. Hier der Beitrag der Schleswig-Holsteinischen Linken.

Weitere Artikel in der Debatte um Facebook fin­den Sie hier.

 

Der Autor Heinz-Werner Jezewski ist medi­en­po­li­ti­scher Sprecher der LINKEN im Kieler Landtag. Er besitzt neben sei­ner Facebook-Profil dort auch eine Fanpage.

Millionen Nutzerinnen, Milliarden wert: Facebook ist ein Gegner, mit dem Datenschützer sich anle­gen soll­ten. Gründe zum sich anle­gen gibt es genug. Es ist unbe­strit­ten, dass Facebook mit den Daten sei­ner Nutzer nicht so umgeht, wie das deut­sche Datenschutzrecht es eigent­lich vor­schreibt.

So what, sagen die einen, das machen doch alle so, die eine Verfolgung in Deutschland mit­tels geschickt aus­ge­wähl­ter Zweigniederlassungen nicht fürch­ten müs­sen.

Kein Problem, sagen die ande­ren, man kann sol­che Firmen auch anders in die Knie zwin­gen. Indem man ihre Geschäftspartnerinnen angeht, die in Deutschland fass­bar sind.

Manchmal wünsch­te auch ich mir dass das so ein­fach wäre. Dass Banken straf­recht­lich ver­folgt wer­den, wenn sie Gewinne aus ille­ga­lem Internet-Glücksspiel auf deut­sche Konten trans­fe­rie­ren. Ein Vorgang, den man auch „Beihilfe zur Geldwäsche“ nen­nen könn­te.

Beim Glücksspiel geht es also nicht, bei Verstößen gegen den Datenschutz wohl, Thilo Weichert sei Dank. Wir wer­den wohl bald den ers­ten Musterprozess vor einem Schleswig-Holsteinischen Gericht erle­ben. ULD ver­sus IHK zu Lübeck, tip­pe ich.

Unbestritten ist sicher­lich, dass Thilo Weichert eine Diskussion ange­sto­ßen und in die Öffentlichkeit gescho­ben hat, die über­fäl­lig ist. Dafür gebührt ihm Anerkennung. Unbestritten ist sicher­lich auch, dass alle Internet-Dienste, die Daten dort­hin trans­fe­rie­ren, wo deut­sches Datenschutzrecht nicht gilt, dies klar und deut­lich vor­her ange­ben müs­sen. So, dass jede es ver­steht, nicht am Ende eines mehr als neun­zig-sei­ti­gen und dann noch mehr­spra­chi­gen Textes über die all­ge­mei­nen Geschäftsbedingungen. 

Wo aber liegt das Problem? Zum ers­ten ist es ein Irrtum, so zu tun, als ob die Frage welt­wei­ter offe­ner Kommunikation mit dem Hinweis auf Privatheit zu beant­wor­ten wäre.

Es geht nicht dar­um, ob wir als Einzelpersonen irgend­wel­che Rechte und Pflichten haben, son­dern viel gene­rel­ler dar­um, wie wir Freiheit im Internet schüt­zen kön­nen.

Damit sind wir bei der Frage nach den Voraussetzungen, die die­se Privatheit ermög­li­chen.

Dass sich Leute in Deutschland beim Bier tref­fen kön­nen und maß­los über die Republik abläs­tern dür­fen, ohne dass dies Folgen hat ist ein Beispiel für das, was ich mei­ne.

Die Voraussetzung die­ser Privatheit ist, dass man nicht Angst davor haben muss, mor­gens um sechs Besuch von Geheimdienstmitarbeitern zu bekom­men. Dass wir frei reden kön­nen hängt nicht so sehr davon ab, ob wir frei reden wol­len, son­dern ob die freie Rede rechts­staat­lich geschützt ist.

Das ist die zen­tra­le Frage: wie kann Freiheit, wie kann freie Kommunikation im Internet ermög­licht wer­den? Am Beispiel Facebook wird ganz deut­lich, dass das Geschäftsmodell die­ser Firma (eben­so wie das Modell ande­rer kom­mer­zi­el­ler sozia­ler Netzwerke) nicht auf die Lösung die­ser Frage abzielt.

Um das beur­tei­len zu kön­nen ist es hilf­reich zu sehen was ist: Millionen Nutzerinnen von Facebook erfreu­en sich an den neu­en Kommunikationsmöglichkeiten. Und bege­ben sich damit in eine asym­me­tri­sche Abhängigkeit.

Facebook kann von einer Sekunde zur ande­ren bestimm­te Dienste, ändern, neu schaf­fen oder ein­stel­len. Einfach so. Ein wich­ti­ges Moment von Freiheit ist aber, davon aus­ge­hen zu kön­nen, dass Kommunikationsmöglichkeiten ver­läss­lich ver­füg­bar sind. In die­sem Sinne macht face­book unfrei.

Ein wei­te­res Moment von Freiheit ist die Integrität unse­rer Äußerungen. Wir müs­sen uns dar­auf ver­las­sen kön­nen, dass das, was uns zuge­schrie­ben wird, auch von uns kommt. Wie sieht es aber aus, mit der Manipulation von Internetdaten? Momentan kann Facebook Daten von Nutzern nach Belieben ver­wen­den und ver­än­dern. Kann Facebook uns auch Daten unter­schie­ben. Oder kann das nur der Staat mit dem Bundestrojaner?

Warum eigent­lich war uns das Postgeheimnis ein­mal so wich­tig? Heute liest Facebook jede Nachricht mit, auch im angeb­lich „pri­va­ten“ Chat. So wird Vertrauen über­stra­pa­ziert. Sollten wir nicht stut­zen, wenn eine Firma gleich­zei­tig kos­ten­lo­se Dienste anbie­tet und Milliarden Euro wert ist. Facebooks Geschäftsmodell ist es, jene Daten, die das Postgeheimnis einst schütz­te, geschickt zu ver­knüp­fen und an Werbetreibende zu ver­kau­fen. Nicht der Verkauf von Adressen bringt ihnen das Geld, son­dern der Verkauf von Interessen.

Damit sind wir bei den Kommunikationsproblemen des 21. Jahrhunderts.

Was geschieht eigent­lich mit all den Informationen, die Facebook über mich hat? Worauf muss ich mich ein­stel­len? Es ist rea­lis­tisch anzu­neh­men, dass Facebook mehr über uns weiß, als wir selbst über uns wis­sen.

Soziale Vernetzungen sind mehr als die Summe der über­schau­ba­ren Kontakte Einzelner. Anhand ver­schie­de­ner „Freundschaften“ und Kommentare („war das nett ges­tern Abend bei Karin“) las­sen sich sogar ver­meint­lich anony­me Profile ganz gezielt rea­len Personen zuord­nen.

Niemand soll­te glau­ben, dass die Möglichkeit Daten mit­ein­an­der zu ver­bin­den und zu kom­bi­nie­ren ohne Einfluss auf die freie Kommunikation blei­ben wird.

Und dar­um geht es: Den Kampf um die Freiheit im Internet zu füh­ren, heißt über den wir­kungs­vol­len Schutz der Freiheit zu strei­ten!

Insofern begrü­ße ich die Entschließung der 82. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 28./29. September 2011 in München, in der es heißt: „Die Konferenz stellt ins­be­son­de­re fest, dass die direk­te Einbindung von Social-Plugins bei­spiels­wei­se von Facebook, Google+, Twitter und ande­ren Plattformbetreibern in die Webseiten deut­scher Anbieter ohne hin­rei­chen­de Information der Internet-Nutzenden und ohne Einräumung eines Wahlrechtes nicht mit deut­schen und euro­päi­schen Datenschutzstandards in Einklang steht.“

Dies zu ändern ist Aufgabe des ULD.

Ich tei­le durch­aus Swen Wackers Meinung, dass sich im Moment im Internet Diskursräume zu öff­nen begin­nen, die selbst des Diskurses und der poli­ti­schen Meinungsbildung – und irgend­wann ein­mal der Beschlussfassung, z.B. eines neu­en Datenschutzrechtes – bedür­fen.

Zusätzlich ergibt sich aku­ter Handlungsbedarf. Es ist an der Zeit, über Formen der Mitbestimmung der Nutzerinnen an der Gestaltung sozia­ler Netzwerke nach­zu­den­ken. Dabei höre ich schon die Einwände, das sei schließ­lich allein Sache der ver­trags­schlie­ßen­den Parteien, ergo Anbieterin und Nutzer. Aber genau dar­um geht es nicht: Es ist kei­ne Frage der Privatheit, son­dern eine Frage der Bedingungen, die Privatheit ermög­li­chen.

So wie es im Verhältnis zwi­schen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin das Betriebsverfassungsgesetz gibt, müss­te es für sozia­le Netzwerke ein Regelwerk geben, dass Rechte und Pflichten bei­der Seiten klar defi­niert.

Ich gehe die Wette ein, hät­te es das 2011 schon gege­ben, der neue Facebook-Chat wäre heu­te – wenn über­haupt – eine optio­na­le Funktion. Und die Datenschutzrichtlinien aller sozia­len Netzwerke wären eher in Übereinstimmung mit deut­schem Recht. So wirkt Beteiligung. Oder bes­ser: So könn­te Beteiligung wir­ken.

Wirksam wür­de eine der­ar­ti­ge Partizipation aller­dings nur, wenn sie welt­weit, min­des­tens aber im Rahmen der euro­päi­schen Staatengemeinschaft ein­ge­führt wür­de.

Sie durch­zu­set­zen ist sicher auch kei­ne Sache von Monaten, eher eine von Jahrzehnten. Aber zwi­schen der „Gewerbeordnung“ der Frankfurter Nationalversammlung und der ver­pflich­ten­den Einführung von Bergarbeiter-Ausschüssen in Bayern lagen auch 52 Jahre. Zur Ehrenrettung der deut­schen Arbeiterinnenbewegung muss aber ange­merkt wer­den: Zu die­ser Zeit gab es noch kein Internet!

Anmerkung: Aus Gründen der Geschlechtergerechtigkeit ver­wen­de ich weib­li­che und männ­li­che Bezeichnungen abwech­selnd, in der Hoffnung, dass die­ses Verfahren die Lesbarkeit zumin­dest nicht ver­schlech­tert.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

2 Gedanken zu “DEBATTE: die Position der Linken zum Disput um Facebook”:

  1. Jens

    Was ich nicht ver­ste­he, ist, und ich grei­fe mal das genann­te Beispiel mit der Stammtischdiskussion auf, dass der Umstand, dass ein der Geheimdienst auf­tau­chen könn­te, als (natur­ge­ge­ben?) akzep­tiert wird?!

    Das ist ver­mut­lich das Dilemma: Wir akzep­tie­ren, dass es grund­sätz­lich eine Kontrolle unse­rer Mitmenschen gibt. Vermutlich weil wir in den damit gekop­pel­ten Sicherheitsgarantien (die man uns zunächst ver­kauft hat) einen Vorteil sehen. Einen Vorteil gegen­über wem? Genau — dem nächs­ten Mitmenschen. Und Mitmensch bin ich ggf. auch.

    Nach die­ser Logik bau­en wir nun ein System in dem es Kontrolleure gibt, die die Kontrolleure kon­trol­lie­ren, die die Kontrolleure kon­trol­lie­ren, die die Kontrolleure etc.

    Ich fin­de das nicht beson­ders schlau und frei macht mich das auch nicht.

    Jens

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  2. Hymeteron

    Ich mache mir auch Sorgen, dass Provider Profile mit­tels deep packa­ge inspec­tion erstel­len. Indem sie ein­fach ALLE unver­schlüs­sel­te Kommunikation eines Nutzers ana­ly­sie­ren. Daher fän­de ich es noch drän­gen­der, das p2p-Verbindungen wie auch Skype auch bei mobi­len Onlineprovidern nicht län­ger ver­bo­ten sein dür­fen!!

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