Extrawurst für Schleswig-Holstein: Facebook prüft Geolokalisierung als Datenschutz-Lösung

Von | 21. Oktober 2011

Der Konflikt zwi­schen dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) und Facebook um den „Gefällt-Mir-Button“ und Fanseiten führt schon seit eini­gen Wochen zu tur­bu­len­ten Diskussionen. Wir berich­te­ten.

Die Standpunkte der Parteien und ver­schie­de­ner Verbände in der Debatte um Facebook fin­den Sie hier.

Mit dem heu­ti­gen Tag wer­tet Schleswig-Holsteins Ober-Datenschützer Thilo Weichert es wohl als sei­nen per­sön­li­chen Erfolg gegen Facebook, dass das ame­ri­ka­ni­sche Social-Network nun prü­fen will, ob es eine Ausnahme für Schleswig-Holstein schaf­fen kann. Der NDR berich­tet über die mög­lich Facebook-Lösung:

Facebook prüft nach Informationen des NDR „Schleswig-Holstein Magazin”, die Übermittlung von Nutzerdaten aus Schleswig-Holstein in die Konzernzentrale in den USA zu stop­pen. Dies ist nach Aussage des Schleswig-Holsteinischen Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert das Ergebnis des heu­ti­gen Treffens (20. Oktober) mit dem Facebook-Europa-Repräsentanten Richard Allan in Kiel. Weichert sag­te dem „Schleswig-Holstein Magazin”, dass Facebook über­le­ge, anhand der IP-Adresse den Standort der Nutzer zu ermit­teln. Daten von Nutzern in Schleswig-Holstein sol­len dann nicht zur wei­te­ren Verarbeitung in die Konzernzentrale in den USA wei­ter­ge­lei­tet wer­den. Diese Ausnahmeregelung für Schleswig-Holstein wäre welt­weit ein­ma­lig.

Anhand einer „Geolocation” von IP-Adressen — jeder im Netz „ein­ge­wähl­te” Computer trägt zum Zeitpunkt der Verbindung eine ein­deu­ti­ge IP — soll also erkannt wer­den, woher der Facebook Nutzer kommt. Künftig sol­len Daten von Nutzern mit Schleswig-Holstein zuge­ord­ne­ten IPs also von der Übertragung in die USA aus­ge­schlos­sen wer­den. Aber kann dies wirk­lich funk­tio­nie­ren?

Wenn man ein wenig nach der geo­gra­phi­schen Zuordnung von IP-Adressen im Netz sucht, fin­det man schnell eini­ge Möglichkeiten, die schein­bar zum Ziel füh­ren. Vereinfacht aus­ge­drückt wer­den die IP-Adressen in Datenbanken eini­ger Anbieter gespei­chert und ihrem regio­na­len Einwahlknoten zuge­ord­net. Webseitenbetreiber kön­nen auf die­sem Wege fest­stel­len, aus wel­chem Land (Region, Stadt) Besucher auf die Seiten gelan­gen. Aber es gibt über­all einen Haken, denn hun­dert­pro­zen­tig zuver­läs­sig funk­tio­niert auch die­se Methode wohl nicht. Weiterhin ist nicht zu ver­ges­sen, dass auch der ein­fa­che Internetnutzer über einen Proxy-Server ins Netz gehen kann — wir erin­nern uns an den Staatstrojaner, denn auch die­ser nutz­te einen Proxy-Server, um sei­ne Herkunft zu kaschie­ren — um so den Plan des Datenschützers Weichert aus­zu­he­beln.

Dennoch wür­de der Einsatz der sei­tens Facebook und Weichert ange­dach­ten Lösung dann welt­weit eine ein­zig­ar­ti­ge Sonderstellung für ein klei­nes, „unbe­deu­ten­des” deut­sches Bundesland im Gefüge eines welt­weit agie­ren­den Medien-Konzerns bedeu­ten. Aber nicht nur dies. Das klei­ne Schleswig-Holstein bekommt hier nicht allein eine Sonderstellung im Social-Media-Netz des ame­ri­ka­ni­schen Anbieters zuge­wie­sen. Nein, der Einsatz die­ser Lösung wür­de sowohl auf Schleswig-Holstein, als auch auf das Deutschland ins­ge­samt ein selt­sam anmu­ten­des Licht wer­fen.

Der Einsatz des Staatstrojaners, die Facebook-Datenschutz-Debatte, die Idee der Stop-Schilder für Kinderpornografie im Internet und Überlegungen zu Netzsperren sind die Beweise dafür, dass deut­sche Institutionen und vor allem deut­sche Politiker immer wie­der mei­nen, dass Internet habe für unser Land anders zu funk­tio­nie­ren, als über­all sonst. Tim Berners-Lee hat­te —  und hat noch heu­te —  etwas ganz ande­res für das WWW im Kopf gehabt, als er es im Jahre 1989 in Genf am CERN erschuf. Doch dies wird wohl für vie­le unse­re Volksvertreter für immer ein Rätsel blei­ben.

Von:

Gebürtiger Nordfriese, Kind der Insel Nordstrand, inzwischen wohnhaft am Osteefjord Schlei, verheiratet und Vater. Er arbeitet als Produktmanger und Projektmanager im Bereich Messaging-Dienste, Mobile Payment, Value Added Services und mobile Internet.

6 Gedanken zu “Extrawurst für Schleswig-Holstein: Facebook prüft Geolokalisierung als Datenschutz-Lösung”:

  1. Oliver Fink

    Tim Berners-Lee hat­te mit Sicherheit auch etwas ganz ande­res im Kopf als die zen­tra­lis­ti­sche Struktur von Facebook, als er die Grundlagen des World Wide Web schuf…

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  2. Thilo P.

    Ich stim­me zu, dass die genann­te Lösung mit Geolokation kei­ne gute Lösung ist und eigent­lich auch Unsinn. Wenn dem so ist, liegt es dar­an, dass in Deutschland und Europa bis­her nur der ULD die Einhaltung von Datenschutzrichtlinien ver­langt hat. Wenn es eine Ausnahme für die gan­ze EU gäbe, dann wäre das auch nicht per­fekt, aber doch auch schon gut. In dem Bericht kamen ja aber auch ande­re Sachen zur Sprache: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/s-h_magazin/media/shmag12201.html

    Entscheidend war ja die Aussage, dass Facebook vie­le der vom ULD gefor­der­ten Sachen euro­pa­weit ein­hal­ten müss­te. Für die Fans von Facebook ändert das ja gar nichts — ent­we­der reagiert Facebook dadurch, dass es die Datenspeicherung ändert — oder es könn­te euro­pa­weit blo­ckiert wer­den. Der ULD wäre damit nicht mehr der Spielverderber (und in Person von Thilo Weichert).

    Frage wäre für mich jetzt: Wenn der Streit dazu führ­te, dass Facebook EU-weit weni­ger spei­chert. Wäre das nicht eine tol­le Sache?

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    1. Mathias Penz Post author

      M.E.sollte Facebook ins­ge­samt weni­ger Daten spei­chern und erhe­ben dür­fen. Vor allem soll­te es die­se Daten nicht in der geplan­ten Form ver­knüp­fen.

      Aber die Mittel, die hier ange­wandt wer­den sol­len sind der Kritikpunkt, weil sie zum einen nicht oder nur mini­mal grei­fen und zum ande­ren am Thema vor­bei­ge­hen. Datenschutz erreicht man nicht mit Ausgrenzung von Nutzern

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