Der Konflikt zwischen dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz (ULD) und Facebook um den „Gefällt-Mir-Button“ und Fanseiten führt schon seit einigen Wochen zu turbulenten Diskussionen. Wir berichteten.
Die Standpunkte der Parteien und verschiedener Verbände in der Debatte um Facebook finden Sie hier.
Mit dem heutigen Tag wertet Schleswig-Holsteins Ober-Datenschützer Thilo Weichert es wohl als seinen persönlichen Erfolg gegen Facebook, dass das amerikanische Social-Network nun prüfen will, ob es eine Ausnahme für Schleswig-Holstein schaffen kann. Der NDR berichtet über die möglich Facebook-Lösung:
Facebook prüft nach Informationen des NDR „Schleswig-Holstein Magazin”, die Übermittlung von Nutzerdaten aus Schleswig-Holstein in die Konzernzentrale in den USA zu stoppen. Dies ist nach Aussage des Schleswig-Holsteinischen Datenschutzbeauftragten Thilo Weichert das Ergebnis des heutigen Treffens (20. Oktober) mit dem Facebook-Europa-Repräsentanten Richard Allan in Kiel. Weichert sagte dem „Schleswig-Holstein Magazin”, dass Facebook überlege, anhand der IP-Adresse den Standort der Nutzer zu ermitteln. Daten von Nutzern in Schleswig-Holstein sollen dann nicht zur weiteren Verarbeitung in die Konzernzentrale in den USA weitergeleitet werden. Diese Ausnahmeregelung für Schleswig-Holstein wäre weltweit einmalig.
Anhand einer „Geolocation” von IP-Adressen — jeder im Netz „eingewählte” Computer trägt zum Zeitpunkt der Verbindung eine eindeutige IP — soll also erkannt werden, woher der Facebook Nutzer kommt. Künftig sollen Daten von Nutzern mit Schleswig-Holstein zugeordneten IPs also von der Übertragung in die USA ausgeschlossen werden. Aber kann dies wirklich funktionieren?
Wenn man ein wenig nach der geographischen Zuordnung von IP-Adressen im Netz sucht, findet man schnell einige Möglichkeiten, die scheinbar zum Ziel führen. Vereinfacht ausgedrückt werden die IP-Adressen in Datenbanken einiger Anbieter gespeichert und ihrem regionalen Einwahlknoten zugeordnet. Webseitenbetreiber können auf diesem Wege feststellen, aus welchem Land (Region, Stadt) Besucher auf die Seiten gelangen. Aber es gibt überall einen Haken, denn hundertprozentig zuverlässig funktioniert auch diese Methode wohl nicht. Weiterhin ist nicht zu vergessen, dass auch der einfache Internetnutzer über einen Proxy-Server ins Netz gehen kann — wir erinnern uns an den Staatstrojaner, denn auch dieser nutzte einen Proxy-Server, um seine Herkunft zu kaschieren — um so den Plan des Datenschützers Weichert auszuhebeln.
Dennoch würde der Einsatz der seitens Facebook und Weichert angedachten Lösung dann weltweit eine einzigartige Sonderstellung für ein kleines, „unbedeutendes” deutsches Bundesland im Gefüge eines weltweit agierenden Medien-Konzerns bedeuten. Aber nicht nur dies. Das kleine Schleswig-Holstein bekommt hier nicht allein eine Sonderstellung im Social-Media-Netz des amerikanischen Anbieters zugewiesen. Nein, der Einsatz dieser Lösung würde sowohl auf Schleswig-Holstein, als auch auf das Deutschland insgesamt ein seltsam anmutendes Licht werfen.
Der Einsatz des Staatstrojaners, die Facebook-Datenschutz-Debatte, die Idee der Stop-Schilder für Kinderpornografie im Internet und Überlegungen zu Netzsperren sind die Beweise dafür, dass deutsche Institutionen und vor allem deutsche Politiker immer wieder meinen, dass Internet habe für unser Land anders zu funktionieren, als überall sonst. Tim Berners-Lee hatte — und hat noch heute — etwas ganz anderes für das WWW im Kopf gehabt, als er es im Jahre 1989 in Genf am CERN erschuf. Doch dies wird wohl für viele unsere Volksvertreter für immer ein Rätsel bleiben.
Tim Berners-Lee hatte mit Sicherheit auch etwas ganz anderes im Kopf als die zentralistische Struktur von Facebook, als er die Grundlagen des World Wide Web schuf…
Sehr sicher sogar. Meines Wissens ein semantisches Web.
Ich stimme zu, dass die genannte Lösung mit Geolokation keine gute Lösung ist und eigentlich auch Unsinn. Wenn dem so ist, liegt es daran, dass in Deutschland und Europa bisher nur der ULD die Einhaltung von Datenschutzrichtlinien verlangt hat. Wenn es eine Ausnahme für die ganze EU gäbe, dann wäre das auch nicht perfekt, aber doch auch schon gut. In dem Bericht kamen ja aber auch andere Sachen zur Sprache: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/s-h_magazin/media/shmag12201.html
Entscheidend war ja die Aussage, dass Facebook viele der vom ULD geforderten Sachen europaweit einhalten müsste. Für die Fans von Facebook ändert das ja gar nichts — entweder reagiert Facebook dadurch, dass es die Datenspeicherung ändert — oder es könnte europaweit blockiert werden. Der ULD wäre damit nicht mehr der Spielverderber (und in Person von Thilo Weichert).
Frage wäre für mich jetzt: Wenn der Streit dazu führte, dass Facebook EU-weit weniger speichert. Wäre das nicht eine tolle Sache?
M.E.sollte Facebook insgesamt weniger Daten speichern und erheben dürfen. Vor allem sollte es diese Daten nicht in der geplanten Form verknüpfen.
Aber die Mittel, die hier angewandt werden sollen sind der Kritikpunkt, weil sie zum einen nicht oder nur minimal greifen und zum anderen am Thema vorbeigehen. Datenschutz erreicht man nicht mit Ausgrenzung von Nutzern
Ein ausgesprochen böser Kommentar von Thomas Knüwer: „Thilo Weichert auf der Suche nach der Optischen Achse”
http://www.indiskretionehrensache.de/2011/10/thilo-weichert-uld/
Sehr schön sind dazu auch die Anmerkungen, die man aus dem Facebook Lager zu lesen bekommt.
http://allfacebook.de/allgemeines/insellosung-schleswig-holstein-missverstaendnis
Offensichtilich hat Herr Weichert mit seinem Team alles ganz anders verstanden…