In der gestrigen (16. November 2011) Landtagssitzung gab es eine aktuelle Stunde zu den Berliner Steuerplänen. Sie hatte eigentlich das Zeug zu einer großen politischen Debatte. Eigentlich.
Die Fraktionen von CDU und FDP sowie die Landesregierung blieben bei ihrer schon letzte Woche verkündeten Linie, über die das Landesblog berichtete. Finanzminister Wiegard, für den bislang die unumstößliche Regel galt, dass Schleswig-Holstein auf keinen Cent an Steuereinnahmen verzichtet werden könne, sieht trotz prognostizierter 50 Millionen Euro jährlicher Mindereinnahmen keinen Grund zur Ablehnung. Und das, obwohl er darauf hinwies, das man „dieses Problem [die Folgen der kalte Progression] nicht isoliert betrachten“ könne. Es gebe nämlich viele Baustellen im Steuerrecht: „Wir brauchen ein schlüssiges Gesamtkonzept für ein einfaches, gerechtes und transparentes Steuerrecht. Das kann man aber nicht in einer Legislaturperiode umsetzen.“
Warum man dann aber einem im Schnellschuss konzeptionslos herausgepickten Baustein im Bundesrat zustimmen soll, erklärt sich dadurch nicht. Zur Erinnerung: Das Bundesverfassungsgericht hat Korrekturen angemahnt, nicht aber Mindereinnahmen des Staates: die 50 Millionen Mindereinnahmen sind also nicht „alternativlos“. Besonders, wenn der Wähler das nicht einmal mehr goutiert: Nach einer heute veröffentlichten Forsa-Umfrage halten selbst rund 60 Prozent der FDP-Sympathisanten Steuersenkungen derzeit für unsinnig. Wie es rhetorisch geschickt man es auch verpacken mag: Wenn man verfassungsrechtliche Vorgaben umsetzt und die Bürger deshalb weniger Steuern zahlen müssen – wie gerecht oder ungerecht das auch immer deren Verteilung sein mag –, dann ist das eine Steuersenkung.
Die Opposition nutzte die Steilvorlage nur bedingt. Der Grüne Spitzenkandidat Robert Habeck benannte zwar den Widerspruch, erging sich aber phasenweise im klein-klein von Zahlen. Mit einer solchen Fülle an Euro-Beträgen je Rede-Minute bringen gemeinhin Finanzminister ganze Landeshaushalte in ersten Lesung ein. Für die SPD zeigte Ralf Stegner zwar auf das zu erwartende Ergebnis „Steuern runter – Schulden rauf“, stellte aber weder die Regierung anhand früherer, gegenteiliger Aussagen noch widerlegte er das längst von niemanden mehr ernsthaft geglaubte Argumentationsmuster „Steuern senken – Wachstum rauf – Staatseinnahmen rauf“, dem er lediglich eine nur „auf den ersten Blick bestechende Logik“ attestierte.
So vergeht Sitzungstag für Sitzungstag – und es steigt die Freude auf einen neu gewählten Landtag, der mit begeisternder Debatte wieder Lust auf Politik vermittelt.
und vielleicht bekommen wir wieder CDU-Fraktionsvorsitzende, die sich trauen, Zwischenfragen zuzulassen. Ich wollte ihn nämlich einfach fragen, ob er mir ein Industrieland nennen kann, dass sich durch Steuersenkung n a c h h a l t ig entschuldet hat…Vielleicht hätte es darauf ja eine gute Antwort gegeben, die ich bloß nicht kenne…