Steuerreform: Absurdistan liegt nicht an der Kieler Förde

Von | 23. November 2011

Die Vorhaben, die die Landesregierung bis zum Ende der Legislaturperiode umset­zen will, umfas­sen auch den Zukunftsplan Steuer 2020, der unter ande­rem einen ein­heit­li­chen Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent zum Ziel hat. Im Gegenzug sol­len alle Ermäßigungen gestri­chen wer­den. Denn der ermä­ßig­te Steuersatz „ist kom­pli­ziert und streit­an­fäl­lig“, außer­dem wird die eigent­lich beab­sich­tig­te Lenkungswirkung nicht erreicht.
Selbst vor der Currywurst macht der Finanzminister nicht halt: Wird die Currywurst im Stehen ver­zehrt, wird sie mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belas­tet. Setzt man sich zum Essen auf eine Bank, sind es sie­ben Prozent. „Das ist eine Geschichte aus Absurdistan“, kri­ti­sier­te er im August 2011 — und jeder wird ihm bei­ge­pflich­tet haben: Steuervergünstigungen füh­ren nie(!) zu mehr Gerechtigkeit, son­dern stets zu auf­ge­bläh­ten, inkon­sis­ten­ten und intrans­pa­ren­ten Verfahren. Will der Staats ziel­si­cher sub­ven­tio­nie­ren, dann unter­stützt er direkt. 

Verkehrsminister Jost de Jager sieht das wohl prag­ma­ti­scher. Er mach­te sich ges­tern (22. November), zusam­men mit der rot-grü­nen Landesregierung aus Rheinland-Pfalz, dafür starkdass der auf­grund einer Ausnahmeregelung auf sie­ben Prozent ermä­ßig­te Umsatzsteuersatz für Ausflugsschiffe nicht Ende 2011 son­dern erst Ende 2013 aus­läuft.
Hintergrund: Der Deutsche Reiseverband hat­te Alarm geschla­gen. Er befürch­tet „erheb­li­che Nachteile für die deut­sche Flusskreuzfahrtbranche“. Er argu­men­tiert mit Bestandsschutz, Vertrauen und den Vergleich mit den euro­päi­schen Nachbarn. Nicht nur am Rande inter­es­sant: Für ihn wäre der Wegfall der Ausnahme nicht etwa der Wegfall eines aus­nahms­wei­se und vor­über­ge­hend gewähr­ten Vorteil, einer Subvention also, son­dern eine Steuererhöhung. 

Da könn­ten die Currywurst-im-Stehen-Esser nie mit­hal­ten. Bestandsschutz und Vertrauen, das gin­ge ja noch. Aber der Hinweis auf das euro­päi­sche Umland? Wer kann denn auf­rich­tig behaup­ten, schon mal für eine Currywurst im Stehen in Frankreich 7 Prozent Umsatzsteuer bezahlt zu haben? Wohl kei­ner von uns Currywurst-im-Stehen-Essern.

Natürlich ist das Engagement des Verkehrsministers, im Nebenberuf Spitzenkandidat der CDU, kein Widerspruch zu den Plänen der Landesregierung, die kom­pli­zier­ten und streit­an­fäl­li­gen ermä­ßig­ten Steuersätze, die die ihnen zuge­schrie­be­ne Lenkungswirkung längst nicht mehr errei­chen, abzu­schaf­fen. Denn die Pläne der Landesregierung sei­en schließ­lich nur „im Rahmen eines schlüs­si­gen Gesamtkonzepts zur Umsatzsteuer in Deutschland wün­schens­wert“.

So wächst die Befürchtung, „schlüs­si­ge Gesamtkonzepte“ könn­ten immer nur dann wün­schens­wert sei­en, wenn kei­ne Wettbewerbsnachteile für Anbieter, Preiserhöhungen für Kunden, Verlagerungen von Firmen, Kapitaltransfers ins Ausland oder Arbeitsplatzverluste im Inland zu befürch­ten sind. Also z.B. bei der Currywurst im Stehen.
Wenn der Currywurststand nun aber auf einem Ausflugsdampfer stün­de? …

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

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