Landtag: Tablet-PCs erobern den Norden

Von | 29. November 2011

Abgeordnete im Schweriner Landtag, die Anträge, Kleine Anfragen oder den Pressespiegel des Landtages lesen wol­len, müs­sen dazu zukünf­tig einen Tablet-PC anschal­ten, den ihnen die Landtagsverwaltung zur Verfügung stellt. Ab Dezember wer­den sol­che amt­li­chen „Papiere“ ledig­lich in Ausnahmefällen in gedruck­ter Form zur Verfügung gestellt. Der Landtag Mecklenburg-Vorpommern fol­ge damit nach eige­nen Worten dem Beispiel des Deutschen Bundestages – was ich für ein Gerücht hal­te: Meines Wissens gibt es kei­ne Tablet-PC-Grundausstattung für Bundestagsabgeordnete. Aber egal, der Landtagsverwaltung geht es eh nicht etwa dar­um, „modern“ zu wir­ken oder ande­ren zu fol­gen: Man will Geld und Papier spa­ren. Das Parlament, so hat man peni­bel aus­ge­rech­net, soll dadurch auf bis zu 24,6 Tonnen Papier pro Jahr ver­zich­ten.

Die Landtagsverwaltung hat sich auf eine bestimm­te Marke fest­ge­legt. 81 iPads, Tablet-Computer der Firma Apple, wur­den für die 71 Abgeordneten sowie für zehn Mitarbeiter der Parlamentsverwaltung gekauft. 54.500 Euro hat man in die Computer-Technik inves­tiert. WLAN-Netz im Landtagsgebäude und Zugang der Abgeordneten zum Mobilfunknetz gibt es zukünf­tig auch. Landtagsdirektor Armin Tebben spart trotz­dem: Die Investitionen und die Betriebskosten „wer­den durch die Einsparungen nicht nur kom­plett gedeckt, son­dern erbrin­gen jähr­lich eine Ersparnis von ca. 137.000,- Euro“.

Die lüf­t­er­lo­sen und damit geräusch­lo­sen Lesegeräte sind in einer drei­mo­na­ti­ge Testphase von den Mitgliedern des Ältestenrates getes­tet wor­den. Die an die Abgeordneten aus­ge­ge­be­nen Tablet-Computer blei­ben im Eigentum des Landtages.

Auch in Schleswig-Holstein ist man auf die­sem Weg. Details sind noch offen. Aber auch ohne sich akri­bisch auf die Druckkosten gestürzt zu haben, ist das Ziel schon klar. Landtagspräsident Torsten Geerdts sag­te dem Landesblog: „Wir erör­tern die­se Frage der­zeit in einer Arbeitsgruppe bestehend aus Abgeordneten aller Fraktionen. Ziel ist es, in Absprache mit dem Ältestenrat, so genann­te Tablet Computer für die nächs­te Wahlperiode ein­zu­füh­ren”

Also, lie­be Bewerberinnen und Bewerber um Landtagssitze: Übt schon mal neue Kulturtechniken.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

10 Gedanken zu “Landtag: Tablet-PCs erobern den Norden”:

  1. Ruediger KohlsRuediger Kohls

    „… blei­ben im Eigentum des Landtages” — Und wer­den dann in der über­nächs­ten Legislaturperiode wei­ter­ver­erbt? Darf dann dar­über auch pri­vat get­wit­tert wer­den, oder nur „dienst­lich”? Zerstört sich so ein Ding selbst, wenn es denn abhan­den kommt? Wird es dafür Ablagetische auf den Landtags-WCs geben?

    Fragen über Fragen… ;-)

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  2. Mathias

    Nach dem Skandal im Bundestag, wo ein Abgeordneter ein iPad für sei­ne Rede-Unterlagen nutz­te, wur­de doch offi­zi­ell geprüft, ob man die Geräte zulas­sen dür­fe. zudem wur­de über­legt jedem Abgeordneten ein iPad zu geben.Dies ist m.W. auch noch immer in Prüfung. Zugelassen sind sie aber. Merkel gab Kauder kürz­lich eine Legrstunde, wie die Blöd-Zeitung titel­te (Google fand dies zumin­dest bei einer Suche nach Bundestag und iPad)

    Zum Thema Vererbung an den nächs­ten Abgeordneten: So ein Gerät lässt sich ja auf Werkseinstellungen zurück­set­zen. Damit soll­te das Datenschutz-Problem zumin­dest dort gelöst sein.

    Doch inter­es­sant fin­de ich, dass die Abgeordneten auf die­se Weise ja nun auch kom­plett über­wacht wer­den kön­nen. Innenministr Friedrich dürf­te das freu­en, oder?

    Was hat der oder die Abgeordnete gera­de gele­sen? Auf wel­cher Schmuddelseite war der Abgeordnete? Wo ist er gera­de? Welche Mails emp­fängt ein Abgeordneter?

    Ist es nicht schön zu wis­sen, dass die Abgeordneten nun durch ihre eige­nen Überwachungsgesetze glä­sern wer­den? Im Ernst: Ob dar­über nach­ge­dacht wur­de?

    Grüße vom BOFH (Bastard Operator From Hell) — der Admin liest mit und weiß dann auch, ob Abgeordneter X auf dem Klo Sudoku spielt, oder den Kicker liest ;-)

    /​Ironie

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    1. Oliver Fink

      „Was hat der oder die Abgeordnete gera­de gele­sen? Auf wel­cher Schmuddelseite war der Abgeordnete? Wo ist er gera­de? Welche Mails emp­fängt ein Abgeordneter?”

      Das könn­te man auch heu­te bereits wei­test­ge­hend anhand einer Überwachung der PCs im Landtag fest­stel­len. Eine neue Qualität in die­ser Richtung kann ich nicht erken­nen.

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  3. Chräcker Heller

    Bei der dies­be­züg­li­chen Diskussion in Düsseldorf gab es ein Argument gegen die Tablets, das ich auch nicht ganz falsch fand. Ein Parlament lebt ja von der Rede und dem zuhö­ren. Und ich ken­ne das ja schon im pri­va­ten am hei­mi­schen Küchentisch: wenn auch nur einer sein smart­pho­ne unter der Tischkante auf den Knien an hat, braucht man dem nichts, was über die Aufmerksamkeitsspanne von 140 Zeichen geht, mehr erzäh­len.

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    1. Swen Wacker Post author

      Es geht ja nicht allein um die Nutzung des Tablet-PC im Plenarsaal. Da ver­mu­te ich eher, dass unser Landtagspräsident eine eher regi­de Haltung ein­nimmt.

      Ich bin mir nicht sicher, ob ich der Satz „Ein Parlament lebt ja von der Rede und dem zuhö­ren” unter­schrei­ben möch­te. Überspitzt: Die, die im Landtag sit­zen und sich zuhö­ren sol­len, haben 99 Prozent der Argumente des Redner schon in einem Antrag, zwei Auschusssitzungen und drei Podiumsdikussionen gehört, die in vier Presseerklärungen Niederschlag gefun­den haben.
      Ich kann ver­ste­hen, dass es nicht ein­fach ist, da immer kon­zen­triert zuzu­hö­ren. Für mich ist die Beschäftigung mit Smartphones (oder zei­tun­gen) eher ein Symptom als das Problem.

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  4. Kai Dolgner

    1. Ich habe bereits ein Tablet für mei­ne Arbeit, es ist gera­de für Abgeordnete extrem sinn­voll.
    2. Es soll­te aber pri­vat beschafft wer­den, denn die Aufwendungen für Arbeitsmittel (genau­so z.B wie mei­ne sons­ti­gen Mandatsaufwendungen wie Wahlkreisbüro etc) sind Teil der Entschädigung, des­halb sind ja auch unse­re Entschädigungen Einkommen. Nein in SchleswigHolstein gibt es kei­ne steu­er­freie Extraaufwandspauschale mehr.
    3. Deshalb wür­de ein Hinweis an die Finanzämter rei­chen, dass wir das auch ent­spre­chend bei der Steuer anset­zen kön­nen. (von mir aus mit einer Quote, wg. der kaum abstreit­ba­ren auch pri­va­ten Nutzung)
    4. Und völ­lig super wäre eine App, die den Zugang zu den gesuch­ten Dolumenten erleich­tert, die bestehen­den Schnittstellen über mei­ner Browser fin­de ich nach wie vor müh­sam, liegt wohl aber auch an mir

    nur mei­ne zwei Eurocents

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    1. Swen Wacker

      Wieso (nur) zwei Eurocents? Wenn „Betroffene” dazu was sagen, zählt das viel mehr.

      Ich hat­te mich auch spon­tan gefragt, war­um das Equipment beschafft wer­den soll, wo doch die (auch) pri­va­te Benutzung des Tablets ein stän­di­ger Hort des Ärgers wer­den kann. Da wird was „auf Kosten des Bürgers” im Appstore gekauft, her­un­ter­ge­la­den oder beschaut — es wird immer einen oder eine geben, die an irgend­was zu mäkeln hat. Und sei es, dass ein bestimm­tes Gerät gekauft oder nicht gekauft wird. Überlässt man das den MdL und „erzieht” sie zur Nutzung — indem das Ausdrucken oder der „Extra”-Dienst, etwas auf Paier zu erhal­ten, kos­ten­de­ckend in Rechnung gestellt wird — dann soll­te neben dem infor­ma­to­ri­schen Effekt auch der finan­zi­el­le bzw. öko­lo­gi­sche Effekt (der m.E. eher gering ist) zur Geltung kom­men.

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      1. Kai Dolgner

        …und außer­dem wür­de ich nicht jedes Mal einen Bandscheibenvorfall ris­kie­ren, wenn ich mein Postfach lee­re. Ich den­ke da mor­gens immer an den alten Schlager „mein Freund der Baum ist tot”

        Ein „Kulturwechsel” ist aber trotz­dem nicht ganz so leicht, wenn ich mir über­le­ge, wie eini­ge Kollegen immer noch mit dem PC frem­deln.

        Die Kritik an den Tab-Nutzern in der Politik hat auch ein biß­chen etwas „Maschinenstürmerisches”. Auch off­line-Medien lesen wäh­rend der Parlamentssitzung för­dert nicht gera­de die Aufmerksamkeit. Es liegt aber auch ein biß­chen an dem Redner oder der Rednerin und oder am Thema, ob ihm/​ihr zuge­hört wird. Wer stur sei­nen Stiefel durch­zieht, mit star­rem Blick ohne Betonung vom Blatt abliest und nie Zwischenfragen zulässt, darf auch nicht unbe­dingt mit mei­ner vol­len Aufmerksamkeit rech­nen, da bin ich Mensch wie­der jede/​r ande­re. Häufig gucke ich aber gear­de nach, wie vali­de eigent­lich die Behauptung der/​des Redner/​in da vor­ne ist.

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