Die neue Haushaltsabgabe, die die unbeliebte GEZ-Gebühr ablösen soll – und dabei das Kind mit dem Bade ausschüttet – hat uns im Landesblog nicht nur einmal beschäftigt: Insbesondere die datenschutzrechtlichen, aber auch die wirtschaftspolitischen Bedenken sind groß. Nach der Anhörung im Kieler Innen- und Rechtsausschuss kam keine rechte Freude an dem im Jahr 2010 von den Ministerpräsidenten ausgeklüngelten Staatsvertrag auf. Beschlossen wird er wohl dennoch.Zuletzt hat der Hamburger Verfassungsrechtler Ingo von Münch die aus seiner Sicht verfassungswidrige „Zwangsabgabe“ kritisiert. Der ehemalige Kultur- und Wissenschaftssenator der Hansestadt Hamburg rief jüngst im Focus die Landtagsabgeordneten in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen auf, ihre Zustimmung zu verweigern: „Es wäre eine Sternstunde des Parlamentarismus, wenn wenigstens eines unserer Landesparlamente den Mut besäße, dem Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag nicht zuzustimmen und damit dessen Inkrafttreten zu verhindern“. Für ihn ist die neue Abgabe „ein unverständlicher Eingriff in die Freiheitssphäre des Bürgers“. Es müsse möglich bleiben, zwischen alleinigem Radiohören und Radio- und Fernsehgenuss zu unterscheiden. Der Focus zitiert ihn: „Hierin liegt ein verfassungsrechtlich unzulässiger Eingriff in das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit“.
Die Abstimmung über den Staatsvertrag muss noch im Dezember erfolgen, damit er wie geplant 2013 in Kraft treten kann. Morgen (7. Dezember) wird der Innen- und Rechtsausschuss den Vertrag schlussendlich beraten, damit er in der darauf folgenden Woche im Landtagverabschiedet werden kann.
Die SPD hat schon vor einigen Tagen einen „Augen-zu-und-durch“-Antrag vorgelegt, der den Modellwechsel von der gerätebezogenen Rundfunkgebühr zum Haushaltsbeitrag lobt und durch die Verbreiterung der Anzahl der Zahler eine Verringerung des individuellen Beitrages erhofft – was denjenigen, die zukünftig erstmals oder deutlich mehr zahlen müssen, nicht wirklich hilft. Der von der Wirtschaft als zu teuer, ungerechtfertigt und umständlich empfundene Beitragspflicht für Kraftfahrzeuge soll nach Vorstellungen der SPD „langfristig“ entfallen. Die datenschutzrechtliche Kritik an der Sammelwut der GEZ wischt der Antrag beiseite; vielmehr betont er die kurzen Löschfristen als „wichtiges Element eines effektiven Datenschutzes“. Von dem von der Wohnungswirtschaft und Mietervereinigungen abgelehnte § 9 Absatz 1 des Entwurfes, der Vermieter, Grundstückseigentümer und Verwalter quasi zu Hilfsorganen der GEZ machen soll, soll der NDR nach den Vorstellungen der SPD keinen Gebrauch machen (Die Formulierung in der Ziffer 8 des SPD-Antrages ist übrigens m.E. falsch, es geht nicht um eine „Auskunft über die Vermieter“) Die Klammer habe ich gestrichen. Das „über” ist im Sinne von „via” gmeint. Da bin ich nicht drauf gekommen.
FDP und CDU werden sich wohl ebenfalls zu einer Zustimmung durchringen. Besonders die FDP hatte sich deutlich gegen die Datensammelwut positioniert. Es scheint aber, dass sie, wie die SPD, darauf setzen, dem Systemwechsel nun planmäßig anzugehen und die Fehler in einer „Evaluationsverfahren“ auszumerzen. Eher akademisch interessant wird sein, in welchen Punkten sich der FDP/CDU-Antrag von dem SPD-Antrag unterscheiden wird.
Nachtrag: Die FDP will „zähneknirschend“ zustimmen. Ingrid Brand-Hückstädt, medienpolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion und frisch gewählte stellvertretende Vorsitzende der FDP-Kommission für Internet und Medien, zählt fünf kritischen Punkte auf: Verpflichtung von Vermietern und Wohnungsverwaltern zur Datenweitergabe; zeitliche Begrenzung des Ankaufsverbotes von Adressdaten; vorübergehende Vergrößerung der GEZ um 400 Mitarbeiter und den anschließenden Minimalabbau des Personals; finanzielle Belastung von Filialbetrieben; Gebühr für Kraftfahrzeuge.
Die Kritik soll noch in eine Resolution gegossen werden.
Für die Grünen im Kieler Landtag erklärte heute deren medienpolitische Sprecher Thorsten Fürter die Ablehnung der „guten Idee“, die „von den Ministerpräsidenten dermaßen schlecht umgesetzt worden“ sei. Thorsten Fürter bemängelt das „bürokratisches Monstrum sonder Gleichen“ und machte die Kritik an zwei Punkten fest. „Ein wesentlicher Grund für die Reform war die Abschaffung der GEZ-Schnüffelei und eine Verringerung der Kosten. Die freiwerdenden Mittel sollten dem Rundfunk zukommen. Dieses Ziel wird gründlich verfehlt. Die GEZ selbst geht davon aus, dass sie langfristig 80 Prozent des bisherigen Personalbestandes erhält. Kein Wunder, wird sie doch neben der bestehende Meldestruktur quasi zu einer zweiten Meldebehörde, die fast identische Daten erhebt.“
Auch wenn die Diskussion um den 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag endlich dazu führen sollte, dass der Staatsvertrag in seine rausgehandelten Form beschlossen wird, so bleibt – wie so häufig in der letzten Zeit bei Staatsverträgen – ein unbefriedigendes Gefühl zurück. Das Instrument des Staatsvertrages hat grundsätzliche Defizite bei der demokratischen Legitimation in den Parlamenten. Solange sich hier nichts ändert, wird die Unzufriedenheit über und „Ferne“ zu den Verhandlungsergebnissen bleiben. Das kann so nicht bleiben. Auch und besonders wegen der Unverzichtbarkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für unsere Demokratie. Tom Schimmek formulierte das in seiner Rede Wem gehören die Medien so:
„Meiner Ansicht nach ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk eines der schönsten Geschenke, die uns die alliierten Siegermächte, vorneweg die Briten, nach 1945 gemacht haben. Aus der verheerendsten Propagandawaffe der Nazis wurde ein zumindest potentiell demokratisches Medium, das obendrein, zumindest potentiell, im Besitz aller ist.“
Die GEZ verschickt derweil munter Briefe an Bürger, die die derzeitige GEZ-Gebühr im Lastschriftverfahren zahlen.
Da dieses Verfahren in Zukunft durch das europäische SEPA-Lastschriftverfahren (das hoffentlich nebenbei dem Volkssport Lastschriftbetrug den Garaus macht) abgelöst werden soll, sollen ihre Kunden bitte (auch) in das SEPA-Lastschriftmandat einwilligen.
Ich habe gefühlte Zweifel, dass das so einfach gehen wird. Zum einen gibt es die GEZ in ihrer jetzigen Form demnächst nicht mehr. Zum anderen hat die bisherige Haushaltsabgabe einen völlig anderen Charakter als die Gerätegebühr. Ob eine jetzige Mandatsumstellung rechtlich hinreichend sicher möglich ist?
Mir ist das egal. Ich werde der GEZ kein Mandat erteilen, in der ich ihr das Recht einräume, irgendwelche „Zahlungen“ von meinem Konto einzuziehen. Dieser Datenkrake vertraue ich zukünftig keine 2 Nanometer weit.
Zur Abrundung der treffenden Bemerkungen zur Sorglosigkeit im Umgang mit datenschutzrechtlichen Bedenken darf an den Big Brother Award an die GEZ erinnert werden — zumal die Laudatio aus SH stammt:
http://www.bigbrotherawards.de/2003/.life
K.M.
Schön, Dich hier zu lesen :-)
Das Schlimme ist, dass es mit dem neuen Vertrag noch schlimmer werden wird — und dass es nicht sein müsste: Man kann eine Finanzierung des ÖRR hinbekommen, ohne dass man drei Viertel der Republik in eine Datenbank packt.
Seit wann ist der ÖRR unverzichtbar für unsere Demokratie? Was hat eine Zwangsabgabe für eine Berechtigung für diesen Müll, den sich die ÖRR täglich zu verbreiten erlauben? Aus meiner Sicht sind die ÖRR mehr als flüssig, nämlich überflüssig. Der neue Staatsvertrag ist undemokratisch und verfassungswidrig. Wachen Sie auf da im Landtag und stimmen Sie NICHT für den neuen Staatsvertrag !!!
Wann werden die Bürger endlich befragt ob sie diesem Rundfunk Staatsvertrag ?????? (was dies auch immer heist )zustimmen.
Ich bin mit Sicherheit DAGEGEN,dass ich für diesen aufgezwungenen Mist des ÖRR
zur Kasse gebeten werde obwohl ich mir diese Mist nicht anschaue oder anhöre.
Man muss nicht bis nach Italien oder Rußland fahren um sich zu vergegenwärtigen, wie wichtig es ist, einen Teil der Medienlandschaft nicht in privaten Händen zu wissen — sondern in Unabhängigkeit von religiösen, politischen oder kommerziellen Interessen. Dazu muss dieser öffentlich-rechtliche Rundfunk auch finanziell unabhängig sein, darf nicht am Tropf des Staates hängen. Andererseits muss er die Grundversorgung mit Nachrichten gewährleisten, hohen journalistischen Standards genügen und „für alle” etwas bieten. Aus letzterem ergibt sich für mich auch die notwendigkeit, dass nicht nur Arte und Phönix angeboen werden, sondern auch Thomas Gottschalk und König Fußball zum Programmangebot gehören. Er ist für eine Demokratie deshalb in meinen Augen unverzichtbar.
Es hilft auch nicht weiter, das Programm undifferenziert als „Müll” zu bezeichnen. Mir gefällt manchen auch nicht, wenn ich ARD sehe oder NDR I höre (Einschränkung: ich habe keinen Fernseher, schaue TV nur über die Mediathek von ARD, ZDF oder NDR bzw. Für Filme gehe ich ins Kino oder werfe eine DVD in den Rechner.
Ich wüsste nicht, wie anders als durch eine „Abgabe” solche ein Angebot finanziert werden kann — wobei ich persönlich die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Finanzierung aus Steuern für übertrieben halte.
Zustimmen kann ich bei der Frage, dass der Staatsvertrag undemokratisch. Staatsverträge halte ich per se für schwierig, diesen hier zudem für falsch und angreifbar. Ich bin mir sicher, dass der vor Gericht landen wird.
Der Vergleich mit Italien hinkt: Wir sind Deutschland. Abgesehen davon geht es nicht um eine „entweder, oder”, sondern um ein vernünftiges und gerechtes Modell. 8 Milliarden sind einfach zu viel. Auch braucht kein Mensch eine öffentlich-rechtliche Landschaft bestehen aus 23 TV- und 77 Radiosendern inkl. Tausende von Internetauftritten. So eine mediale Übermacht ist genau so gefährlich wie Berlusconi-TV!
Ansonsten empfehle ich meinen Beitrag von 7. Dezember 2011 um 09:22 Uhr
Das ist ganz einfach zu finanziern: 1/3 aus Steuergeldern für Nachrichten etc, 1/3 aus Werbung für Mutantenstadl und Seifenofern, 1/3 aus Dekoder für Spielfilme. Und das aller größte Problem an den ÖRR ist zum Einen der große Wasserkopf und zum Anderen die unnötig vielen Spartenprogramme. Das alles braucht kein Mensch. Kein Wunder also, dass die ÖRR so viel Geld jedes Jahr verbrennen.
Ich stelle mir eine Frage, die sich auch viele in unserer Republik stellen:
Warum leisten wir uns einen ÖRR bestehend aus 23 Fernseh- und 77 Radiosendern mit zusätzlich Hunderten von Internetauftritten?
Der ÖRR wird durch 7,6 Mrd. p. a. aus Gebühren finanziert. Ab 2013 steigen die Einnahmen auf über 8 Mrd. Viel Geld für etwas, dass nicht zu den Grundbedürfnissen der Bevölkerung gehört. Wie erklärt man das? Sicher nicht indem man immer wieder das gleiche wiederholt – der ÖRR wäre unverzichtbar für unsere Demokratie – und dabei versucht, den ÖRR auf die gleiche Höhe wie z. B. soziale Sicherheit, Schutz und Förderung von Familien und Kindern, Bildung, Ausbildung, Gesundheits- und Altersvorsorge zu setzen.
Während für wichtige Staatsaufgaben die finanziellen Mittel fehlen, werden Bevölkerung und Wirtschaft verpflichtet, durch Zwangsbeiträge einen nicht mehr in dieser Form und Größe benötigten ÖRR zu finanziellen. Wie erklärt man das?
Wie lange braucht die Politik, bis sie begreift, dass im 21. Jahrhundert keinen Bedarf mehr an einer Grundversorgung durch den ÖRR besteht? Das sogenannte Niedersachsenurteil, das die Grundversorgung definieren soll, stammt aus 1986 – einer Zeit, als der private Rundfunk gerade das Licht der Welt erblickte und lange bevor das Internet erfunden war. Seitdem ist aber viel passiert und der ÖRR wird heute de Facto – zumindest in der jetzigen Form und Größe – nicht mehr gebraucht.
Gibt es keine kritischen Leute mehr, deren Gehirne nicht durch die Mediendiktatur der ÖRR bereits gewaschen sind? Uns wird immer wieder vor Augen geführt, der ÖRR wäre der Garant unser Demokratie und gleichzeitig erfülle er einen Bildungsauftrag. Das wurde so oft wiederholt, dass viele es kritiklos hinnehmen und sogar glauben. Ist das nicht eine Diktatur? Eine Mediendiktatur? Wird die Demokratie von Thomas Gottschalk, Günther Jauch, Anne Will oder Monika Lierhaus gerettet? Von Lindesnstraße, Marienhof, Tatort, Sturm der Liebe, Brisant, Musikantenstadl, Carmen Nebel usw.? Erfüllt das zumindest den Bildungsauftrag (welchen?)?
Es wäre schön, wenn einige Leute beginnen würden, solche Themen kritisch zu betrachten, anstelle nur nachzulabern, was die Medien ihnen eingetrichtert haben.
Ich sehe in Ihren Ausführen viele Thesen — aber wenig Argumente, warum es keines ÖRR mehr bedürfe. Haben Sie das mal irgendwo ausführlicher dargelegt? Über einen Link auf einen Aufsatz von Ihnen freue ich mich.
Und geht es ein weniger verletzend? Mit Aussagen wie „nachzulabern, was die Medien ihnen eingetrichtert haben” und offensichlich falschen Schlagworten wie Mediendiktatur (in einem dualen System kann es keine Dikatatur des ÖRR geben, das kann man auch prima nachvollziehen, wenn man die vehemente Kritik der Verlage an den Internetauftritten und Apps des ÖRR nachliest) verlassen sie die hier erwünschte sachliche Diskussionsebene und erwecken den Eindruck, dass sie an inhalteorientierten Diskussion nicht interessiert sind.
Es ist ja nicht so, dass sich das BVerfG nicht mit der Rolle eines moderen ÖRR nicht auseinandergesetzt hätte. Schon sehr früh, im 6. Rundfunk-Urteil, hat es sowohl eine Bestandsgarantie als auch eine Entwicklungsverpflichtung für den ÖRR definiert (später kam noch die Finanzierungsgarantie hinzu). Die ist natürlich nicht einfach zu definieren — auch in ihrer Fortentwicklung-, kann aber auch nicht durch einen einfacher Wischer von Tisch gefegt werden. Man kann dagegen sein, dann muss man sich aber auch mit den Argumenten des BVerG auseinandersetzen und sie wiederlegen; solange das nicht gelingt, ist der ÖRR ein gewollter Teil unserer Verfassungswirklichkeit.
Die Rolle der ÖRR im Internet ist auch immer wieder Gegenstand der Weiterentwicklung des Rundfunkstaatsvertrages gewesen. Das Stichwort Depublizierung mag als Hinweis reichen. Auch aktuell sind bei der Frage der Weiterentwicklung der (Höhe der) Gebührenfinanzierung auch solche Fragen Gegenstand der Diskussion.
Natürlich kann man über das Niveau mancher ARD-Shows geteilter Meinung sein. Allerdings sieht unsere Verfassung (genauer: deren im Kern weitgehend unstrittigen Auslegung durch Literatur und Verfassungsgericht)auch „Unterhaltung” als Teil der Grundversorgung.
> Ich sehe in Ihren Ausführen viele Thesen – aber
> wenig Argumente, warum es keines ÖRR mehr
> bedürfe. Haben Sie das mal irgendwo ausführ-
> licher dargelegt? Über einen Link auf einen
> Aufsatz von Ihnen freue ich mich.
Gerade in diesem Bereich ist es schwierig emotionslos zu argumentieren. Nur zu schnell findet eine Polarisierung zwischen den Diskussionspartnern statt, ohne dass dies auch notwendig wäre. Ich beschäftige mich seit einigen Jahren mit diesem Thema und führe einige Plattformen, die sich mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk (des weiteren ÖRR) befassen. Dabei muss ich ständig feststellen, dass bei Diskussionen viele sehr schnell die Mitte verlassen und unverrückbare Positionen einnehmen. Das Thema wird dann quasi zu einem Glaubenskrieg, bei dem es nur Gute und Böse gibt.
Bereits das stellt für mich ein erstes Argument dar: Es muss etwas schief laufen bzw. nicht in Ordnung sein, wenn das Thema die Gesellschaft derart polarisiert. Quantifizieren kann ich das nicht, aufgrund meiner langjährigen Erfahrung bin ich jedoch sicher, dass ein Großteil der Bevölkerung und insbesondere das jüngere Teil den ÖRR ablehnen. Genau könnte man das in Erfahrung bringen, wenn man die Bevölkerung befragen würde. Allerdings verfüge ich nicht über die finanziellen Mittel, um ein Institut mit einer repräsentativen Umfrage zu beauftragen und ich sehe auch seitens der Politik keine Anstrengungen, die Wähler zu diesem Thema zu befragen.
Ein weiteres Argument ist die stattfindende Informationsrevolution. Nie war der Zugang zu Information so leicht und umfassend möglich – wir sind fast immer online und Information erreicht uns aus den unterschiedlichsten Quellen in atemberaubender Geschwindigkeit. Darüber hinaus verfügen wir in Deutschland über eine der besten Druckmedienlandschaften der Welt, ohne dass es dafür öffentlich-rechtlicher Verlage bedurft. Und schließlich gesellt sich der private Rundfunk dazu. Unter diesen Gesichtspunkten sei di Frage erlaubt, warum wir einen so großen ÖRR brauchen? Immerhin besteht dieser aus 23 Fernseh- und 77 Radioprogrammen plus weitaus mehr als tausend Internetauftritte.
Wenn Sie den letzten Absatz aufmerksam gelesen haben, werden Sie gemerkt haben, dass ich den ÖRR nicht generell ablehne, sondern dessen Umfang in Frage stelle. Dieser Umfang will finanziert werden und dafür werden der Wirtschaft 8 Milliarden EUR jährlich durch Zwangsgebühren (ab 2013 Zwangsbeiträgen) entzogen. Wie viel ÖRR brauchen wir wirklich?
> Und geht es ein weniger verletzend?
Sicher. Wenn ich Sie verletzt habe, dann entschuldige ich mich dafür. Etwas gereizt bin ich schon, denn ich habe mich in den letzten Tagen anlässlich der Abstimmung zur Haushaltspauschale im NRW-Landtag mit vielen Leuten über dieses Thema unterhalten. Dabei kommt man sich oft so vor, als würde man als fundamentalistischer Christ das Freitagsgebet in einer Moschee im fernen Arabien mit lautem religiösem Getöse stören.
Weiterhin stehe ich zu meiner Aussage, die öffentlich-rechtlichen Medien hätten eine zu hohe Macht, die sie befähigt, Meinungen zu bilden und sie in eine vorbestimmte Richtung zu lenken. Es ist auch nicht wirklich schwer, Beispiele zu finden, die das belegen. Und bevor Sie glauben, ich würde jetzt Verschwörungstheorien verbreiten wollen, möchte ich gleich klarstellen, dass dies nicht Usus ist, allerdings viele der mir bekannten Beispiele lassen der ÖRR in eigener Sache besser stehen, als in der Realität. Und genau hier beginnt es gefährlich zu werden, wenn Kritik nicht mehr zugelassen wird. Mir wird von den Medien diktiert, was ich zu glauben habe und soll glauben, dass diese gut sind. Und genau dieses Muster findet man in allen Diktaturen.
Auch bedenklich, und das ist ein weiteres Argument, erscheint mir die Verzahnung von Politik und Wirtschaft mit dem ÖRR. Allgemein bekannt sind z. B. die Postenvergabe im ÖRR und der Einfluss der Politik und Wirtschaft auf deren Besetzung. Hierzu gibt es genügend Beispiele – nur zwei Stichworte: Ministerpräsident Beck, Finanzminister Schäuble –. Ab einer bestimmten Größe, die bereits längst überschritten wurde, kann man beim ÖRR nicht mehr von Unabhängigkeit reden. Versuchen Sie einen wirklich kritischen Kommentar in einem der Blogs der ARD zu platzieren – entweder erscheint er nicht oder er wird später entfernt –. So viel zur Mediendiktatur.
> Es ist ja nicht so, dass sich das BVerfG
> nicht mit der Rolle eines moderen ÖRR
> nicht auseinandergesetzt hätte…
Oft wünsche ich mir von der Politik etwas mehr Menschenverstand. Der ÖRR war in seinen Anfängen gut und auch notwendig. Er wurde aber immer größer und umfangreicher, bis er die heutige gewaltige Größe erreichte. Dieser Apparat – mittlerweile ein Staat im Staate – muss mit Unmengen an Geld finanziert werden, Geld welches andernorts einfach fehlt. Und hier sollte der gesunde Menschenverstand ansetzen: Was bietet der ÖRR, dass die finanziellen Mittel rechtfertigt? Ist der ÖRR in seiner jetzigen Form und Größe wirklich unverzichtbar, dass man dafür den wirklich notwendigen Ausbau anderer gesellschaftlichen Bereich wie z. B. soziale Sicherheit, Schutz und Förderung von Familien und Kindern, Bildung, Ausbildung, Gesundheits- und Altersvorsorge usw. in Kauf nimmt? Ich möchte eine plausible Erklärung dafür, aber niemand konnte mir bisher sie liefern.
Ist es keine Alternative, den ÖRR auf Information und Bildung zu reduzieren und die frei werdenden Mittel in die von mir aufgeführten Bereiche zu investieren? Was ist falsch daran, ein Kind in einer würdigen Schule zu fördern, anstelle von Soaps, teuren Sportübertragungen und kostenintensiven Shows zu übertragen?
Keiner konnte mir die richtigen Antworten geben, nur Ausflüchte. Es war immer so, das Bundesverfassungsgericht, der/die Politiker, die Demokratie usw. – aber kein Beleg.
Und Kinder müssen weiterhin in maroden Schulen ohne Heizung und mit kaputten Fenstern lernen, während ihre Familien Monat für Monat bis zum Lebensende 17,98 EUR abdrücken, damit andere ihre Lieblingssendung im ÖRR in der warmen Bude genießen dürfen und Thomas Gottschalk seinen Lebensabend im seinem Schloss genießen kann.
Wenn mir jemand das ehrlich und plausibel beantworten kann, werde ich den ÖRR nicht mehr ablehnen.