Offene Köpfe und offene Herzen für offene Daten

Von | 14. Dezember 2011

Open Data, Open Government, Open Access. Diese Begriffe ste­hen für eine Öffnung des Staates, genau­er: der Verwaltung gegen­über der Bevölkerung, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Mit die­ser Öffnung, Verfügbarkeit oder Zugänglichkeit von Daten, Prozessen oder Wissen sol­len Prozesse, Informationen und Ergebnisse trans­pa­ren­ter wer­den. Dadurch erhofft man sich neue Impulse für eine inten­si­ve­re Bindung zwi­schen Staat und Gesellschaft. Der Staat wen­det sich Bürgern und Unternehmen in Offenheit zu, wirkt dadurch nicht nur inno­va­tiv son­dern stärkt auch die fort­schritt­li­chen Kräfte der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Zugleich legt er öffentlich(er) Rechenschaft ab.

Sieht man sich prak­ti­sche Beispiele an, dann erkennt man schnell, dass es nicht etwa allein dar­um geht, Daten auf einen öffent­li­chen Platz zu kip­pen. Nicht immer ist ihre Verfügbarkeit allein ent­schei­dend. Es kommt auch auf die Art und Weise der Bereitstellung und der Aufarbeitung an.

  • Daten über Parteispenden sind öffent­lich zugäng­lich. Verständlich wer­den sie durch eine anschau­li­che Aufbereitung: Wir erfas­sen nun schnell, wem Daimler spen­det oder vom wem die SPD Spenden erhält.
  • Die sta­tis­ti­schen Daten über die Bevölkerungsentwicklung in Hamburg und Schleswig-Holstein im 2. Vierteljahr 2011 lesen sich gut als Text, zur eige­nen Analyse sind sie erst als maschi­nen­les­ba­re Tabellendaten auch nütz­lich. In Karten oder Diagrammen dar­ge­stell­te sta­tis­ti­sche Daten, die es nur als Bild gibt, haben nur begrenz­ten Nutzen. Karten also sol­che, Geodaten im spe­zi­el­len, kön­nen in offe­nen Formaten nüt­zen.  
  • Nicht unglaub­wür­di­gen Gerüchten zufol­ge gibt es in Schleswig-Holstein mehr Menschen, die ägyp­ti­sche Hieroglyphen lesen kön­nen als sol­che, die kame­ra­le Haushalte ent­zif­fern kön­nen. Die Haushaltspläne des Landes Schleswig-Holstein ste­hen als PDF-Dokument Jahre bereit. Es gibt eine Fülle an erklä­ren­den und ergän­zen­den Dokumenten. Will man aber die Zahlen über die Jahre ver­glei­chen, dann wird man nicht fün­dig. Rohdaten gibt es nicht. Das wäre näm­lich auch nur begrenzt nütz­lich: Wer von sol­chen Haushalten Ahnung hat und sich mal das Projekt offe­ner Haushalt anschaut, der weiß, dass die Visualisierung nur Scheinwissen gebiert. Deckungsvermerke, Übertragbarkeiten, Verpflichtungsermächtigungen, Reste, Verstärkungsmittel – um nur ein paar der Haushaltshieroglyphen auf den Markt zu wer­fen – erfor­dern reich­lich fili­gra­ne, aber im Ergebnis deut­lich spür­ba­re, Nach- und Aufbereitung.

Nicht nur das letz­te Beispiel macht klar: Dafür braucht es neben dem Willen und der Verlässlichkeit der Lieferung auch Konzepte und Manpower auf Anbieterseite. Andererseits schafft man neue Tätigkeitsfelder: Datenjournalisten. 

Für die jet­zi­ge Landesregierung war das kein gro­ßes Thema. Es gab zwar eine E-Government-Strategie nebst Bericht und ein E-Government-Gesetz. Aber die Strategie und der Bericht bestehen aus ver­däch­tig vie­len Buzz-Wörtern. Und das Gesetz (die dazu­ge­hö­ri­gen Verordnungen gibt es mei­nes Wissens noch nicht) fin­det wenig Beachtung. Bezeichnend ist ein Zitat des enga­giert auf­tre­ten­den Abgeordneten Wengler, CDU, aus der ers­ten Lesung: „Ich dan­ke Ihnen, dass Sie mir hier zuge­hört haben bei einem Thema, das sicher­lich nicht sehr vie­le inter­es­siert.“ Das Gesetz initi­iert wenig inno­va­ti­ve Schaffenskraft. Niemand, nicht ein­mal die Landesregierung, käme auf die Idee, Schleswig-Holstein als Musterländle in die­sem Bereich zu bezeich­nen. Das ist ver­wun­der­lich, weil man hät­te glau­ben kön­nen, dass mit dem libe­ra­len Regierungspartner auch eine ver­stärk­te Öffnung des Staates in das Regierungshandeln hät­te ein­zie­hen wol­len. Aber schon in der Koalitionsvereinbarung wur­de der Aspekt auf inter­ne Verwaltungsreform redu­ziert: „Der wei­te­re Abbau und die Reorganisation der Landesverwaltung ist vor allem durch eine Prozessoptimierung und die kon­se­quen­te Einführung der elek­tro­ni­schen Verwaltung (e-government) zu errei­chen“. Und auch die Antwort der Landesregierung auf eine klei­ne Anfrage des Abgeordneten Fürter Landespolitik- trans­pa­rent und online ist eher zurück­hal­tend. 

So ver­wun­dert es nicht, dass Dr. Michael von Abercron (CDU) und Ingrid Brand-Hückstädt (FDP) sich unter der Überschrift „Datenschutz gilt für alle“ ges­tern ver­ga­lop­pier­ten. Torsten Fürther von den Grünen hat­te im Vorfeld der anste­hen­den Verabschiedung des Informationszugangsgesetzes die grü­ne Position wie­der­holt, dass „Dokumente, Analysen, Gutachten und Statistiken von allen staat­li­chen Stellen von vorn­her­ein ins Internet gestellt wer­den sol­len, wenn etwa Datenschutzbedenken nicht ent­ge­gen ste­hen.“ Der Grundsatz, was öffent­lich und was behör­den­in­tern ist, wird umge­dreht.

Für die bei­den ist die­se Forderung „wirk­lich­keits­fremd. Wir ste­hen für die Entbürokratisierung und nicht für einen Datenfriedhof im Internet.” 

Nun hat das nichts mit Entbürokratisierung zu tun. Wenn das so wäre, dann könn­te mit dem Argument auch jeg­li­che Bürgerbeteiligung oder Anhörung von Unternehmen als läs­ti­ge Bürokratisierung abge­tan wer­den. Dann dürf­te man streng genom­men nicht mal ein Informationszugangsgesetz haben. Das macht alles Arbeit.
Und es kommt ja auch nie­mand auf die Idee, nicht abge­druck­te Presseerklärung der Fraktionen als Argumentationsfriedhof zu bezeich­nen.

Großbritannien zeigt uns, wel­che Möglichkeiten es gibt, Daten, die der Staat erschafft, erhebt oder ver­wal­tet, offen zur Verfügung zu stel­len. Offen bedeu­tet: offe­ne, maschi­nen­les­ba­re Formate. Daten meint: voll­stän­dig, zeit­nah, ver­ständ­lich, nicht per­sön­lich, nicht geheim.

Es wäre schön, wenn wir auch in Schleswig-Holstein dazu kämen, über den genau­en Grenzverlauf von z.B. „per­sön­lich“ oder „geheim“ zu dis­ku­tie­ren – anstatt dog­ma­tisch Begräbnisreden zu hal­ten. Es wäre schon, wenn wir mit offe­nen Köpfen und offe­nen Herzen für offe­ne Daten strei­ten wür­den. Nächste Legislaturperiode?

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

Ein Gedanke zu “Offene Köpfe und offene Herzen für offene Daten”:

  1. hans schwab

    >Offene Köpfe und offe­ne Herzen für offe­ne Daten — das wol­len wir natür­lich auch in nie­der­sach­sen. und nicht nur weil wir so neu­gie­rig sind, son­dern, weil wir uns vie­le syn­er­gi­en und eine lie­bens­wer­te­re poli­tik davon ver­spre­chen.

    Reply

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