Open Data, Open Government, Open Access. Diese Begriffe stehen für eine Öffnung des Staates, genauer: der Verwaltung gegenüber der Bevölkerung, der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Mit dieser Öffnung, Verfügbarkeit oder Zugänglichkeit von Daten, Prozessen oder Wissen sollen Prozesse, Informationen und Ergebnisse transparenter werden. Dadurch erhofft man sich neue Impulse für eine intensivere Bindung zwischen Staat und Gesellschaft. Der Staat wendet sich Bürgern und Unternehmen in Offenheit zu, wirkt dadurch nicht nur innovativ sondern stärkt auch die fortschrittlichen Kräfte der Zivilgesellschaft und der Wirtschaft. Zugleich legt er öffentlich(er) Rechenschaft ab.
Sieht man sich praktische Beispiele an, dann erkennt man schnell, dass es nicht etwa allein darum geht, Daten auf einen öffentlichen Platz zu kippen. Nicht immer ist ihre Verfügbarkeit allein entscheidend. Es kommt auch auf die Art und Weise der Bereitstellung und der Aufarbeitung an.
- Daten über Parteispenden sind öffentlich zugänglich. Verständlich werden sie durch eine anschauliche Aufbereitung: Wir erfassen nun schnell, wem Daimler spendet oder vom wem die SPD Spenden erhält.
- Die statistischen Daten über die Bevölkerungsentwicklung in Hamburg und Schleswig-Holstein im 2. Vierteljahr 2011 lesen sich gut als Text, zur eigenen Analyse sind sie erst als maschinenlesbare Tabellendaten auch nützlich. In Karten oder Diagrammen dargestellte statistische Daten, die es nur als Bild gibt, haben nur begrenzten Nutzen. Karten also solche, Geodaten im speziellen, können in offenen Formaten nützen.
- Nicht unglaubwürdigen Gerüchten zufolge gibt es in Schleswig-Holstein mehr Menschen, die ägyptische Hieroglyphen lesen können als solche, die kamerale Haushalte entziffern können. Die Haushaltspläne des Landes Schleswig-Holstein stehen als PDF-Dokument Jahre bereit. Es gibt eine Fülle an erklärenden und ergänzenden Dokumenten. Will man aber die Zahlen über die Jahre vergleichen, dann wird man nicht fündig. Rohdaten gibt es nicht. Das wäre nämlich auch nur begrenzt nützlich: Wer von solchen Haushalten Ahnung hat und sich mal das Projekt offener Haushalt anschaut, der weiß, dass die Visualisierung nur Scheinwissen gebiert. Deckungsvermerke, Übertragbarkeiten, Verpflichtungsermächtigungen, Reste, Verstärkungsmittel – um nur ein paar der Haushaltshieroglyphen auf den Markt zu werfen – erfordern reichlich filigrane, aber im Ergebnis deutlich spürbare, Nach- und Aufbereitung.
Nicht nur das letzte Beispiel macht klar: Dafür braucht es neben dem Willen und der Verlässlichkeit der Lieferung auch Konzepte und Manpower auf Anbieterseite. Andererseits schafft man neue Tätigkeitsfelder: Datenjournalisten.
Für die jetzige Landesregierung war das kein großes Thema. Es gab zwar eine E-Government-Strategie nebst Bericht und ein E-Government-Gesetz. Aber die Strategie und der Bericht bestehen aus verdächtig vielen Buzz-Wörtern. Und das Gesetz (die dazugehörigen Verordnungen gibt es meines Wissens noch nicht) findet wenig Beachtung. Bezeichnend ist ein Zitat des engagiert auftretenden Abgeordneten Wengler, CDU, aus der ersten Lesung: „Ich danke Ihnen, dass Sie mir hier zugehört haben bei einem Thema, das sicherlich nicht sehr viele interessiert.“ Das Gesetz initiiert wenig innovative Schaffenskraft. Niemand, nicht einmal die Landesregierung, käme auf die Idee, Schleswig-Holstein als Musterländle in diesem Bereich zu bezeichnen. Das ist verwunderlich, weil man hätte glauben können, dass mit dem liberalen Regierungspartner auch eine verstärkte Öffnung des Staates in das Regierungshandeln hätte einziehen wollen. Aber schon in der Koalitionsvereinbarung wurde der Aspekt auf interne Verwaltungsreform reduziert: „Der weitere Abbau und die Reorganisation der Landesverwaltung ist vor allem durch eine Prozessoptimierung und die konsequente Einführung der elektronischen Verwaltung (e-government) zu erreichen“. Und auch die Antwort der Landesregierung auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten Fürter Landespolitik- transparent und online ist eher zurückhaltend.
So verwundert es nicht, dass Dr. Michael von Abercron (CDU) und Ingrid Brand-Hückstädt (FDP) sich unter der Überschrift „Datenschutz gilt für alle“ gestern vergaloppierten. Torsten Fürther von den Grünen hatte im Vorfeld der anstehenden Verabschiedung des Informationszugangsgesetzes die grüne Position wiederholt, dass „Dokumente, Analysen, Gutachten und Statistiken von allen staatlichen Stellen von vornherein ins Internet gestellt werden sollen, wenn etwa Datenschutzbedenken nicht entgegen stehen.“ Der Grundsatz, was öffentlich und was behördenintern ist, wird umgedreht.
Für die beiden ist diese Forderung „wirklichkeitsfremd. Wir stehen für die Entbürokratisierung und nicht für einen Datenfriedhof im Internet.”
Nun hat das nichts mit Entbürokratisierung zu tun. Wenn das so wäre, dann könnte mit dem Argument auch jegliche Bürgerbeteiligung oder Anhörung von Unternehmen als lästige Bürokratisierung abgetan werden. Dann dürfte man streng genommen nicht mal ein Informationszugangsgesetz haben. Das macht alles Arbeit.
Und es kommt ja auch niemand auf die Idee, nicht abgedruckte Presseerklärung der Fraktionen als Argumentationsfriedhof zu bezeichnen.
Großbritannien zeigt uns, welche Möglichkeiten es gibt, Daten, die der Staat erschafft, erhebt oder verwaltet, offen zur Verfügung zu stellen. Offen bedeutet: offene, maschinenlesbare Formate. Daten meint: vollständig, zeitnah, verständlich, nicht persönlich, nicht geheim.
Es wäre schön, wenn wir auch in Schleswig-Holstein dazu kämen, über den genauen Grenzverlauf von z.B. „persönlich“ oder „geheim“ zu diskutieren – anstatt dogmatisch Begräbnisreden zu halten. Es wäre schon, wenn wir mit offenen Köpfen und offenen Herzen für offene Daten streiten würden. Nächste Legislaturperiode?
>Offene Köpfe und offene Herzen für offene Daten — das wollen wir natürlich auch in niedersachsen. und nicht nur weil wir so neugierig sind, sondern, weil wir uns viele synergien und eine liebenswertere politik davon versprechen.