Kürzung von Lehrerstellen - eine scheinbar unendliche Geschichte

Von | 26. Januar 2012

„Warum macht er so?”, wür­de der eine oder ande­re Schüler fra­gen, wenn er das Hin und Her um die Lehrerstellenkürzungen ver­fol­gen wür­de, die Bildungsminister Dr. Ekkehard Klug (FDP) in immer kür­ze­ren Abständen aus­löst. Wir berich­te­ten dar­über, dass Herr Dr. Klug auf ein­mal 300 Lehrerstellen weni­ger als geplant kür­zen wol­le. Das war im Dezember 2011. Nun schrei­ben wir Januar 2012 und wer­den von der Mitteilung über­rascht, dass es nun 453 Stellen sein sol­len, die nicht gestri­chen wer­den.

Anke Erdmann, bil­dungs­po­li­ti­sche Sprecherin der Grünen im Kieler Landtag, hat die Entwicklung der klug­schen Entscheidungen kurz in einem Facebookpost zusam­men­ge­fasst:

„Bildungsminister Klug im Dez. 2010 — Streichung von 600 Lehrerstellen: Kein Problem.
Bildungsminister Klug im Okt. 2011 — nie war die Lehrer-Schüler-Relation bes­ser
Bildungsminister Klug im Dez. 2011 — Streichung von 300 Lehrerstellen NICHT zurück­neh­men
Bildungsminister Klug heu­te — wir brau­chen unbe­dingt mehr als 450 Lehrerstellen:
Frage an Euch — was hat den plötz­li­chen Erkenntnisgewinn des Ministers bewirkt? Wer hat eine Antwort?”

Die Tatsache an sich erfreut natür­lich jeden, der sich mit Bildung beschäf­tigt und auch Bernd Schauer von der GEW (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft) kom­men­tiert es posi­tiv mit den fol­gen­den Worten:

„Insofern begrü­ßen wir die spä­te Erkenntnis von Bildungsminister Dr. Klug, wenigs­tens auf die Streichung von 453 Lehrerstellen zu ver­zich­ten. Projekte wie das vom Bildungsminister genann­te „Lesen macht stark“ dür­fen nicht wegen Stellenstreichungen auf der Strecke blei­ben.“

An die­ser Stelle könn­te man ein­ha­ken und erklä­ren, dass das genann­te Projekt „Lesen macht stark” schon längst auf der Strecke geblie­ben ist und mit den dras­tisch gekürz­ten Stundenzuweisungen an den Schulen nicht mehr im Sinne der Erfinder vom IQSH (Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig Holstein) durch­ge­führt wer­den kann.

Doch zurück zur Wankelmütigkeit des Bildungsministers, von der sich selbst der Koalitionspartner erstaunt zeig­te. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Johannes Callsen, wur­de dazu in einer gest­ri­gen Pressemeldung sei­ner Partei fol­gen­der­ma­ßen zitiert:

„Mich haben die Medienberichte sowohl zeit­lich als auch inhalt­lich über­rascht. Das Konzept hat mich ohne wei­te­re Ankündigung um 15:30 Uhr per E-Mail erreicht.“

In Anbetracht der Tatsache, dass hier von einem Finanzvolumen von 23 Millionen Euro die Rede ist, erstaunt es noch mehr, dass sol­che Entscheidungen nicht zuvor intern abge­stimmt wur­den. Und auch in den eige­nen Reihen ist von Überraschung die Rede — der FDP Landesvorsitzende, Dr. Heiner Garg, spricht davon, das Thema nun mit dem Koalitionspartner erör­tern zu wol­len.

Kritische Stimmen ver­mu­ten Wahlkampftaktik hin­ter Klugs Überraschungsmitteilung — was sicher­lich nicht von der Hand zu wei­sen ist, wenn man die schlech­ten Umfrageergebnisse der FDP in der letz­ten Zeit bedenkt. Da ist von „Verbalwohltaten” die Rede, denen „Taten fol­gen müs­sen” und vor allem wird die Frage auf­ge­wor­fen, wie­so die­se Erkenntnis erst jetzt kom­me, nach­dem der Bildungsminister doch immer wie­der erklärt hat­te, dass das Schüler-Lehrer-Verhältnis auf­grund der gebur­ten­be­ding­ten Schülerrückgänge so gut wie noch nie sei und dies die mas­si­ven Kürzungen recht­fer­ti­ge. Hat Herr Dr. Klug mög­li­cher­wei­se jetzt fest­ge­stellt, dass „die Stelleneinsparungen Murks sind”, wie SPD, SSW und Grüne heu­te in einer gemein­sa­men Presseerklärung befan­den, und rudert des­we­gen zurück? Der CDU-Landesvorsitzende Jost de Jager schlägt eine Bestandsaufnahme vor, die viel­leicht erklä­ren könn­te, war­um die Wahrnehmung des Bildungsministeriums so abwei­che von der der Schüler, Lehrer und Eltern in unse­rem Bundesland. Vielleicht hat man sich schlicht­weg ver­rech­net und soll­te in die­sem Zusammenhang das Projekt „Mathe macht stark” emp­feh­len. Fakt ist jedoch, zum viel gewünsch­ten Schulfrieden trägt eine sol­che Bildungspolitik defi­ni­tiv nicht bei.

Von:

Melanie Richter lebt seit mehr als 20 Jahren in Kiel, ist parteilos, seit 2010 Mitglied im Verein für Neue Medien Kiel e.V. und arbeitet in einer Kieler Gemeinschaftsschule.

5 Gedanken zu “Kürzung von Lehrerstellen - eine scheinbar unendliche Geschichte”:

  1. Jens

    Was der Unterschied ist? Ein Sinneswandel??

    Im Mai sind Wahlen. Lehrer sind nicht intel­li­gen­ter als ande­re Wähler, die sind genau­so leicht käuf­lich. Mehr steckt da nicht hin­ter.

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  2. R!

    Daß Schleswig-Holstein wei­te­re Lehrerstellen braucht, ist unstrit­tig. Ich hof­fe, dass dann auch end­lich eine für mich abfällt.

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  3. Timo

    Schöne Zusammenstellung! und dei­ne Hinweise auf die bei­den NZL-Projekte tei­le ich auch: DA soll­ten wir ruhig einen klei­nen Teil der Lehrerstellen-Verfügungsmasse, die da schein­bar hin und her gerech­net wer­den kann, rein­ste­cken.

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  4. A.

    Es ist kaum vor­stell­bar, dass es noch eine/​n Lehrer/​in im Land geben könn­te, der/​die Klug und sei­ne Partei wäh­len wür­de. Aber auch die­se Einsicht kommt Klug sicher­lich erst viel spä­ter als ande­ren.

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  5. M.

    Es ist schlicht unver­ant­wort­lich, auf zukünf­tig nied­ri­ge Zinsen zu spe­ku­lie­ren und für die nächs­ten 50 Jahre 23 Millionen pro Jahr ein­zu­pla­nen. Über die Jahre wer­den die Kosten zudem stark stei­gen: Nicht nur die Inflation, nein auch die alle paar Jahre stei­gen­de Beamtenbesoldung wird ein Übriges tun.

    Was für eine Schande, dass jede öko­no­mi­sche Rationalität für einen 4. Listenplatz und eini­ge tau­send Wählerstimmen auf­ge­ge­ben wird.

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