Ich schlage vor, auch angesichts der Landtagswahlen hier in Schleswig-Holstein, eine weitere ACTA-Demonstration in Kiel thematisch zu regionalisieren; also das, wofür ACTA tatsächlich steht, auf Landesthemen runterzubrechen.
Am vergangenen Wochenende fanden überall in Deutschland Demonstrationen gegen ACTA statt. Auch in Kiel. Bemerkenswertes Detail am Rande: 25.000 Menschen haben sich bislang dieses kleine, eher unspektakuläre Video über die Demo in Kiel angesehen:
Die Demonstrationen waren sowohl medial als auch inhaltlich ein Erfolg. Lasse ich die vielen Berichte, die ich am Wochenende und heute gelesen habe, vor meinen Augen Revue passieren, dann entsteht der Eindruck, dass – wie schon bei der Occupy-Bewegung – besonders junge Menschen Politisierung erfahren haben. Max Windes berühmt gewordener Tweet „Ihr werdet euch noch wünschen wir wären Politikverdrossen“, der den ständigen Vorwurf der „Etablierten“ an die „Nachwachsenden“ persiflierte, ist Programm geworden.
Jens Ferner, Strafrechtler und profunder Kenner des IT-Rechts, hat schon vor zwei Wochen in einem ausführlichen Artikel dargelegt, dass von ACTA kein unmittelbare Gefahr ausgeht, sagt in dem Artikel aber auch:
Es soll aber nicht so getan werden, als würde mit ACTA das Ende der Freiheit zwingend kommen und mit der Verhinderung von ACTA wäre das Internet gerettet. Wer so denkt, hat schon verloren (…) der Grundgedanke von ACTA ist der Grundgedanke des Kampfes gegen das in seiner Kommunikation freie Internet, somit in letzter Konsequenz der gegen die Nutzer. Insoweit kann man ACTA für Europa durchaus als Büchse der Pandora betrachten.
Thomas Stadtler, Anwalt und Bürgerrechtler fragte sich am Wochenende Warum polarisiert ACTA? und schrieb treffend:
Es geht im Kern nicht um ein in der Gesamtbetrachtung zweitrangiges völkerrechtliches Abkommen wie ACTA, sondern um gesellschaftliche Grundsatzfragen. Der Wunsch einer Mehrheit nach Zugang und nach einem möglichst freien Fluss der Information gerät in Konflikt mit den wirtschaftlichen Interessen einer Minderheit, die es bislang geschickt verstanden hat, der Politik einzureden, dass die Verteidigung ihrer Pfründe dem Wohl aller dienen würde.
ACTA ist nur Aufhänger und nicht Mittelpunkt. Es geht um Zugang zu Informationen, um Teilhabe an Entscheidungsprozessen, um eine Neubestimmung von „deins“ „meins“ und „unser“ beim Schutz des neu zu definierenden Begriffs des „geistigen Eigentums“. Es geht dabei natürlich nicht um den Untergang des Abendlandes oder die Enteignung einer besitzenden Klasse. Es geht schlicht darum, dass das jetzige System angesichts der kulturellen Veränderungen, die mit der technischen Erfindung des Internets zwingend einhergehen, nicht mehr funktioniert. Immer öfter schafft das jetzige System es nicht mehr, einen Ausgleich zwischen den momentanen Rechteinhabern bzw. -maklern und dem Gemeinwohl herzustellen. Ein trotziges „das soll aber wieder wie früher sein”, ist offenkundig infantiles Geschwätz.
Das gilt nicht nur für den Bereich der Unterhaltung. Es trifft auch Schule, Wissenschaft, Bildung, Medien. Also Themen, die insbesondere Landespolitiker interessieren. Auch hier hakt es an allen Ecken und Kanten. Einige wenige Beispiele:
- Der merkwürdige und wohl mittlerweile fast schon beerdigte Versuch der Schulbuchverlage, die Kultusbürokratie zu verpflichten, die Server der Schulen in ihrem Auftrag zu durchforsten.
- Daten, aber auch Forschungsergebnisse, die allein durch öffentliche Gelder generiert wurden, sind häufig nicht öffentlich zugänglich – sondern werden an private Verlage abgetreten, deren Druckerzeugnisse der Staat dann für teures Geld wieder aufkauft.
- In dem Commons-Projekt von Flickr sind keine deutschen Forschungseinrichtungen, Museen oder Archive vertreten sind.
- Selbstproduzierte Inhalte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, selbst Nachrichten, stehen den gebührenzahlenden Bürgern nur wenige Tage zur Verfügung, bevor sie in einem aufwändigen Verfahren depubliziert werden müssen.
Nach dem Erfolg der Demonstration am vergangenen Samstag wird darüber nachgedacht, am 25. Februar eine weitere Demonstration zu veranstalten. Bei Facebook, in diesem Etherpad-Dokument oder diesem Wiki kann man sich schlau machen über den Stand der Dinge.
Ich schlage vor, auch angesichts der Landtagswahlen hier in Schleswig-Holstein, eine weitere Demonstration thematisch zu regionalisieren; also das, wofür ACTA steht, auf Landesthemen runterzubrechen. Angesichts des großen Konsens, der in der netzpolitischen Gemeinde bei Fragen wie eGovernment, Open Government, Open Data, Open Access, (Ende der) Depublizierung, medienbruch- und barrierearme Partizipation, Kommunikation und Information herrscht, sollte das auch nicht an parteipolitischem Proporzdenken (Veranstalter der letzten Demonstration waren unter anderen die Grünen und die Piratenpartei) scheitern müssen. Es bietet die Chance, Lust auf Engagement in ein Einklagen von Forderungen fließen zu lassen.
Gut nach vorne auf den Punkt gebracht. Auf der Ebene muss das Ganze gedacht werden.
Bin 25.2. in Nürnberg, lasst uns den Schwung nutzen.