Das, wofür ACTA steht, auf Landespolitik runterbrechen

Von | 14. Februar 2012

Ich schla­ge vor, auch ange­sichts der Landtagswahlen hier in Schleswig-Holstein, eine wei­te­re ACTA-Demonstration in Kiel the­ma­tisch zu regio­na­li­sie­ren; also das, wofür ACTA tat­säch­lich steht, auf Landesthemen run­ter­zu­bre­chen.

Am ver­gan­ge­nen Wochenende fan­den über­all in Deutschland Demonstrationen gegen ACTA statt. Auch in Kiel. Bemerkenswertes Detail am Rande: 25.000 Menschen haben sich bis­lang die­ses klei­ne, eher unspek­ta­ku­lä­re Video über die Demo in Kiel ange­se­hen:

Die Demonstrationen waren sowohl medi­al als auch inhalt­lich ein Erfolg. Lasse ich die vie­len Berichte, die ich am Wochenende und heu­te gele­sen habe, vor mei­nen Augen Revue pas­sie­ren, dann ent­steht der Eindruck, dass – wie schon bei der Occupy-Bewegung – beson­ders jun­ge Menschen Politisierung erfah­ren haben. Max Windes berühmt gewor­de­ner Tweet „Ihr wer­det euch noch wün­schen wir wären Politikverdrossen“, der den stän­di­gen Vorwurf der „Etablierten“ an die „Nachwachsenden“ per­si­flier­te, ist Programm gewor­den.

Jens Ferner, Strafrechtler und pro­fun­der Kenner des IT-Rechts, hat schon vor zwei Wochen in einem aus­führ­li­chen Artikel dar­ge­legt, dass von ACTA kein unmit­tel­ba­re Gefahr aus­geht, sagt in dem Artikel aber auch:

Es soll aber nicht so getan wer­den, als wür­de mit ACTA das Ende der Freiheit zwin­gend kom­men und mit der Verhinderung von ACTA wäre das Internet geret­tet. Wer so denkt, hat schon ver­lo­ren (…) der Grundgedanke von ACTA ist der Grundgedanke des Kampfes gegen das in sei­ner Kommunikation freie Internet, somit in letz­ter Konsequenz der gegen die Nutzer. Insoweit kann man ACTA für Europa durch­aus als Büchse der Pandora betrach­ten.

Thomas Stadtler, Anwalt und Bürgerrechtler frag­te sich am Wochenende Warum pola­ri­siert ACTA? und schrieb tref­fend:

Es geht im Kern nicht um ein in der Gesamtbetrachtung zweit­ran­gi­ges völ­ker­recht­li­ches Abkommen wie ACTA, son­dern um gesell­schaft­li­che Grundsatzfragen. Der Wunsch einer Mehrheit nach Zugang und nach einem mög­lichst frei­en Fluss der Information gerät in Konflikt mit den wirt­schaft­li­chen Interessen einer Minderheit, die es bis­lang geschickt ver­stan­den hat, der Politik ein­zu­re­den, dass die Verteidigung ihrer Pfründe dem Wohl aller die­nen wür­de.

ACTA ist nur Aufhänger und nicht Mittelpunkt. Es geht um Zugang zu Informationen, um Teilhabe an Entscheidungsprozessen, um eine Neubestimmung von „deins“ „meins“ und „unser“ beim Schutz des neu zu defi­nie­ren­den Begriffs des „geis­ti­gen Eigentums“. Es geht dabei natür­lich nicht um den Untergang des Abendlandes oder die Enteignung einer besit­zen­den Klasse. Es geht schlicht dar­um, dass das jet­zi­ge System ange­sichts der kul­tu­rel­len Veränderungen, die mit der tech­ni­schen Erfindung des Internets zwin­gend ein­her­ge­hen, nicht mehr funk­tio­niert. Immer öfter schafft das jet­zi­ge System es nicht mehr, einen Ausgleich zwi­schen den momen­ta­nen Rechteinhabern bzw. -mak­lern und dem Gemeinwohl her­zu­stel­len. Ein trot­zi­ges „das soll aber wie­der wie frü­her sein”, ist offen­kun­dig infan­ti­les Geschwätz.
Das gilt nicht nur für den Bereich der Unterhaltung. Es trifft auch Schule, Wissenschaft, Bildung, Medien. Also Themen, die ins­be­son­de­re Landespolitiker inter­es­sie­ren. Auch hier hakt es an allen Ecken und Kanten. Einige weni­ge Beispiele:

  • Der merk­wür­di­ge und wohl mitt­ler­wei­le fast schon beer­dig­te Versuch der Schulbuchverlage, die Kultusbürokratie zu ver­pflich­ten, die Server der Schulen in ihrem Auftrag zu durch­fors­ten.
  • Daten, aber auch Forschungsergebnisse, die allein durch öffent­li­che Gelder gene­riert wur­den, sind häu­fig nicht öffent­lich zugäng­lich – son­dern wer­den an pri­va­te Verlage abge­tre­ten, deren Druckerzeugnisse der Staat dann für teu­res Geld wie­der auf­kauft.
  • In dem Commons-Projekt von Flickr sind kei­ne deut­schen Forschungseinrichtungen, Museen oder Archive ver­tre­ten sind.
  • Selbstproduzierte Inhalte des öffent­lich-recht­li­chen Rund­funks, selbst Nachrichten, ste­hen den gebüh­ren­zah­len­den Bürgern nur weni­ge Tage zur Verfügung, bevor sie in einem auf­wän­di­gen Verfahren depu­bli­ziert wer­den müs­sen.

Nach dem Erfolg der Demonstration am ver­gan­ge­nen Samstag wird dar­über nach­ge­dacht, am 25. Februar eine wei­te­re Demonstration zu ver­an­stal­ten. Bei Facebook, in die­sem Etherpad-Dokument oder die­sem Wiki kann man sich schlau machen über den Stand der Dinge.

Ich schla­ge vor, auch ange­sichts der Landtagswahlen hier in Schleswig-Holstein, eine wei­te­re Demonstration the­ma­tisch zu regio­na­li­sie­ren; also das, wofür ACTA steht, auf Landesthemen run­ter­zu­bre­chen. Angesichts des gro­ßen Konsens, der in der netz­po­li­ti­schen Gemeinde bei Fragen wie eGovernment, Open Government, Open Data, Open Access, (Ende der) Depublizierung, medi­en­bruch- und bar­rie­re­ar­me Partizipation, Kommunikation und Information herrscht, soll­te das auch nicht an par­tei­po­li­ti­schem Proporzdenken (Veranstalter der letz­ten Demonstration waren unter ande­ren die Grünen und die Piratenpartei) schei­tern müs­sen. Es bie­tet die Chance, Lust auf Engagement in ein Einklagen von Forderungen flie­ßen zu las­sen.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

Ein Gedanke zu “Das, wofür ACTA steht, auf Landespolitik runterbrechen”:

  1. Jens Best

    Gut nach vor­ne auf den Punkt gebracht. Auf der Ebene muss das Ganze gedacht wer­den.
    Bin 25.2. in Nürnberg, lasst uns den Schwung nut­zen.

    Reply

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