Der gestern (14. Februar) vorgelegte Bericht der Enquetekommission “Chancen einer verstärkten norddeutschen Kooperation” ist lang und mühsam – und ergebnislos.
406 Seiten Bericht sind nicht zu wenig Seiten, wenn es gilt, zwei Jahre Arbeit, 21 öffentliche Sitzungen und Anhörungen, 8 Redaktionssitzungen, 132 Kommissionsvorlagen, ungezählte mündliche Beiträge von Expertinnen und Experten und Dutzende von weiteren Quellen wiederzugeben, zusammenzufassen, zu bewerten und Folgerungen und Schlüsse zu ziehen.
Ein schneller Durchblick lässt eine erste Überraschung aufkommen: Für keinen einzigen Bereich gibt es eine gemeinsame Formulierung der Kommission. Stets, selbst in unspektakulären Fragen, gibt jede Fraktion eigene Stellungnahmen ab – CDU und FDP immerhin gemeinsam, wenn auch nicht durchgehend. Das ist ein trauriges Bild und spiegelt nicht das wieder, was ich nach zwei Jahre Arbeit von einer Enquete-Kommission erwarte: Nicht nur unstrittige Faktendarstellung, sondern auch möglichst einvernehmliche Bewertung und möglichst weitgehende gemeinsame Verabredung. So vermint ist das Feld „Chancen einer verstärkten norddeutschen Kooperation“ ja nun auch wieder nicht.
Betrachten wir die Ergebnisse der Arbeit im Einzelnen.
Es gibt ein etwas mehr als zwei Seiten langes gemeinsames Fazit, das jedoch wenig Gemeinsames offenbart. Die Kommission schlägt vor, dass der Landtag den Bericht zur Kenntnis nimmt und ihn „als Grundlage für die weitere Arbeit im Plenum und den Ausschüssen nutzt, um auf diesem Weg zu einer möglichst breit getragenen Kooperationsstrategie zu kommen.“ Was im Umkehrschluss heißt: die Kommission hat es nicht geschafft, eine Kooperationsstrategie zu entwickeln, aber findet nun gleichwohl, dass das Plenum, der Landtag, das können solle. Und dabei soll die Strategie bitte, so endet das gemeinsame Fazit, „lohnende Kooperationsfelder aufzeigen und transparente Zielvorgaben nennen“. Was bitte, wäre wohl das Mindeste, was man von einer Kommission erwarten dürfte? Genau das! Aber auch da dürfen wir Fehlanzeige im Bericht erwarten.
Die Kommission ist, sagt sie, „zu der Auffassung gekommen, dass eine weitergehende Kooperation in Norddeutschland sinnvoll ist und ein Sparpotenzial bergen kann.“ Um dieses Ziel zu erreichen, sei eine „Institutionalisierung, Systematisierung und Konkretisierung der Zusammenarbeit“ erforderlich. Was das heißen kann? Da ist die Bandbreite in der Kommission groß. Sie reicht „von der Einrichtung einer „Parlamentarierkonferenz Nord“ nach Vorbild der Ostseeparlamentarierkonferenz über einen gemeinsamen Ausschuss bis hin zu einer Länderfusion zu einem „Nordstaat““.
Aber fangen wir vorn an. Aufgabe der Enquete war es, „die bisherigen Ergebnisse norddeutscher Kooperationen auszuwerten, Vorschläge für künftige Formen und Inhalte der Zusammenarbeit zu entwickeln und Vorschläge für Initiativen des Landtages zu formulieren. Dabei soll eine verstärkte Zusammenarbeit mit Hamburg genauso untersucht werden, wie eine weitergehende länderübergreifende Zusammenarbeit mit Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Bremen.“
Dabei wurden der Kommission 13 Fragen mit auf den Weg gegeben, zu denen der Landtag Aussagen erwartet. Der Bericht arbeitet sich an diesen Fragen ab. Ich stelle im Folgenden die Antworten und die Schlussfolgerungen kurz vor.
Welche Effekte sind mit den bisherigen Kooperationen zwischen den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein im Bereich von Verwaltung und Dienstleistungen erzielt worden?
Für den Bereich Verwaltung und Dienstleistungen zählt der Bericht die bestehenden Kooperationen buchhalterisch korrekt auf. Er betrachtet zudem die Organisationsformen und Grundlagen der Kooperationen, beschreibt Herausforderungen der Zusammenarbeit sowie Auswirkungen und Grenzen der Kooperation. Sätze wie „Die Kooperationsauswirkungen sind bei den einzelnen Projekten sehr unterschiedlich und teilweise nur schwer quantifizierbar“ oder „Nicht alle Kooperationsauswirkungen sind unmittelbar messbar“ lassen keine Hoffnung aufkommen, dass inspirierende Erkenntnisse folgen. Und tatsächlich begrenzen Sätze wie “Grenzen der Zusammenarbeit zwischen Bundesländern bestehen grundsätzlich dort, wo ihre Zuständigkeiten enden“ die enge Sichtweise der Diskussion. Es wird nicht politisch, sondern administrativ an das Thema herangegangen. Und weil das alles eben so unterschiedlich, schwer und nicht unmittelbar und sowie begrenzt ist, wird nicht mal die Frage nach den Effekten beantwortet.
CDU und FDP begrüßen die bestehenden Kooperationen und empfehlen – trotzdem zuvor festgestellt wurde, dass irgendwie ja nichts messbar, vergleichbar oder sonstwie quantifizierbar sei – zwecks Bürokratieabbau die Vermeidung von Doppelstrukturen bei gleicher Aufgabenstellung. Bei jedem Gesetzes- und Verordnungsvorhaben soll eine mögliche Zusammenarbeit mit einem oder mehreren norddeutschen Bundesländern in Rahmen einer standardisierten Verfahrens überprüft werden.
Wie solch Kleinklein je zu einem großen Ganzen führen kann, diskutiert der Vorschlag nicht. Ich sehe schon dutzende Fragen nach dem Muster „Ist bei der Änderung des Landesverwaltungsgesetzes eine Zusammenarbeit der norddeutschen Länder erwogen worden?“ mit fröhlichen Antworten wie „Nein, das Landesverwaltungsgesetz gilt nur in Schleswig-Holstein“ Tinte, Toner oder Pixel verschwenden und hege nicht nur gewisse Zweifel an der Sinnhaftigkeit des Vorschlages.
Auch bei dem weiteren Vorschlag, für einen „besseren parlamentarischen Austausch“ regelmäßige gemeinsame Sitzungen der norddeutschen Parlamente nach dem Beispiel der Ostseeparlamentarierkonferenz einzurichten, erkenne ich kein konkretes Ziel oder Handlungsfeld. Ein aktuelles Beispiel: Nicht die existierende Konferenz Norddeutscher Länder hat über die Zusammenarbeit der Nordländer in der Sicherheitsverwahrung entschieden oder Ziele vorgegeben, sondern lediglich die Justizminister/innen der norddeutschen Länder haben eine Prüfung verabredet. Als diese dann offensichtlich negativ ausfiel und die Länder sich vereinzelten, wurden die Chefs der Staatskanzleien auf dem letzten Drücker gebeten, im Reparaturmodus im Nachhinein was zu retten. Wie wenig wird dann erst bei einer „Parlamentarierkonferenz Nord“ herauskommen können, die nicht einmal das Mandat der Wählerinnen und Wähler hätte, gemeinsam etwas entscheiden zu können? Da werden, fürchte ich, „Treffen der da oben“ instrumentalisiert, wo doch nicht nur der Zeitgeist uns gerade lehrt, dass es uns an „Teilhabe und Mitbestimmung der da unten“ mangelt. Das erscheint mir also schon von Ansatz her verfehlt.
Schaue ich auf die Schlussfolgerungen der SPD, dann wird es nicht besser. Dort weiß man nämlich schon jetzt, dass sich ein großes Potenzial an Synergieeffekten bei der Zusammenarbeit im Bereich des E-Government erschließen ließe – dabei werden IT-Kooperationen und E-Government erst im folgenden Kapitel ausführlichst, sehr ausführlichst beschrieben. Da wollten die Grüne wohl nicht hintan stehen und erwähnen die IT-Unterstützung in den Kernbereichen der Personalmanagementaufgaben im Projekt KoPers – auch wenn dieses Thema doch erst viel später im Bericht betrachtet und bewertet wird. Die Linke sieht ebenso viel Licht wie Schatten und stellt das „Erfolgsmodell NDR“ dem „Katastrophenmodell HSH-Nordbank“ gegenüber – ohne zu problematisieren oder zu erklären, warum das eine klappt und das andere nicht.
Ich gebe zu, dass mich schon jetzt die Lust verlässt, den Bericht weiter durchzuarbeiten. Ich mache so etwas sonst gern. Ich bin da einigermaßen schmerzbefreit, recht geduldig und ziemlich neugierig. Ich war ab und an im Ausschuss, habe spannende Expertendiskussionen gehört und das dort gelernte auch schon für Artikel verwenden können. Aber alles hat seine Grenzen. Vielleicht lese ich den Bericht ein anderes Mal weiter. Aber jetzt nicht, sonst werde ich noch ausfallend. Bislang ist der Bericht eine große Enttäuschung.