Robert Habeck, Spitzenkandidat der Grünen und Fraktionschef im Kieler Landtag, hat gestern (20. Januar) gegenüber der shz ein „Energiewendeministerium“ skizziert. Die im Wirtschaftsministerium ressortierenden Bereiche für Energieversorgungsfragen und Netzausbau, die augenblicklich im Justizministerium beheimatete Atomaufsicht, die „Flächenplanung“ des Innenministeriums (ich nehme an, die Landesplanung ist damit gemeint) und die Zuständigkeiten des Umweltressort für Biomasse und Ausgleichsregeln sollen schlagkräftig zusammengeführt werden. Eine Bürgerbeteiligungsreferat kommt hinzu. Denn die „Aufsplitterung auf vier Ressorts führt zu Reibungsverlusten und Verzögerungen“, so Habeck. Das Kabinett soll aber nicht größer werden — weshalb man annehmen kann, dass damit gemeint, die erstgenannten Zuständigkeiten ins Umweltministerium zu verlegen.
Die Neuschneidung von Ressorts gehört zu den typischen Ritualen bei Regierungsbildungen. Mal hat man einen Experten im Regierungsteam, dem was auf dem Leib geschneidert werden soll – so wurde Claus Möller Minister für Finanzen und Energie. Mal möchte man einem politischen Gestaltungswillen durch Zuständigkeitsballung Ausdruck geben – so wurde Angelika Birk Ministerin für Frauen, Jugend, Wohnungs- und Städtebau, im Kollegenspott gern Nestbauministerium abgekürzt. Mal gehört ein Thema besser zu einer Partei – so kam die Atomaufsicht ins liberale Justizministerium. Und wieder ein anderes Mal ist es echt kompliziert – weshalb Claus Möller ein roter Finanz-Staatssekretär und ein grüner Energie-Staatssekretär zur Seite gestellt wurden.
Solche Verteilungen sind normal, denn es gibt keinen geborenen eineindeutigen Ressortzuschnitt oder irgendeinen objektiven, dauerhaften Maßstab, nach dem man eine optimale Aufgabenverteilung bestimmen könnte. Natürlich stört so viel Veränderung die Verwaltung, weil hintan viel nervenaufreibendes Verwaltungsgetue zu erledigen ist und außerdem die meisten Häuser nicht aus Gummi bestehen und deshalb die neue Mannschaft nicht immer ins alte Haus passt.
Und dennoch gibt es einen guten Grund, warum sich solche Verschiebebahnhöfe stets wiederholen: Antiquiertes Denken.
Die üblichen Organisationsformen in öffentlichen Verwaltungen sind funktionsorientiert und ermöglichen eine hochspezialisierte und damit sehr professionelle Erfüllung von Aufgaben. Wenn wir die Aufgaben einer Behörde entlang der vorhandenen Regelwerke und gesetzlichen Vorgaben definieren, sind sie die zu erwartende Organisationsform. Ein Ministerium besteht aus x Abteilungen, die jeweils für in sich geschlossene Bereiche zuständig sind. Die in der Zählung der Abteilungen erste nimmt zudem die Aufgaben war, die jede Verwaltungseinheit ihr Eigen nennt, wie Personaldinge, Haushaltsdinge, Organisationsdinge etc.
Diese Organisationsform kommt immer dann an ihre Grenzen, wenn wir nicht in „Zuständigkeiten“ sondern in „Produkten“, „Projekten“ oder „Prozessen“ denken wollen. „Alternative Energieträger etablieren“ kann ein Prozess sein, „Krümmel stilllegen“ ein Projekt und „Landesentwicklungsplan“ ein Produkt.
Was Robert Habeck vorschlägt, ist in meinen Augen deshalb kein neuer Zuschnitt eines Ministeriums. Drei exemplarische Anmerkungen:
Die Landesplanung hat viel mehr Aufgaben als Flächen für die Energiewende zu identifizieren. Auf Flächen passieren auf ganze viele andere Dinge (oder ganz absichtlich keine Dinge). Sie würde diese Aufgaben auch im neuen Haus behalten. Aufsplitterung, Reibungsverluste, Verzögerungen – die Probleme blieben, halt nun in anderen Bereichen.
Ein „Bürgerbeteiligungsreferat“, das ein Bürgerbeteiligungsreferat und kein Energiewendefolgenbürgerbeteiligungsreferat sein soll, gehört entweder in jedes Ressort, oder ist eben kein Referat (im Sinne einer Gruppe von Mitarbeitern mit bestimmten Zuständigkeiten), sondern eine Aufgabe oder die Eigenschaft eines Produktes, Prozesses oder Projektes.
Energiewende bedeutet auch: Alte Arbeitsplätze fallen weg, Gemeinden brechen bisherige Einnahmequellen fort. Woanders passiert das Gegenteil. Gehörte also auch die regionale Wirtschaftsförderung ins EWM?
Verwaltungen können nicht von sich aus neue Strukturen entwickeln. Zum einen unterliegen sie keinem Wettbewerb, kennen deshalb nicht die Notwendigkeit betriebswirtschaftlichen Denkens, Vergleichens und Steuerns. Zudem steht – aus gutem Grund – nicht die Kundenwunsch sondern das gerechte, also gesetzeskonforme, Handeln im Fokus. Das steht einer Reform aber nicht im Weg. Sie ist aber auf Input der Leitung angewiesen. In erster Linie ist also ein neues, anderes Denken der Politik, des Parlaments nötig. Daran hakt es. Solange ein Parlament etwa bei seiner Diskussion und Entscheidung über ein Landeshaushalt nicht in Zielen sondern in „Haushaltsansätzen“ denkt, ändern sich kaum etwas. Und ein Energiewendeministerium ist … ein anderer Name.
Schöner Artikel, und natürlich stimmt es, dass ohne „neues Denken” andere Ressortstrukturen nichts ändern. Dennoch finde ich die Idee einer Zusammenziehung von Zuständigkeiten im Bereich Energie(wende) sinnvoll. Denn Funktionslogiken ändern sich, Flüchtlings- und Wiederaufbauministerien brauchte man nach dem Krieg, dann nicht mehr. Dafür gab man dann dem Umweltgedanken in den 80er durch eigene Umweltministerien mehr politisches und administratives Gewicht. Das war und bleibt richtig. Und wenn es stimmt, dass die Energiewende — gerade in SH — die nächsten 30 Jahre eine der wichtigsten und schwierigsten Aufgaben sein wird, liegt doch der Gedanken nahe, die Zuständigkeiten und Kompetenzen zu bündeln. Neben Effizienz geht es dabei, was o.k. ist, natürlich auch um ein politisches Signal. Wie genau man das Resort dann abgrenzt, und ob es ein eigenes Ministerium wird oder an Umwelt, Wirtschaft oder vielleicht auch Innen angegliedert wird, muss man sehen. Das ist jedenfalls besser, als wichtige Politikbereiche rein nach Liebhabereien oder koalitionärer Machtarithmetik ohne innere Logik irgendwelchen Ressorts zuzuschlagen, wie es in der Vergangenheit immer wieder vorgekommen ist.
Das Problem ist doch, dass wir locker drei oder vier Themen benennen können, die uns in den nächsten Jahren mehr oder weniger intensiv beschäftigen werden und die alle quer zu den „üblichen” Ressortszuständigkeiten stehen. Die Suche nach neuen Formen demokratischer Teilhabe, die Reform des Bildungsbegriffs und des Bildungswesens, die Auswirkungen des demographischen Wandels, das sich wandelnde Beziehungsgeflecht der norddeutschen Länder mit ihren skandinavischen Nachbarn etwa entlang der Achse HH-Kopenhagen, die Energiewende, die Finanzbeziehungen der Länder mit dem Bund … Je nach politischer Schwerpunktsetzung kann man diese Themen bejahen, verneinen, ergänzen. Wollten wir die alle „bündeln”, dann müssten wir zum Beispiel die Landesplanung vier- bis fünfmal klonen. Was irgendwie auf das Gegenteil von bündeln rausläuft.
Robert Habeck sieht auf dem Gebiet der Energiewende seine Felle wegschmimmen. Die Energiewende wird von SPD/CDU durchgesetzt. Die Grünen spielen keine aktive Rolle mehr bei diesem Thema. Eher im Gegenteil, sie vermitteln den Eindruck, dass sie gegen jegliche Art der Energiegewinnung sind. Mit diesem neuen Ministerium kann er sich dem Parteivolk anpassen, jenachdem aus welcher Richtung gerade der Wind weht. Geht es gegen Atom, ist er dabei, geht es lokal gegen Windkraft ist er dabei, geht es regional gegen Biomasse ist er auch dabei. Er kann sich immer positiv darstellen. Clever, aber durchschaubar.
Wie setzt denn die SPD auf Landes- und Bundesebene gerade die Energiewende durch?
Wie setzten die Grünen auf kommunalen Ebene die Energiewende durch?
So: http://www.spd.de/linkableblob/21778/data/32_energiewende.pdf
Zitat: „Grundsatz 12: Fossile Energieträger als Brücke ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien — Die fossilen Energietechnologien weiter entwickeln.
Fossile Energieträger sind die Brücke ins Zeitalter der Erneuerbaren Energien (…) Im Umfang der heute genehmigten Kapazität von 10 Gigawatt können Kohle- und Gaskraftwerke zugebaut werden (…) Die Abscheidung, Speicherung und Wiederverwertung von Kohlendioxid wollen wir
weiterentwickeln und sichere und gesicherte Rahmenbedingungen dafür schaffen.”
oder
„Die energetische Nutzung von Kohle wird in Deutschland und weltweit noch über einen längeren Zeitraum eine wichtige Rolle als Brücke in das Zeitalter der Erneuerbaren Energien spielen.”
Ein realistischer Grundsatz. 30 Jahre reden die Grünen von der Energiewende, jetzt wird es vor Ort konkret und die Grünen stehen am Spielfeldrand. Robert Habeck möchte zwischen Ökostromproduktion und Bürgerbeteiligung hin- und herspringen und als Gutmensch wie ein Korken auf dem Wasser schwimmen. Für die Energiesicherheit, sprich die politische Drecksarbeit, sollen dann die Volksparteien zuständig sein.
Ich finde das Thema ja spannend. Gibt es da ein, zwei konkrete Beispiele, wo wir Robert Habeck am Spielfeldrand stehen oder hin- und herspringen oder schwimmen sehen und CDU und/oder SPD dann die Drecksarbeit gemacht haben?
Welchen Sinn? Überhaupt keinen Sinn! Die administrative Infrastruktur ist schon jetzt entschieden zu groß.
Alles Geschwurbel! Die Energiewende ist keine, und die Grünen sind in der neoliberalen Produktewelt angekommen. Die „Energiewende” ist ein Konjunkturprogramm für die Energiewirtschaft und die EEG-Abzocker, die die Strompreise weiter in schwindelerregende Höhen treiben werden. Mindestens 17 GW neue installierte Leistung aus Gas- oder Kohlekraftwerken müssen für die „Energiewende” mit windabhängigen Windkraftwerken bis 2020 ans Netz, eine funktionierende Groß-Speichertechnologe ist nicht in Sicht. Diese „Wende” nutzt nur wenigen Betreibern, hat keine Auswirkung auf das Klima (oder was dafür gehalten wird) und reduziert kein CO2. Abschaffung des Umweltmonsters EEG, weniger uninformierte bis hahnbüchend denkschlichte Politiker, mehr physikalischer Sachverstand in der Republik und eine ehrliche, nicht interessengeleitete mediale Berichtersttattung über die „Erneuerbaren” und der Spuk hätte ein Ende. Ein Tipp: Mal Ganglinien über die überaus unstete Wind- oder Solarenergieeinspeisungen ansehen (ein Witz!), mal die Auslastungszahlen für WKA an der Küste ausrechnen und den Leistungskredit betrachten, das sind die Fakten, die niemand hören will (und von den Polityuppies wohl auch kaum jemnd vertsteht!). Auf ein „Energiewendeministerium” kann man getrost verzichten, auch der Kaiser im Märchen war nackt.