Hauptunfallursachen: Geschwindigkeit und Sonstiges

Von | 27. Februar 2012

Die zweit­häu­figs­te Unfallursache auf Autobahnen ist laut dem Verkehrssicherheitsbericht Schleswig-Holstein 2011 „Sonstiges“. Solche Statistiken braucht kein Mensch.

Polizisten tra­gen eine Waffe, fah­ren mit Blaulicht schnell durch die Stadt und neh­men am Ende einer wil­den Verfolgungsjagd hand­schel­lenkli­ckend den Verbrecher fest. Oder so ähn­lich.

Dass das nicht stimmt, wis­sen wir, seit­dem wir nicht mehr an den Weihnachtsmann und die Realitätsnähe auch nur irgend­ei­ner Tatort-Folge glau­ben. Die Polizeiliche Kriminalstatistik belegt es: Es gibt unge­fähr 6.500 Polizisten in Schleswig-Holstein – von denen natür­lich längst nicht alle „auf der Straße“ unter­wegs sind. 2010 gab es hier im Lande 78.954 Tatverdächtige – von denen natür­lich nur die wenigs­ten fest­ge­nom­men wer­den und eigent­lich so gut wie über­haupt nie­mand nach wil­den Verfolgungsfahrten. Aber selbst wenn es so wäre, dann kämen auf jeden Polizisten mal gera­de alle drei, vier Wochen eine Festnahme.

Polizisten machen also ande­re Dinge. Zum Beispiel: Formulare für Statistiken aus­fül­len. Auch für die Verkehrsunfallstatistik, die Minister Klaus Schlie heu­te (27. Februar) vor­stell­te. Damit das Ausfüllen der Vordrucke mög­lichst rei­bungs­los klappt und die vie­len Statistiken ordent­lich gefüllt wer­den, gibt es die Richtlinie für die Aufnahme und Bearbeitung von Straßenverkehrsunfällen, die zum Beispiel erklärt, wel­che Unfalltypen es gibt.
Und gleich ahnt man, war­um der Polizistenberuf heu­te so schwie­rig ist: Zurück am Schreibtisch wird gegrü­belt: „Handelte es sich um den Typ 4 Überschreiten-Unfall US: von links kom­men­der Fußgänger auf rechts abkni­cken­der Vorfahrt, muss also die Ziffer 483 in den Vordruck ein­ge­tra­gen wer­den? Ach ne, da ist ja eine Lichtzeichenregelung, dann ist es doch der Unfalltyp 2 Abbiege-Unfall AB, also die 284 ankreu­zen“.

Ich kann mir gut vor­stel­len, dass selbst der Geduldigste irgend­wann ein­fach nur noch „Sonstiges“ ange­kreuzt. Und so kommt es dann wohl, dass im Verkehrssicherheitsbericht Schleswig-Holstein 2011 auf Seite 30 als zweit­häu­figs­te Unfallursache auf Bundesautobahnen, gleich nach der Geschwindigkeit (36 Prozent) „Sonstige“ (24 Prozent) steht:

Quelle: Verkehrssicherheitsbericht Schleswig-Holstein 2011, Seite 30

Quelle: Verkehrssicherheitsbericht Schleswig-Holstein 2011, Seite 30

Ich glau­be, so etwas muss nie­mand wis­sen, das macht kei­nen schlau­er. Abe viel­leicht bau­te es ein paar der Überstunden der Polizei ab, wenn die Ankreuzeritis abnäh­me.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

6 Gedanken zu “Hauptunfallursachen: Geschwindigkeit und Sonstiges”:

  1. Steffen

    Wenn sich hin­ter „Sonstiges” sol­che komi­schen Sonderfälle ver­ber­gen, dann ist es doch okay, dass das nicht genau­er auf­ge­schlüs­selt wird. Gegen Geschwindigkeit kann jeder selbst oder die Polizei oder das Land etwas machen. Genau wie gegen Alkohol, gegen Übermüdung usw. Nicht aber gegen das all­ge­mei­ne Risiko der Teilnahme am Straßenverkehr. IIRC wird die­se all­ge­mei­ne Mitschuld doch auch immer mit 1/​4 ange­setzt.

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    1. Swen Wacker

      Komische Sonderfälle, die offen­sicht­lich stets unter 5 Prozent lie­gen und sich in der Summe auf 24 Prozent sum­mie­ren, legen nahe, dass die Abfrage, die der Statistik zugrun­de liegt, nicht stimmt.
      Dass die Polizei was gegen Übermüdung machen kann, stimmt mich hoff­nungs­voll. Aber bit­te kei­ne Kontrollen in Zügen ooder Büros.

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  2. Stephan

    @Steffen: Deine „Viertelmitschuld” ist imho ein kla­rer Fall für hoax­bus­ters :D

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  3. Hinnerk

    Bei Unfällen gibt Meßwerte, die sich leicht objek­tiv fest­stel­len las­sen — Alter, Geschlecht, Fahrzeugart etc. Die Unfallursache gehört nicht dazu. Daher kann sie grund­sätz­lich nicht Bestandteil eines der­ar­ti­gen Berichtes sein.

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