Neuer Personalausweis: Praktisch ohne Wert

Von | 7. März 2012
Der neue elek­tro­ni­sche Personalausweis wird zum Rohrkrepierer: Die eine Hälfte der Bevölkerung miss­traut ihm, eine ande­re Hälfte fän­de kei­ne Nutzungsmöglichkeit und die wenigs­ten haben ihn über­haupt schon. Eine klei­ne Anfrage im Kieler Landtag offen­bart unfrei­wil­lig(?) ein Desaster.

Seit dem 1. November 2010 gibt es den neu­en elek­tro­ni­schen Personalausweises (nPA), mit des­sen eID-Funktion der Inhaber sich, wenn er sie bei der Passbehörde ein­schal­ten lies, gegen­über Dritten elek­tro­nisch authen­ti­fi­zie­ren kann. Der neue Personalausweis soll den bis­he­ri­gen schritt­wei­se bis 2020 ablö­sen. Bislang wur­den etwa 7 Millionen neue Personalausweise aus­ge­ge­ben, 2 Millionen davon mit ein­ge­schal­te­ter eID-Funktion. Diese Zahlen, die deut­lich nied­ri­ger sind als die im November von der Bundesdruckerei geschätz­ten 10 Millionen bis Ende 2011, nennt der Referentenentwurf des Gesetz zur Förderung der elek­tro­ni­schen Verwaltung sowie zur Änderung wei­te­rer Vorschriften.

Über das Unbehagen mit dem nPA berich­te­ten wir im Landesblog schon ab und an. So rich­tig will sich die gro­ße Begeisterung für den Ausweis immer noch nicht nicht ein­stel­len. Die BITKOM berich­te­te Ende 2011, ledig­lich 45 Prozent der Bundesbürger stün­den ihm grund­sätz­lich posi­tiv gegen­über, immer­hin 44 Prozent lehn­ten ihn ab. Hinzu kommt, dass die „Killer-Applikation“, also die Anwendung, bei der jeder sagt: „Ja, die muss ich haben“ anschei­nend noch immer auf sich war­ten lässt.

Eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Gerrit Koch (FDP) zeigt nun, wie die elek­tro­ni­schen Funktionen des offi­zi­el­len Dokumentes vor sich hin düm­peln: Das Bundesministerium des Innern ver­öf­fent­licht unter http://www.ccepa.de/onlineanwendungen (Hinweis: die in der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage genann­ten Adresse ist falsch, sie gehört nicht dem BMI – Mein Browser (chro­me) wei­gert sich sogar, die Seite zu öff­nen) aktu­ell bun­des­weit gan­ze 34 Anwendungen, 13 davon stam­men von Behörden. Die Behörden in Schleswig-Holstein ver­mel­den Fehlanzeige, ledig­lich das Finanzministerium berei­te eine eID-Nutzung über das Government-Gateway vor, das gemein­sam mit der Freien und Hansestadt Hamburg bei Dataport betrie­ben wird.

Kochs Frage nach Erkenntnissen über die Akzeptanz der Angebote durch die Nutzer bei Behörden und Unternehmen blieb unbe­ant­wor­tet — der Landesregierung lie­gen hier­zu kei­ne Erkenntnisse vor.

Die Katze beißt sich in den Schwanz, wenn die Landesregierung das bis­lang nicht stark aus­ge­präg­te Interesse der Verwaltungen an der Nutzung der eID mit der durch die Gültigkeitsdauer des Personalausweises beding­ten, ledig­lich schritt­wei­sen Einführung begrün­det.

Aber viel­leicht sind die Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltungen in Schleswig-Holstein sogar schlau, wenn sie den eID an sich vor­bei zie­hen las­sen:
10 Jahre sind der IT eine lan­ge Zeit. Und schon heu­te, berich­te­te der Heise-Verlag vor drei Monaten, tüf­tel­ten Wissenschaftler die nächs­te Ausweis-Generation aus. Von „mul­ti­moda­ler Biometrie“ ist die Rede und von einem „Volumen-Hologramm, Fingerabdrucksensoren auf den Karten und bio­me­tri­schen Aufzeichnungen der Unterschrift. All das soll den Ausweis dann „wirk­lich fäl­schungs­si­cher“ machen — so wie Ariel die Wäsche unse­rer Mütter sogar wei­ßer als weiß waschen konn­te. Ob das nun stimmt oder nicht: den „alten“ neu­en Personalausweis wird dann so oder so nie­mand mehr nut­zen wol­len.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

2 Gedanken zu “Neuer Personalausweis: Praktisch ohne Wert”:

  1. tauss

    Diesen „neu­en” Schnüffelausweis wer­de ich dann erst echt nicht nut­zen ;)

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  2. Wolfgang Ksoll

    Was bedeu­tet das dann für das E-Gov-Gesetz? Die Behörden sol­len dann nach §3a VwVfG zwangs­wei­se den elek­tro­ni­schen Zugang eröff­nen (was sie schon seit 28.12.2009 wegen Artikel 8 EU-Dienstleistungsrichtlinie längst müss­ten).
    Dann kann man ent­we­der mit nicht stan­dar­di­sier­ter E-Mail und qua­li­fi­zier­ter Signatur (gibt es die noch zu kau­fen oder sind die Verkaufsstellen so geheim wie Weicherts Prüfung des Trojaners im LKA S-H?) oder mit DE-Mail auf die Behörden zugrei­fen. Für DE-Mail ist aber nach dem E-GovG-E die „siche­re Anmeldung” erfor­der­lich. Die Telekom bie­tet für die siche­re Anmeldung mobileTAN und eID an beim Webzugriff:
    http://www.t-systems.de/tsip/servlet/contentblob/t-systems.de/de/801936_1/blobBinary/De-Mail_Informationsblatt-DE-Mail-Gesetz-ps.pdf;jsessionid=7045C938EDE04B574C6AAEF233053155?ts_layoutId=170878

    Wenn dann kaum einer die eID frei­ge­schal­tet hat, bleibt also eher nur E-Mails an Behörden in Verbindung mit einem Handy und gegen Zahlung von Gebühren von ca 30 €/​Mail schi­cken kann. Die Einmauerung in die Trutzburg ist also per­fekt: die Verwaltung kann wei­ter das Internet igno­rie­ren und sagen, ruf an, komm vor­bei oder schi­cke einen Brief. Aber bit­te nicht Internet?

    In den USA, UK und Niederlanden (die drei habe ich geprüft), kann man mit nor­ma­ler E-Mail rechts­kräf­ti­ge Geschäfte mit dem Staat ver­rich­ten. Mit der Wirtschaft welt­weit sowie­so. E-Mail kann man kos­ten­los ver­sen­den wie bei GMX und ande­ren Provider. Mache ich seit 14 Jahren da, super Service, kos­ten­los, kann ich mit S/​MIME auch ver­schlüs­selt und signiert. Da habe ich auch für pri­vat ein kos­ten­lo­ses X.509-Zertifikat.

    Beim Handy habe ich Flatrate für Vodafone und Festnetz. Aber das Staat will sich da aus­kop­peln und ver­langt trotz Faltrate bis zu 10 Cent/​Minute (also dop­pelt so viel wir güns­ti­ge Anrufe in die Türkei). Jetzt soll E-Mail, die in ande­ren Staaten mit Wirtschaft und Staat kos­ten­los aus­ge­tauscht wer­den, bei uns in Deutschland so um die 30 Cent kos­ten. Aber ich haben noch nir­gend­wo einen Business Case gese­hen, der die Sonderbehandlung der Deutschen an Internationalen Standards vor­bei recht­fer­tigt. Sind die deut­schen Behörden beson­ders unsi­cher? Oder haben wir nur ein ver­steck­tes Wirtschaftssubventionsprogramm mit ver­deck­ten Kosten, mit einer nicht akzep­tier­ten Technologie, die seit 15 Jahren regel­mä­ßig ernst­haf­tes E-Government abwürgt?

    Habe ich einen Denkfehler oder kön­nen wir uns das E-GovG spa­ren, weil wir seit 15 Jahren nichts lauf­fä­hi­ges und akzep­tier­tes auf die Beine krie­gen und der neue hyper­kom­ple­xe Ansatz nicht die Bohne Realisierbarkeit erschei­nen lässt, die EU-Dienstleistungsrichtlinie wei­ter­hin in Deutschland nicht umsetzt (Art. 8 EU-DLR) und die Deutschen gegen­über ande­ren Völkern (auch schon nur in der EU) her­ab­setzt?

    See also: http://wk-blog.wolfgang-ksoll.de/2012/02/26/e-government-in-der-trutzburg-das-rheingold/

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