Die Landtagswahl rückt immer näher und eines der großen Wahlkampfthemen ist die Bildungspolitik in Schleswig-Holstein. Das ist nicht ohne Grund so, denn in der vergangenen Legislaturperiode wurden von Seiten des Bildungsministeriums viele Entscheidungen getroffen, die für die betroffenen Eltern und Schüler eher zu mehr Verwirrung, denn zu Klarheit beigetragen haben. So wurde nach der Einführung des Turboabiturs (G8) an Gymnasien und der Einführung von Regional- und Gemeinschaftsschulen die das Abitur in neun Jahren anbieten sollten, zurückgerudert, indem die Gymnasien schlussendlich die Wahlfreiheit bekamen, auch wieder G9-Klassen einzurichten. Das führte zu einer Schwächung derjenigen Schulen, die für das längere gemeinsame Lernen stehen sollten und machte es den Eltern umso schwerer, die richtige Wahl für das eigene Kind zu treffen. Denn am Ende war nur noch schwerlich zu durchschauen, wohin die Entwicklung geht. Des Weiteren wurden Lehrerstellen und Differenzierungsstunden gekürzt und dann teilweise wieder von Kürzungen ausgeschlossen, was wenig nachvollziehbar war. Die Liste der fragwürdigen Entscheidungen könnte man sicherlich noch weiterführen.
Wenn man sich nun die Situation an vielen Schulen im Land anschaut, wird deutlich, dass der Bedarf an Lehrern auf jeden Fall da ist und dass aufgrund von nicht ausreichend zur Verfügung stehenden Lehrern mit 2. Staatsexamen vermehrt Vertretungslehrer ohne absolviertes Referendariat eingesetzt werden müssen, wenn nicht sogar Studenten, die noch nicht einmal das 1. Staatsexamen abgelegt haben. Das so viele Vertretungskräfte ohne Referendariat zur Verfügung stehen, liegt vor allem daran, dass sich der praktische Teil der Ausbildung nicht nahtlos an das 1. Staatsexamen anschließt, sondern lange Wartezeiten auf einen Referendariatsplatz in Kauf genommen werden müssen. Ebenso schlecht sieht es mit einer Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis nach dem Referendariat aus, so dass sich viele Absolventen des 1. oder 2. Staatsexamens entschließen das Bundeland Schleswig-Holstein zu verlassen und ihr Glück in anderen Bundesländern zu versuchen.
Die Schule soll die Kinder und Jugendlichen dazu befähigen, am gesellschaftlichen Leben aktiv teilzunehmen und einen guten Abschluss zu erwerben, damit sie eine gute Ausbildung machen können und später zu einem produktiven Mitglied der Gesellschaft werden können. Im Vergleich der Bildungssysteme der Bundesländer schließt Schleswig-Holstein regelmäßig schlecht ab und liegt vor allem in den Bereichen Förderinfrastruktur, Betreuungsbedingungen, Akademisierung und Internationalisierung erschreckend weit hinten. Eine detaillierte Übersicht, wie diese Daten zustande kommen, kann im Bildungsmonitor 2011 nachgelesen werden.
Doch der Blick soll in die Zukunft gehen und deshalb ist es umso interessanter, was die Parteien in ihren Wahlprogrammen zum Thema Bildung ausführen. Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständgkeit, sondern soll exemplarisch einige Bereiche der Bildungspolitik herausgreifen und die unterschiedlichen Ansichten der Parteien darlegen. Ebenso wenig soll der Artikel die Frage behandeln, wie die bildungspolitischen Pläne der Parteien finanziell umgesetzt werden können, denn das würde den Rahmen sprengen.
In einem Punkt sind sich alle Parteien einig: nämlich in ihrem Einsatz für die Aufhebung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern im Bereich der Bildung. Darüber hinaus gehen die Ansichten zum Teil weit auseinander. So zum Beispiel im Bereich der durch Schülerrückgänge „frei” werdenden Lehrerstellen. Die SPD möchte 50 Prozent dieser Stellen im Bildungsbetrieb lassen, während die Grünen und der SSW 100 Prozent dieser Stellen behalten wollen. Die CDU äußert sich zu diesem Thema nicht, betont nur die Menge der Ressourcen, die in einen Vertretungsstundenfonds gesteckt werden sollen. Die FDP möchte alle Schulen gleichermaßen mit Planstellen versorgen, äußert sich aber nicht darüber, was mit den „frei” werdenden Lehrerstellen geschehen soll.
Vorschulische Bildung
Im Bereich der vorschulischen Bildung wird von allen Parteien betont, dass die Qualifizierung der Erzieher weiter vorangetrieben werden muss und dass die Angebote der Kitas qualitativ hochwertiger werden sollen und die Zusammenarbeit zwischen Kita und Grundschule verbessert werden soll. Der Ausbau der Plätze, vor allem im Bereich der unter Dreijährigen liegt allen Parteien am Herzen, wobei die SPD und die Grünen in diesem Zusammenhang auch einen Fokus auf familienfreundlichere Betreuungszeiten legen. Während SPD, Grüne, Linke, Piraten und SSW langfristig eine kostenlose Betreuung in den Kitas als wichtig ansehen, sehen CDU und FDP eine sinnvolle Sozialstaffelung in Bezug auf die Beiträge für die Betreuung als Nahziel (so wie es derzeit bereits praktiziert wird). Die SPD und der SSW sehen als Nahziel das letzte Jahr der Kinderbetreuung vor dem Eintritt in die Grundschule als beitragsfreies Jahr realistisch.
Grundschulen
Für die Grundschulen plant die CDU Englischunterricht ab der 3. Klasse und sieht Leistungszeugnisse mit erläuternden Berichten als den richtigen Weg der Bewertung. Dem entgegengesetzt möchten die Linken den Druck durch Noten von den Schülern nehmen und sehen deshalb differenzierte Lernberichte als den richtigen Weg der Bewertungsrückmeldung an Kinder und Eltern. Die FDP will die Stundentafel der Grundschule erweitern. Der SPD kommt es im Bereich der Grundschule vor allem darauf an, die wohnortnahen Angebote zu sichern. Grüne und SSW wollen ganz auf die schriftlichen Schulartempfehlungen in der vierten Klasse verzichten und sehen statt dessen ein Beratungsgespräch der Lehrkräfte mit den Eltern als den richtigen Weg an, damit die passende weiterführende Schule ausgewählt werden kann. Im Falle einer linken Bildungspolitik wären Schulartempfehlungen völlig obsolet, da sie eine gemeinsame Schule von der 1. bis zur 10. Klasse sehen.
Weiterführende Schulen
Nach der Grundschule steht für die Eltern die Entscheidung an, auf welche Art Schule sie ihr Kind nun schicken wollen. Die CDU sieht das derzeitige System aus Regional- und Gemeinschaftsschulen, sowie der Wahl zwischen G8- und G9-Gymnasien im Sinne des Schulfriedens als passend an, weitergeführt zu werden und strebt nur insofern Änderungen an, als die Wahlfreiheit der Regional- und Gemeinschaftsschulen in Bezug auf abschlussbezogene Klassen und Kurssysteme weiter ausgebaut werden sollte. Nach der Prüfung, ob eine mindestens zweizügige Oberstufe zustande kommt, sollten Gemeinschaftsschulen auch Oberstufen bekommen können. Die FDP sieht das ähnlich, plädiert aber nicht nur im Sinne des Schulfriedens für G8 und G9 an Gymnasien, sondern wirbt aktiv mit der Beibehaltung der Möglichkeit, das Abitur in neun Jahren an einem Gymnasium absolvieren zu können. Auch sie sieht die Freiheit der Schulen in Bezug auf ihre Selbstbestimmung darin, dass über die Art und Weise der Differenzierung innerhalb der Schule alles möglich ist. Ganz im Gegensatz dazu sehen SPD, Grüne, SSW und Linke die Gemeinschaftsschulen als einzige Alternative zu einem Gymnasium, an dem man in acht Jahren das Abitur erwirbt. Sie sehen die Gemeinschaftsschulen als Chancen für längeres gemeinsames Lernen und befürworten deshalb statt äußerer Differenzierung durch Kurse oder abschlussbezogene Klassen eine echte Binnendifferenzierung, die nur dann umgesetzt werden kann, wenn ausreichend Differenzierungsstunden zur Verfügung stehen. Ebenso sehen SPD, Grüne und Linke einen Ausbau der Oberstufen an Gemeinschaftsschulen als unerlässlich an. So können Schüler, die bis zur 10. Klasse die Gemeinschaftsschule besucht haben, dann entweder im eigenen Haus das Abitur machen oder dafür auf eine berufliche Schule ihrer Wahl gehen. Gemeinsam mit der FDP befürworten auch sie eine zügige Umgestaltung der Regionalschulen in Gemeinschaftsschulen.
Im Bereich der Oberstufen sehen alle Parteien Handlungsbdarf bei der Ausgestaltung der Profiloberstufe. Nur die Linke lehnt dieses Konstrukt ab und fordert eine Rückkehr zum Kurssystem sowie eine Hochschulzugangsberechtigung durch den Abschluss einer Berufsausbildung.
Ganztagsschulen
Die SPD, Grünen, FDP und SSW erachten es als wichtig, dass auch berufliche Schulen den Ganztagsstatus zuerkannt bekommen, weil deren Unterrichtszeiten dies längst rechtfertigen. Damit einhergehend sollten sie auch mit Mensen und Schulsozialarbeit ausgestattet werden. Für alle weiterführenden Schulen sieht es die CDU als wichtig an, dass die Ganztagsangebote in Schulen ausgebaut werden, vor allem in Brennpunktvierteln. Auch die FDP sieht dies als nötig an, wenn der Bedarf vor Ort besteht. Die SPD möchte in naher Zukunft alle Schulen in Schleswig-Holstein zumindest in offene Ganztagsschulen umwandeln, was auch dem Ziel der Piraten entspricht, die eine freiwillige Ganztagsbetreuung als wichtig erachten. Die Grünen sehen flächendeckend gebundene Ganztagsangebote als den richtigen Weg für die Schullandschaft. In Bezug auf die Ausgestaltung der Ganztagsangebote ist man sich wieder relativ einig, dass Verbände, Vereine, Museen und andere Anbieter vermehrt ins Boot geholt werden müssen, um qualitativ hochwertige Ganztagsangebote zu gewährleisten.
Medienkompetenz und Demokratieerziehung
In Beug auf die Förderung der Medienkompetenz haben alle Parteien die Zeichen der Zeit erkannt und haben diese als wichtigen Punkt der schulischen Erziehung mit in ihre Programme aufgenommen. Der SSW betont in diesem Zusammenhang vor allem die Zusammenarbeit und Unterstützung des Offenen Kanals Kiel und der MAHSH. Die Grünen, Piraten und die Linken sehen außerdem einen wichtigen Fokus bei der Demokratieerziehung in den Schulen. Diese sollte nach Ansicht der Grünen bereits in der 1. Klasse mit der Einübung des Klassenrats beginnen. Auch eine Stärkung der Schülervertretungen und Möglichkeiten für mehr Mitbestimmung im Schulalltag wird betont.
Inklusion
Im Bereich der Inklusion ist Schleswig-Holstein ein Vorreiter, jedoch hapert es an der Umsetzung der Ziele vor Ort zum Teil noch gewaltig. Alle Parteien haben Aussagen zur Inklusion in ihre Parteiprogrammen und befürworten die Erweiterung der inklusiven Beschulung mit der Unterstützung von Förderzentren. Der SSW benennt deutlich, dass im Bereich der Inklusion jedoch auch Evaluation stattfinden muss, um die Qualität der Bemühungen zu überprüfen. Die Grünen und Linken fordern einen vermehrten und gezielten Einsatz von mehr Förderschullehrern und Heilpädagogen an Schulen.
Schulsozialarbeit
Im Bereich der Schulsozialarbeit sprechen sich alle Parteien für eine Ausstattung aller Schulen mit Schulsozialarbeitern aus. Die Feinheiten liegen dabei im Detail, denn die primäre Rolle der Schulsozialarbeit liegt eigentlich in der Prävention und nicht im Auffangen von Problemfällen. Diese benennt jedoch nur der SSW als solche und fordert, dass ausreichend Schulsozialarbeiter in allen Schulen vorhanden sein sollten, damit Prävention sinnvoll möglich ist. SPD, Grüne, Linke und Piraten fordern mehr Schulsozialarbeiter an allen Schulen, die FDP hingegen spricht von spezifischen Bedarfen, die gedeckt werden sollten.
Berufliche Schulen
Hier sprechen sich alle Parteien für eine Stärkung der beruflichen Schulen aus und fordern, diesen mehr Eigenständigkeit zuzugestehen. Die SPD sieht die beruflichen Schulen als wichtiges Instrument an, um die Zahl der Schulabbrecher zu senken, ebenso der SSW, der auf den Ausbau modularer Angebote setzt, die nacheinander aufeinander aufbauen. Gemeinsam mit den Grünen sehen sie Produktionsschulen nach dänischem Vorbild als eine gute Möglichkeit der Förderung der beruflichen Bildung. Die FDP möchte Parallelstrukturen an beruflichen Schulen reduzieren und die Linken fordern mehr Ausbildungsplätze bei den Landesbehörden, die zu 50 Prozent durch Mädchen besetzt werden sollen.
Hochschulen
Die CDU, SPD, Grünen Linken und der SSW sprechen sich explizit zu den drei Universitätsstandorten Flensburg, Kiel und Lübeck aus und wollen diese stärken. Die Medizinerausbildung an den Standorten Kiel und Lübeck in Verbindung mit dem UKSH soll erhalten bleiben. Die SPD sieht Verbesserungen und Ausbau der BAföG-Förderung als wichtig an, das Erststudium bis Masterabschluss soll gebührenfrei bleiben, letzeres sehen Grüne, FDP, SSW, Linke und Piraten genauso. Beratungsangebote müssen ausgebaut werden, um die Studienabbrecherquote zu senken.
SPD und Linke halten es für nötig, den Ausbau der Studentenwohnheime zu verbessern, damit ausreichend bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht. SPD, Grüne, Linke und Piraten sehen den Ausbau der Stellen und die angemessene Bezahlung für Juniorprofessoren und wissenschaftliche Mitarbeiter als wichtig an, vor allem die Linken sprechen sich hier für einen Frauenanteil von 50 Prozent aus. Die FDP und die Linken sprechen sich für mehr Möglichkeiten eines Teilzeitstudiums aus und die Linken fordern darüber hinaus bessere Betreuungsmöglichkeiten für Studierende mit Kindern. Die FDP spricht sich für eine stärkere Zusammenarbeit von Universitäten mit privaten Unternehmen aus und sieht die Bologna-Reform kritisch und fordert mehr Gestaltungsspielräume bei den Studiengängen, die Linke geht noch einen Schritt weiter und fordert eine Rückkehr zu den alten Diplom- und Magisterstudiengänge als paralleles Angebot.
Lehrerausbildung
SPD, Grüne und SSW befürworten eine Stufenlehrerausbildung für die Primarstufe, Sekundarstufe 1 und Sekundarstufe 2. Die CDU und FDP hingegen sehen schulartbezogene Studiengänge für die Lehrerausbildung als den richtigen Weg an. Alle Parteien fordern mehr Praxisnähe bei der Lehrerausbildung und die SPD will vor allem die praktischen Anteile im Hinblick auf Inklusion und Binnendifferenzierung erhöhen. Die Grünen sehen einen verstärkten Fokus bei gemeinsamem Lernen, Ganztagsunterricht, Integration, besserer individueller Förderung und bei einer engeren Kooperation der Schulen mit kommunalen Einrichtungen. Die FDP fordert eine Lehrerausbildung aus „einem Guss” statt der jetzigen Bachelor-Master-Variante. Die Piraten fordern eine bessere Ausbildung der Lehrer in Bezug auf Pädagogik und Medienkompetenz und die Linke fordert eine direkte Übernahme ins Referendariat ohne Wartezeiten. SPD und FDP betonen die Wichtigkeit einer verbesserten Berufschullehrerausbildung.
Sonstiges
Den konfessionsgebundenen Religionsunterricht sieht einzig die CDU noch als zeitgemäß an, alle anderen Parteien befürworten einen konfessionsübergreifenden Religionsunterricht oder Ethikunterricht, der auch religionskundliche Elemente beinhaltet. Die Piraten halten einen vermehrten Einsatz von multimedialen Unterrichtsmaterialien für wichtig und plädieren für einen verstärkten Einsatz von freien Onlinelernangeboten und freier Software an Schulen.
Die CDU und FDP haben einen starken Fokus auf der Förderung von Hochbegabten und beiden wollen die Diagnostik in diesem Bereich unterstützen. Die anderen Parteien haben stattdessen vermehrt die Bildungsgerechtigkeit im Blick, die in den letzten Jahren in Schleswig-Holstein keine großen Fortschritte gemacht hat.
In Bezug auf die Schülerbeförderungskosten sprechen sich SPD, Grüne, SSW, Piraten und Linke für eine kostenfreie Schülerbeförderung aus, während die CDU dazu keine Angaben macht und die FDP den Kreisen die Entscheidung darüber berlassen möchte.
Die Grünen sprechen sich in ihrem Wahlprogramm deutlich für einen Runden Tisch aus, an dem künftig parteiübergreifend über bildungspolitische Inhalte diskutiert und Entscheidungen getroffen werden sollen. Diese sollen dann im besten Fall für die nächsten zehn Jahre festgeschrieben und auch bei einem Regierungswechsel nicht angetastet werden. Dieser Vorschlag scheint konstruktiv zu sein, denn auch wenn Eltern, Schüler und Lehrer der vielen Reformen, Erlasse und Veränderungen müde sind, ist die jetzige Variante des Schulsystems alles andere als gerecht und wird in der jetzigen Form nicht dazu beitragen, Schleswig-Holsteins Platz bei bundesweiten Rankings zu verbessern.
Danke Melanie, für diese umfangreiche Übersicht zum Thema Bildung in den Wahlprogrammen der schleswig-holsteinischen Parteien.
Siehe dazu als gute Übersicht auch http://www.ivl-sh.de unter dem Bericht „Bildungspolitik im Klammergriff der Parteipolitik”, unter dem die Antworten der Parteien auf sog. Wahlprüfsteine aufgelistet sind.
Wenn Sie ‚die Situation an vielen Schulen im Land anschaut’ formulieren, dann belegen Sie diese bitte auch! Sprechen Sie über einige wenige — in ländlichen Regionen — oder über die Mehrzahl der Schulen?
Welche Daten liegen für Ihre Formulierung ‚Bedarf an Lehrern auf jeden Fall da ist’ vor? Und können Sie objektiv belegen, das nicht ausreichend Lehrer mit 2. Staatsexamen vorhanden sind?
Welche konkreten Daten können Sie dafür nennen, dass Lehrkräfte aus S-H ‚weglaufen’?
In der Tat könnte die Aufhebung des Kooperationsverbots sinnvoll sein. Es glaube aber niemand, dass Geld vom Bund nicht reflexartig dazu führt, dass der Bund Gegenleistungen fordern wird. Ob dieser Austausch von Haushaltsmitteln gegen Macht sinnvoll sein wird, bliebe abzuwarten.
Verwiesen sei an dieser Stelle noch auf den Kommentar zum Schulbericht des Rechnungshofes zum Schubericht 2009: http://www.landesrechnungshof-sh.de/index.php?getfile=aktuelleinformationenzumschulbericht2009.pdf
Der LRH zitiert Olaf Köller vom IPN, Kiel:
‚Dabei wird deutlich, dass die Rahmenbedingungen, die typischerweise im Vordergrund von bildungspolitischen Reformen stehen (Reduzierung der Klassengröße, Schulstrukturen), weitgehend irrelevant sind. … Damit verbunden sind systematische, langfristig ausgerichtete Programme der Lehrerprofessionalisierung.“’
Ebd. Quelle liefert Informationen der Relationen Schülerzahl vs. Lehrerzahl — die sich jahrelang verbessert hat:
2007/08 : -0,6% Schüler vs. +155 Lehrer
2008/09 : -1,2% Schüler vs. +70 Lehrer
2009/10 : -2,0% Schüler vs. +709 Lehrer
2010/11 : -1,4% Schüler vs. +255 Lehrer
Und, nur falls noch das Thema Verbeamtung angesprochen werden sollte, so lese man das Wahlprogramm der FDP.
http://www.konsequent-sh.de/files/1006/Wahlprogramm_2012-2017.pdf Dort wird vorgerechnet, dass die gesamtstaatliche Verschuldung des Landes S-H nicht 73 Mrd EURO beträgt — sondern durch Versorgungsansprüche für Beamte — hauptsächlich Lehrer — bei 110 Mrd EURO liegt.
Unter der nicht unrealistischen Annahme, dass keine Partei den schulpolitischen Stein der Weisen gefunden hat, erscheint eine 10-jährige Festschreibung eines Status-Quo mindestens fragwürdig.
Würde mich freuen, wenn Sie Ihr Aussagen objektiv und nachprüfbar belegen könnten. So unscharf könnte Ihre Einleitung auch Teil eine Wahlprogramms sein. Auch wenn Ihr Artikel ‚keinen Anspruch auf Vollständigkeit’ erhebt, so sollte er doch exakt sein.
Schade…
PS: Im Jahr 2011 sollte Ihr Verein nicht mehr den Begriff ‚Neue Medien’ verwenden. Die fraglichen Medien sind schon lange nicht mehr neu…
Sehr geehrte/r Mutzke2,
auch die schönsten Zahlenkolonnen auf dem Papier lassen den Unterrichtsausfall , ergo Lehrermangel, an unseren Schulen nicht verschwinden. Wichtig ist, was täglich deutlich zu spüren ist: Stundenausfall, sog. Eigenlernzeiten, Lehrer, frisch von der Uni, die fluchtartig und bei erstbester Gelegenheit unser Bundesland gen Niedersachsen verlassen, Eltern, die in „ihren” Klassen wochenlang Fachunterricht geben, weil der sog. „Vertretungsfonds” seinen Namen nicht verdient…
Wenn Sie weitere Berichte aus der Realität benötigen: Einfach mal eine Rundreise durchs Land machen und mit Betroffenen sprechen. Wahlkampf über‚s Internet braucht kein Mensch.
Mit freundlichem Gruß
Eine Mutter
Ja, die Realität sieht anders aus. Aber sofern diese Realität nicht mit harten Fakten belegt wird, bleiben alle Argumente schwach…
Mit großem Interesse habe ich als Elternvertreter den Beitrag von Mutzke2 zur Bildungspolitik gelesen. Ich bin ihm dankbar, dass er sich dieser Themen angenommen hat.
Es ist in der Tat so das das Ministerium seit geraumer Zeit versucht uns Glauben zu machen alles sei gut. Leider ist es nicht so. Es ist längst eine gesicherte Erkenntnis das gut Ausgebildete Lehrkräfte abwandern, selbst der Minister räumt dies ein, ebenso das bestimmte Fächerkombinationen sehr schwer zu bekommen sind.(Landeselternfachtag 17.03.2012)
Vertretungsunterricht in den verschiedensten Formen zählt ja auch nicht als Ausfall.
ODIS soll hier noch verbessert werden.( Dr.Klug 17.3.2012) Darauf warten wir Elternvertreter
schon sehr, sehr lange.
Weiterhin regt uns die Einführung des alten Dreigliedriegen Schulsystems auf, wir waren schon weiter.
Dabei ist schon seit längerem klar: Dieses System wird unserer Gesellschaft nicht mehr gerecht.
Pisa, mehrere Bertelsmann Studien, die Jakko-Studie, um nur einige zu nennen, verdeutlichen es immer wieder: Die Bundesrepublik liegt dabei im unteren Mittelfeld und Schleswig-Holstein noch weiter unten. Politik versucht uns diesen Umstand, mit allen möglichen Begründungen zu erklären.
Doch wie sieht es in Wirklichkeit aus?
Pisa zeigt unmissverständlich, dass der Schulerfolg der Kinder in Deutschland besonders eng mit dem Sozialstatus und der Ausbildung der Eltern verknüpft ist. Die Bindung der Bildungserfolge an die soziale Herkunft macht es Kindern aus unteren sozialen Schichten deutlich schwerer höhere Schulabschlüsse zu erlangen. Beängstigend zu sehen, wie sich immer mehr Verwaltungsfachleute und Statistiker in einem immer größer und teurer werdenden Apparat, mit dem Anspruch der Schule zu dienen, etablieren. Und dieser Apparat kann eine einfache Frage: „Wie groß ist der Unterrichtsausfall an schleswig-holsteinischen Schulen tatsächlich?”, nicht beantworten. Dabei ist es die entscheidende Frage. Denn nur wer unterrichtet wird, kann einen Schulabschluss erlangen.
Lehren und Lernen scheitern schließlich nicht daran, dass Lehrkräfte nicht gewusst hätten, zu welchem Zeitpunkt Schüler welche Wissensinhalte beherrschen sollten. Sie scheitern daran, dass sie sich in immer noch zu großen Klassen, unzureichend ausgestattet, mühen müssen eine Unterrichtssituation herzustellen, die erfolgreiches Unterrichten ermöglicht. Und die schwarz-gelbe Landesregierung feiert es auch noch als Erfolg, den Vertretungsfonds mit dem vorher eingesparten Geld aus der Streichung von 600 Lehrerstellen zu verdoppeln. Wohl wissend, dass es zu wenige Vertretungslehrer gibt.
Wenn Schule gelingen soll, müssen wir aufhören Diskussionen um des „Kaisers Bart” zu führen. Was außerhalb der Schule, gerne auch von Bildungspolitikern, vergessen wird: Kinder im Bildungsprozess voranzubringen, ist – so sehr auch das, was Politiker und Verwaltungsfachleute tun, Wertschätzung verdient- etwas anderes als das Entwerfen und Einheften von Niederschriften und Erlassen.
Alles schulische Lehren und Lernen ist eingebettet in zwischenmenschliche Interaktionen — Beziehungen- nur wenn die Chemie stimmt, stellt sich der Erfolg ein. Doch dazu brauchen wir gut ausgebildete Lehrkräfte, die in der Lage sind fachlich versierten und pädagogisch wertvollen Unterricht zu geben. Und das sowohl an den Gymnasien als auch an den Gemeinschaftsschulen — mit oder ohne Oberstufe.
Es ist wichtiger die Abiturquote zu steigern, den Kindern die Chance zu geben, ihr Potenzial zu entwickeln und zu verwirklichen.
Wir können es uns als Gesellschaft allerdings nicht mehr leisten Schulabbrecher zu produzieren, vielmehr müssen wir durch Binnendifferenzierung dafür sorgen, jedem Schüler den höchsten, für ihn erreichbaren, Abschluss zu ermöglichen. Das ist jedoch nicht zum Nulltarif zu haben. Wir brauchen gut aus- und fortgebildete Lehrer, vernünftig ausgestattete Schulen mit kleineren Klassen.
Wir brauchen mehr Lehrkräfte im System, die Aufgaben sind vielfältiger geworden und die Ansprüche gestiegen. Leider fehlt es auch auf Elternseite immer wieder an Verständnis für Lehrkräfte.
60 Prozent aller Lehrkräfte sind Burn-out gefährdet so Spiegel online. Und es ist richtig, Lehrkräfte mit einem hohem Maß an Idealismus stehen oft alleine da, werden nicht unterstützt.
Lieber diskutieren die Altvorderen über die Rückkehr zur alten Realschule oder zur Hauptschule als sich Gedanken über eine innovative Schule zu machen. Torsten Albig hat gestern in einer Veranstaltung sehr schön beschrieben, dass das Ministerium wieder für die Lehrer und Schulen da sein muss und nicht ungekehrt. Das Ministerium soll alles dafür tun, damit Schule gelingt. Das haben viele vergessen.
Thomas Waskow
Vorsitzender Kreiselternbeirat der Gemeinschaftsschulen, Kreis Herzogtum Lauenburg
Mitglied im Landeselternbeirat der Gemeinschaftsschulen
Vielen Dank für Ihren kompetenten Kommentar, Herr Waskow!
Mit meinem Betrag lag es mir fern, für oder gegen das Ministerium zu argumentieren. Oder gar für oder gegen eine Partei zu sprechen. Vielmehr halte ich es für sehr unglücklich, dass viele Diskussionen im Bildungsbereich wenig faktenbasiert erfolgen.
Sie schreiben ‚dass das Ministerium seit geraumer Zeit versucht uns Glauben zu machen’. Nun ja, im Ministerium ist Politik im Spiel. Nicht nur die Aussagen der Hausspitze sind politisch, sondern natürlich grundsätzlich auch die alle anderen Ebenen des Hauses. Mindestens politisch beeinflusst.
Um ein echtes Gegengewicht zu werden, sammeln Sie doch einfach auch Fakten!
Erstens können Sie das Informationsfreiheitsgesetz https://www.datenschutzzentrum.de/material/recht/ifg.htm nutzen, welches Ihnen das universelle Recht gibt, sämtliche Informationen zu erhalten, die dem Ministerium, einem Schulamt oder einer Schule vorliegen: Schriftliche auf Papier und elektronische in Form von Parteien. Dafür müssen Sie nicht mal einen Grund nennen. Falls Sie nicht weiterkommen, steht Ihnen das Unabhängiges Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein als Helfer zur Seite: https://www.datenschutzzentrum.de/informationsfreiheit/index.htm
Und wenn Sie ODIS nicht trauen, dann suchen Sie sich 2 – 3 schlaue Oberstufenschüler, die sich mit Programmierung von Webseiten auskennen und bieten Sie — dann gleich für alle Bundesländer — ein Internet-Programm an, welches Stundendaten einsammelt. Wenn Sie sich dann mit Ihrem Angebot mit einem ‚Eltern, vereinigt Euch!’ Aufruf an die Presse wenden, dürfte Ihr ‚Fakten statt Gefühl’ Projekt schnell Fahrt aufnehmen. Und wenn Sie neue harte Fakten liefern können, dann dürfte der politische Diskurs spannend werden…
Sie sollten nicht warten, bis Ihnen die Bildungsadministration irgendwann irgendwelche neuen ODIS Daten liefert. Wer zu langsam ist, wird auch mal rechts überholt!
Ich mag Ihnen glauben, dass die Wirklichkeit stellenweise anders aussieht. Zweifel jedoch an, dass die Wirklichkeit über alle Schulen des Landes ähnlich prekär ist. Abnehmende Schülerzahlen gegenüber (schwach) zunehmenden Lehrerzahlen müssen zu einem anderen Schluss führen. Schulen im städtischen Raum dürften regelmäßig wesentlich besser versorgt sein als Schulen im ländlichen Raum.
Natürlich darf sich Bildungsadministration nicht primär um Niederschriften und Erlasse kümmern. Aber ohne geht es auch nicht. Zudem kann ich mir absolut nicht vorstellen, dass Mitarbeiter des MBK besonderen Spaß am Verfassen von Vorschriften haben. Schließlich ist ein großer Teil der Mitarbeiter des Ministerium Lehrer.
Als ich zur Schule ging, waren wir um die 30 Schüler pro Klasse. Vermutlich sind Schüler heute — mindestens an bestimmten Schulen oder in bestimmten Regionen — schwieriger.
Mein Gefühl sagt mir ebenfalls, dass kleinere Klassen besser sein müssten. Durch diverse Studien wurde aber belegt, dass dies nicht der Fall ist.
Ebenso sagt mir mein Gefühl — vermutlich, weil ich so erlebt habe — dass das dreigliedrige Schulsystem gut ist. Auch hier belegen diverse Studien das Gegenteil.
Was wirkt? Was wirkt nicht? Schauen Sie in die Meta-Meta-Studie von Prof. John Hattie: http://www.visible-learning.de/ und http://www.tes.co.uk/article.aspx?storycode=6005393 Prof. Köller hat hier http://www.emse-netzwerk.de/uploads/Main/EMSE13_Koeller_pp.pdf eine Zusammenfassung verfasst.
Achtung: Die Präsentation von Prof. Köller wurde für eine EMSE-Tagung verfasst. Emse ist ein Netzwerk von Mitarbeitern der Bildungsadministration: http://www.emse-netzwerk.de/
Es mag sein, dass Lehrkräfte überproportional an Burn-Out leiden. Fakt ist aber auch, dass Pensionierungen wegen Dienstunfähigkeit seit 1993 stark abgenommen haben: http://landesblog.de/2011/12/lehrer-hohes-hartes-friesengewachs-der-fruhpensionar-ist-geschichte/ — Vermutlich auch, weil sich die Regularien für Versorgungsansprüche geändert haben… Damit verhält sich die soziale Gruppe der Lehrkräfte sicher nicht anders als andere Gruppen. Aber wohl kaum wegen eines seit 1993 gestiegenen Berufsethos, wie Interessenvertretung der Lehrkräfte in Schleswig-Holstein (IVL) am 7. Dezember 2011 formuliert hat.
Dass idealistische Lehrkräfte oft ausgegrenzt und vom System eingefordert werden, ist sicher richtig.