Wahlprogramme in Schleswig-Holstein: sprachliche Analyse, II. Akt

Von | 25. April 2012

Kurz vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein hat die Universität Hohenheim die Wahlprogramme von CDU, SPD, FDP, Grünen, Linken, und Piraten durch­leuch­tet. Das Fazit der Forscher: Die FDP unver­ständ­lich, die Linke dog­ma­tisch, die SPD mit Wohlfühl-Wahlkampf, die Piraten erobern das Mittelmaß.

Vor gut einer Woche hat­te ich über die sprach­li­che Analyse der Wahlprogramme der Parteien im Schleswig-Holsteinischen Wahlkampf berich­tet. Nun haben sich Kommunikationswissenschaftler der Universität Hohenheim, der Heimat der Verständlichkeitssoftware TextLab und des Hohenheimer Verständlichkeitsindex, über die Wahlprogramme her­ge­macht. Ihre Analyse fällt ein Stück weit anders aus. Auch, weil sie sich der Sache anders nähern.

Kompromissbereite Sprache

Für den Kommunikationswissenschaftler Jan Kercher sind „die Wahlprogramme von CDU und FDP ver­gleichs­wei­se undog­ma­tisch“. Wörter wie „immer“, „nie“, „aus­schließ­lich“ oder „nie­mand“ kom­men sel­ten vor. Eine hohe Dichte an einer wenig kom­pro­miss­be­rei­ten Sprache mach­ten die Forscher bei den Linken und der Piratenpartei aus. SPD und Grüne ran­gie­ren im Mittelfeld. Kercher fiel auf, „dass die Parteien je nach Thema mal mehr, mal weni­ger dog­ma­tisch for­mu­lie­ren“. So sind die Grünen bei Umwelt, Energie und Verkehr, die Linken bei der Sozialpolitik dog­ma­ti­scher als bei ande­ren Themen.

Pastelltöne gegen Grau-in-grau

Die Forscher ach­te­ten auch dar­auf, ob nega­ti­ve oder posi­ti­ve Aussagen vor­herr­schen. Vor allem die bei­den Regierungsparteien erge­hen sich in ihren Wahlprogrammen in Wohlfühl-Formulierungen. Die Experten der Universität Hohenheim fan­den in den Programmen von CDU und FDP posi­ti­ve Signalwörter wie „Wohlstand“ oder „Wachstumsmotor“.

Düster dage­gen die Wahlprogramme der Opposition. Besonders die Linken gebär­den sich als Schwarzseher: Wörter wie „Armut“ oder „Schuldenlast“ tau­chen auf der Oppositionsbank häu­fi­ger auf. Anders die SPD. „Ihr Programm klingt sogar noch posi­ti­ver als das der FDP“, resü­mie­ren die Wissenschaftler. „Im Themenbereich Bildung und Forschung ent­fal­len bei den Sozialdemokraten auf jede nega­ti­ve Aussage 19,4 posi­ti­ve Aussagen.“ Mit 20,5 posi­ti­ven Aussagen pro nega­ti­ve Aussage liegt nur die CDU knapp dar­über.

Schwerpunkte der Programme

Die Schwerpunkte der ein­zel­nen Programme las­sen sich auch aus den am häu­figs­ten gewähl­ten Wörtern able­sen: „Frauen“ und „Kinder“ sind dem­nach den Linken ein gro­ßes Anliegen, wäh­rend die Piraten pau­schal von „Bürgern“ reden. Bei der SPD domi­nie­ren die Verben „stär­ken“, „unter­stüt­zen“, „ein­set­zen“, bei den Piraten hin­ge­gen „set­zen“, „sol­len“, „for­dern“ und „müs­sen“.

Daneben erwäh­nen sich man­che Parteien gern selbst. Unangefochtener Meister in die­ser Disziplin sind die Linken. SPD und Grüne ver­zich­ten dar­auf hin­ge­gen weit­ge­hend.

einfache Sprache

Die FDP zieht mit dem unver­ständ­lichs­ten Wahlprogramm in den Wahlkampf: „Ihre Texte sind kaum ver­ständ­li­cher als die meis­ten poli­tik­wis­sen­schaft­li­chen Doktorarbeiten“, urteilt Kercher, der vor kur­zem sei­ne eige­ne Doktorarbeit zum Thema „Verständlichkeit von Politikern“ abschloss. „Damit ist es für den Großteil der Bevölkerung kaum les­bar.“ Auch CDU und Piraten kön­nen nicht unbe­dingt mit Verständlichkeit punk­ten. Ganz anders die Linkspartei: Sie belegt vor SPD und Grünen den ers­ten Platz in die­ser Disziplin.

Deutlich ver­ständ­li­cher als das aus­führ­li­che Wahlprogramm sind bei den meis­ten Parteien die Kurzfassungen. Nur die SPD kann mit ihrem kur­zen „Sofort-Programm“ nicht punk­ten. Weit abge­schla­gen lan­det es auf dem letz­ten Platz. Kercher reicht ein Trostpflaster: „Sie hat mit Abstand am meis­ten Mühe in ein anspre­chen­des Layout ihres Wahlprogramms inves­tiert.“

 

Die aus­führ­li­chen Analysen (Langfassung, Kurzfassung) sind für Leser, die sich haupt­be­ruf­lich mit dem Schreiben von Texten befas­sen, eine sehr inter­es­san­te Lektüre. Dabei habe ich mich weni­ger mit der Frage beschäf­tigt, ob jetzt die eine Partei wähl­ba­rer sei als die ande­re oder ob in die Kritik an der Sprache eine Grundaufstellung der jewei­li­gen Partei hin­ein zu inter­pre­tier­bar sei. Nein, ich habe mir, ganz heim­lich natür­lich, vor­ge­nom­men, mei­nen eige­nen Stil mal zu hin­ter­fra­gen.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

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