Es ist angerichtet - Landesblogger kommentieren die Ergebnisse der Landtagswahl

Von | 7. Mai 2012

Die Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 6. Mai ist gewe­sen. Was sagen Autoren des Landesblogs zum Wahlergebnis (sofern sie ges­tern Abend nicht mit ande­ren Dingen beschäf­tigt waren)? Die Beiträge in der Reihe ihrer Entstehung, man­che weit vor dem vor­läu­fi­gen amt­li­chen Endergebnis geschrie­ben:

Volker Thomas:
Staunen und Verwunderung: Nach Aussagen aller Parteien und der Wahlkämpfer war Bildungspolitik das wich­tigs­te Thema des Parteienwettstreits. Wie ist es da mög­lich, dass eine Partei, die in der Schulpolitik in den letz­ten Jahren Stillstand und Rückschritt zu ver­ant­wor­ten hat, trotz­dem so vie­le Stimmen erhal­ten und alle Prognosen klar hin­ter sich gelas­sen hat. Offenkundig ist es der FDP gelun­gen, durch ande­re Themen und Köpfe hier­von abzu­len­ken, das Kubicki-Profil ist phä­no­me­nal. Dagegen ist es der SPD nicht gelun­gen, allein durch ein sym­pa­thi­sches Profil  hin­rei­chend Wählerinnen und Wähler zu mobi­li­sie­ren. Als tra­di­tio­nel­le „Programm-Partei“ fehl­te es auf der einen Seite an Inhalten, die Leidenschaften ent­fa­chen könn­ten, auf der ande­ren Seite ist die SPD unver­än­dert gebeu­telt von Agenda-Politik und Dominanz der alten Herren in Berlin. Allein die Grünen kom­men deut­lich gestärkt aus der Wahl her­aus. Nur eine gro­ße Koalition, die eigent­lich nie­mand will, könn­te ohne sie aus­kom­men, alle ande­ren Konstellationen sind auf sie ange­wie­sen. In Anbetracht der viel­fäl­ti­gen mög­li­chen Koalitionen bleibt Landespolitik span­nend. Eine kla­re Perspektive hat die Wahl nicht erbracht. Umso mehr wird es in den kom­men­den Wochen auf Diplomatie und Verhandlungsgeschick ankom­men.

Sebastian Maas:
Schleswig-Holstein sucht den Superwahlsieger und alle sind ver­wirrt: Machen es jetzt die Grünen in Jamaika oder gibt‘s doch die Dänenampel mit the­ma­ti­scher Piraten-Toleranz? Oder bekom­men wir am Ende doch nur wie­der eine gro­ße Koalition (was sich kei­ner wünscht — tut es nicht, Torsten und Jost!!)?

Die Kleinen sind für mich bei die­ser Wahl die Großen, in die­ser Legislaturperiode wer­den alle gespannt auf grün, gelb und oran­ge schau­en.

Ich per­sön­lich freue mich über einen strah­len­den Kubicki, einen fei­xen­den Habeck und einen nicht ganz so über­rasch­ten Torge Schmidt; an alle drei hier mein Appell:

Eure tol­len Wahlergebnisse ent­stam­men dem Wunsch vie­ler Bürger nach mehr Freiheit, Ehrlichkeit und Transparenz — also hal­tet euch an eure Linie! Setzt euch zusam­men und erhal­tet gemein­sam unse­re Umwelt, Wirtschaft und das Internet: Ihr schafft das. :P

Oliver Fink:
Wieder ein­mal haben sich die Umfrageinstitute nicht mit Ruhm bekle­ckert: CDU vor SPD, Linke deut­lich und nicht knapp raus, FDP über­haupt und dann deut­lich und nicht knapp drin – auf Augenhöhe mit den Piraten. Mögliche Regierungskoalitionen sind durch die Absage Habecks an Jamaika (CDU, Grüne, FDP) sowie Kubickis an die Ampel (SPD, Grüne, FDP) bei Beteiligung Ralf Stegners stark ein­ge­schränkt. Albig scheint die Dänen-Ampel (SPD, Grüne, SSW) auch mit knap­per Mehrheit ris­kie­ren zu wol­len – trotz schlech­ter Erfahrungen 2005. Aber auch der SSW geht mit sei­ner erst­ma­lig so kla­ren Positionierung im poli­ti­schen Spektrum auf der lin­ken Seite ein gro­ßes Risiko ein. Sollte die Dänen-Ampel nicht gelin­gen, wird Schleswig-Holstein wohl wie­der von einer so genann­ten „Großen Koalition” regiert wer­den. Ob die­se Landtagsperiode dann über die vol­le Distanz geht, darf mit Spannung und eini­ger Skepsis beob­ach­tet wer­den.

Dr. Knud Andresen:
SPD und Grünen ist es nicht gelun­gen, die Wechselstimmung in eine deut­li­che Mehrheit umzu­set­zen. Dennoch haben sich CDU und FDP mit Ihrer Politik der letz­ten Jahre so iso­liert, dass es eine Koalition um das Gravitationszentrum SPD geben wird: tech­ni­scher K.O. für die alte Regierung.

Dr. Ulf Kämpfer:
Wenn der Nebel des Wahlabends sich lich­tet, lie­gen die Dinge doch recht klar auf der Hand: SPD, Grüne und SSW wer­den über eine Schleswig-Holstein-Ampel ver­han­deln, ver­mut­lich mit Erfolg. Bei der Ministerpräsidentenwahl wer­den alle die Luft anhal­ten, aber spä­tes­tens im drit­ten Wahlgang klappt es, weil die Piraten woh­ler eher nicht geschlos­sen für de Jager stim­men wer­den.

Der Nachwahlkater wird bei der CDU am größ­ten sein: Mutmaßlicher Regierungsverlust, die drei Spitzenkandidaten de Jager, Geerdts und Herold nicht mehr im Parlament, und es gibt eine ver­fas­sungs­än­dern­de Mehrheit jen­seits der CDU. Das Parlament ist klei­ner, bun­ter, unbe­re­chen­ba­rer. Spannende Zeiten.

Malte Steckmeister:
Die Umfragen haben ihren Prognosespielraum in jeder Hinsicht aus­ge­nutzt. Kubicki hat es ver­mocht, im Alleingang eine dar­nie­der­le­gen­de FDP auf­er­ste­hen zu las­sen und ver­ges­sen zu machen, daß die­se rech­ne­risch der stärks­te Wahlverlierer ist. Die CDU wird aus ihrem knap­pen ers­ten Platz wenig machen kön­nen, zumal es nicht ein­mal für den Einzug des Spitzenkandidaten in den Landtag gereicht hat. Die sog. Dänenampel hat eine Mehrheit, die zwar nur sehr knapp ist, wie beim letz­ten Versuch des Dreierbündnisses — aber eben auch so groß wie die der bis­he­ri­gen Regierung. Diese wird nicht nur des­halb bequem regie­ren kön­nen wird, weil alle drei Partner das vor­her auch so anvi­siert haben, son­dern weil die Piraten, deren Einzug nie­man­den mehr vom Hocker gehau­en hat, für ihren offe­nen und prag­ma­ti­schen Ansatz ohne kla­ren Fraktionszwang bekannt sind. Das Ausscheiden der Linken war sowohl ange­sichts ihrer popu­lis­ti­schen Performance wie auch hin­sicht­lich des Wünsch-Dir-Was-Freibier-Für-Alle-Wahlkampfes ver­dient und gut für die Demokratie. Weniger gut hin­ge­gen Wahlbeteiligung: Hier muß man hof­fen, daß (viel­leicht ange­spornt und ange­sto­ßen durch die Piraten) die Politik an sich arbei­tet aber auch Bürger und Medien sich in der gemein­sa­men Verantwortung füh­len.

Swen Wacker:
Die Wähler wol­len einen Wechsel. Es ist nicht ihre Aufgabe, es den Partien dabei leicht zu machen. „Namibia“, so scheint es, wird den Ministerpräsidenten stel­len. Die drei wer­den es sich nicht neh­men las­sen, die Chance einer vor­über­ge­hend kopf­lo­sen CDU-Opposition aus­zu­nut­zen. Einstimmen-Mehrheiten sind mach­bar, das haben CDU und FDP bewie­sen.

Sie wer­den Großes im Lande orga­ni­sie­ren müs­sen: Die umzu­set­zen­de Energiewende, die not­lei­den­de Bildungspolitik, die über­fäl­li­ge Reform der kom­mu­na­len Verwaltungsstrukturen, die am Horizont erkenn­ba­ren Folgen der Demographie. Auf Bundesebene steht die Reform der Länderfinanzierung bevor. All das ver­langt Mut und Weitsicht. Und es ist zugleich der Grund, war­um eine gro­ße Koalition nicht kom­men darf: Sie wäre aller Voraussicht nach nicht „stark“ son­dern „starr“. Und Stillstand kann sich das Land nicht leis­ten.

Die Linke ist nicht an ihren Themen son­dern an holz­schnitt­ar­ti­ger Biederkeit und feh­len­dem Charisma geschei­tert. Dort wird man nun Tacheles reden müs­sen.

Die Piraten haben jetzt 5 Jahre Zeit, lan­des­po­li­ti­sche Kompetenz zu ent­wi­ckeln. Zugleich müs­sen sie die Rathäuser und Gemeindevertretungen erobern, wenn sie sich eta­blie­ren wol­len.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

3 Gedanken zu “Es ist angerichtet - Landesblogger kommentieren die Ergebnisse der Landtagswahl”:

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  2. Ruediger KohlsRuediger Kohls

    Als Nachzügler nach einer lan­gen Nacht gebe ich an die­ser Stelle auch noch ger­ne mei­nen Kommentar zur Landtagswahl ab!

    Die Schleswig-Holsteiner haben gewählt was sie wol­len: 60% eine Partei, der Rest ent­schied sich für das Echo der Entscheidungslosigkeit und damit die Ausübung ihrer nega­ti­ven Wahlfreiheit zur Nichtpartizipation.

    Eine ernst­ge­mein­te Gratulation an Grüne und Piraten —  aber auch an mei­ne FDP, die es mit Wolfgang Kubicki geschafft hat, mehr als nur 2% der Wählerinnen und Wähler von sich zu über­zeu­gen und damit alle die­je­ni­gen Lügen straft, die durch Wort und Tat in den letz­ten Monaten den Eindruck nicht ver­heh­len moch­ten, die Liberalen als staats- und men­schen­feind­lich — ja sagen wir es offen — unwer­tes poli­ti­sches Leben ganz offen zu miss- und ver­ach­ten. Das die poli­ti­sche Kultur in die­sem Land durch die­se Menschen noch nicht gänz­lich bank­rott gegan­gen ist, haben mir weit mehr als die 100.000 Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner bewie­sen, die das Kreuzchen bei der FDP gemacht haben, und dafür bin ich dank­bar.

    Wer sich am Wahlabend und am Tag danach trotz eines Stimmenanteils von nur 30% als Wahlsieger fei­ern läßt, obwohl man auf den mit mehr oder weni­ger behaar­tem Schädel ver­zier­ten (wohl­ge­merkt auf­ge­stell­ten) Wahlplakaten von Nordsee- zur Ostseeküste gehen könn­te, ohne jemals den Boden des „Lieblingslandes” zu berüh­ren, das man als „Mensch, Macher, Ministerpräsident” regie­ren will, muss sich aller­dings fra­gen las­sen, ob man mit der­art ver­zerr­tem Realitätssinn ein Fahrzeug bedie­nen, geschwei­ge denn ein Land regie­ren kön­nen soll­te.

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