Der Präsident des Landesrechnungshofs, Dr. Aloys Altmann, hat am Freitag (11. Mai 2011) seine jährlichen Bemerkungen vorgestellt, in denen der Landesrechnungshof zu finanziellen Situation des Landes und zu der Frage, ob das Land sparsam und wirtschaftlich mit unseren Steuergeldern umgeht, Stellung nimmt. Er findet, wenig überraschend: „Oberstes Gebot von Landtag und Landesregierung muss die Sanierung des Haushalts sein. Dies ist und bleibt die wichtigste Aufgabe der Politik in Schleswig-Holstein. Die neue Landesregierung muss vielmehr zusätzliche Sparmaßnahmen ergreifen, um den weiteren Defizitabbau ab 2013 sicherzustellen.“
Altmann, der demnächst in den Ruhestand geht, lobte die alte Landesregierung – Das Ziel, das strukturelle Defizit 2011 um 10 % zu reduzieren, wurde erreicht – und gibt der neuen mit auf den Weg, dass die gute konjunkturelle Lage nicht darüber hinwegtäuschen dürfe, dass das Land immer noch tief in den roten Zahlen stecke: Das strukturelle Defizit lag Ende 2011 immer noch bei 963 Mio. €; die Schulden des Landes werden bis 2020 – dann greift das Neuverschuldungsverbot – voraussichtlich noch auf 31 Mrd. € anwachsen.
Der größte Brocken sind die Personalausgaben: jährlich 3,3 Mrd. €. Die Vorschläge des Landesrechnungshof sind eigentlich banal, aber in der Praxis noch nie umgesetzt worden: Der Stellenabbau bis 2020 um mehr als 5.300 Stellen (das entspricht einem jährlichen Gegenwert von 267 Millionen €) setzt voraus, dass Parlament und Regierung festlegen, welche Kern- und Zukunftsaufgaben das Land künftig erfüllen soll — und welche Aufgaben wegfallen.
Besonders hervorgehoben haben die Prüfer in diesem Jahr Bildungsthemen.
Der Unterrichtsausfall an öffentlichen Gymnasien ist ihrer Meinung nach unverändert hoch. An den Gymnasien Schleswig-Holsteins lag die Ausfallquote im Schuljahr 2009/10 bei 9,66 Prozent. Das Bildungsministerium rechnet anders — und gelangt zu einer Ausfallquote von 2,85 Prozent. Aus Sicht des LRH besonders ärgerlich: Ein erheblicher Teil des Unterrichtsausfalls werde durch vorhersehbare Ereignisse wie Zeugnisausgaben, mündliche Abitur oder Lehrerfortbildungen verursacht. Die Prüfer warnen vor alten Holzwegen. „Keinesfalls sollte dem Unterrichtsausfall mit neuen Stellen begegnet werden. Ein solches Verfahren hat in den vergangenen Jahren zu keinen messbaren Erfolgen geführt.“
Das Klugsche Gymnasium 2012 (G8 und/oder G9) wird (allein) aus der finanziellen Warte betrachtet und schafft die Versetzung nicht: „Die Wiedereinführung von G9-Bildungsgängen an Gymnasien verursacht zusätzliche Kosten. Um ein Mindestmaß an Wirtschaftlichkeit zu bewahren, dürfen keine parallelen G8- und G9-Bildungsgänge mehr genehmigt werden.“
Die Hochschulen hingegen werden den Bericht, jedenfalls in Teilen, voller Freude zitieren: „Die schleswig-holsteinischen Hochschulen sind unterfinanziert. Je nach Berechnung benötigen sie zwischen 16 und 32 Millionen Euro zusätzlich für den laufenden Betrieb. Gleichzeitig steigen die Anforderungen in Forschung und Lehre. Hierzu bedarf es eines strategischen Hochschulkonzepts des Landes.“
Nicht jede Steigerungsrate muss dazu führen, dass der LRH Kürzungen anmahnt. Die Ausgaben der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung etwa stiegen von 1999 bis 2010 von 345 Millionen Euro auf 569 Millionen Euro. Mit solchen Steigerungsraten ist die Eingliederungshilfe nach Auffassung des Landesrechnungshofs nicht mehr finanzierbar. Er prognostiziert einen Anstieg bis 2020 auf 815 Millionen Euro. Auch für die Rechnungsprüfer stehen Mittelkürzungen aber nicht zur Debatte. Der Landesrechnungshof schlägt, sehr eigennützig, entsprechende Prüfungsrechte für sich vor. Die hat er, was kein Einzelfall ist, nämlich augenblicklich nicht. Seiner Meinung nach könnte Prüfungsrechte und die damit zur Verfügung stehende „Waffe“ der Veröffentlichung für mehr Transparenz sorgen.
Wer glaubt, dass der LRH das gern kritisierte „Beauftragtenunwesen“ pauschal übernimmt, der täuscht sich. Auch die Finanzwächter schlagen mal einen vor. Die IT-Organisation des Landes ist ihrer Meinung nach nicht (mehr) zeitgemäß. Abhilfe könnte unter anderem ein Beauftragter für die Landes-IT, der die IT-Strategie des Landes verantwortet, schaffen.
Ambivalent für die Finanzen des Landes ist auch seine Forderung, die steuerlichen Privilegien für Betriebe der öffentlichen Hand zu überprüfen. Aus Sicht des LRH muss der Staat, wenn er wie ein privater Unternehmer handelt, auch in gleicher Weise besteuert werden. Das ist sicher gerecht, führt natürlich aber auch zu Mehrausgaben.
Der gesamt Bericht und die Presseerklärung dazu liegen hier bereit.
Nachfolgerdiskussion beginnt
Natürlich schossen auf den Fluren gleich die Gerüchte ins Kraut, wer wohl Altmanns Nachfolger werde könne: Der Inhaber werde traditionell von der parlamentarischen Opposition vorgeschlagen: Und wenn das zum Beispiel der Abgeordnete Rainer Wiegard wäre, ein ausgewiesen erfolgreicher Finanzpolitiker mit starken Drang zur Konsolidierung der Landesfinanzen, dann rücke ja Jost de Jager ehrenvoll in den Landtag nach …
Dazu ein paar Sachinformationen.
Die Präsidenten des LRH werden augenscheinlich nicht traditionell von der Opposition gestellt.
Die Verstrickungen des Dr. Karl Marbach (1953 bis 1974 Präsident des LRH) lassen in mir Zweifel aufkommen, dass er der SPD angehört haben könnte oder nahe stand. Dr. Reinhold Borzikowsky, von 1974 bis 1978 Präsident des LRH, war zuvor Landrat im Kreis Nordfriesland und dann Staatssekretär in den Kabinetten der Ministerpräsidenten Dr. Lemke und Dr. Stoltenberg. Sein Nachfolger Dr. Wolfgang Böning (1978 bis 1989), zunächst Richter im Landesdienst, gehörte von 1970 bis 1978 als Staatssekretär CDU-geführten Landesregierungen an. Auch solche Vita legen SPD-Nähe nicht nahe. Dr. Gernot Korthals (1991 bis 2003) war zuvor (auf Ticket der CDU) Landrat in Schleswig-Flensburg. Mit Dr. Aloys Altmann wurde 2004 ein Sozialdemokrat Präsident des LRH. Lediglich Herr Dr. Korthals (unter der SPD-Allein-Regierung) und Herr Dr. Altmann (zur Zeit der großen Koalition unter MP Carstensen) wichen von der Regel ab.
Der Präsident des Landesrechnungshofs war noch nie zuvor Minister.
Hält man sich die Lebensläufe seiner Vorgänger – die von mir nicht genannten Lebensläufe von Alfred Rausch (1947 – 48, zuvor immer Beamter) und Dr. Heinrich Clasen (1951 bis 1952, zuvor Bürgermeister in Husum und Landrat in Nordfriesland) bestätigen dies – vor Augen, dann kommt man unweigerlich zu dem Schluss, Herr Wiegard wäre überqualifiziert.
Und schließlich liegt es nicht nahe, dass eine neue Regierung es durch eigenes Zutun Jost de Jager ermöglicht, in den Landtag zurückzukehren.
Deshalb wird man Kandidaten wohl nicht im Landtag suchen.
Bezeichnend, wie die ‚Interessenvertretung der Lehrkräfte in Schleswig-Holstein’ die Aussage des LRH unverfroren in einer Pressemitteilung auf Bildungsklick verdreht:
http://bildungsklick.de/pm/83662/unterrichtsqualitaet-beginnt-damit-dass-unterricht-ueberhaupt-erst-einmal-stattfindet/