Lieber Landtag,
wir haben im Landesblog nicht nur einmal unsere Freude darüber geäußert, dass viele Abgeordnete und andere politisch interessierte Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein das „web 2.0“ zur Kommunikation mit den Wählerinnen und Wählern und untereinander nutzen. Auf diese Art und Weise belegt ihr auch, dass Dienste wie Facebook nicht nur zum Austausch von Partybildern nützlich sind sondern auch zum politischen Austausch taugen. Na ja: Fast. Denn gleichzeitig habe ich auch dargelegt, warum ich Facebook für „broken by design“ halte. Es wäre halt schön, wenn die Entwicklung so verlaufen könnte, dass Facebook seine Monopolstellung verliert und wir Nutzer unsere Freiheit und Selbstbestimmtheit zurückgewönnen.
Das kann natürlich nur funktionieren, wenn es Alternativen zu Facebook gäbe, die die Funktionen, die Facebooks Erfolg ausmachen, ebenfalls anbieten und zugleich dessen Defizite nicht wiederholen. Für mich besonders wichtig ist die Abkehr vom „walled garden“, für andere sind bessere Privatsphäre-Möglichkeiten, keine Werbung, keine Spiele, keine Server in den USA oder andere Sachen wichtig.
Google+ hat diese Erwartungen nur teilweise erfüllt. Diaspora begann konzeptionell hoffnungsvoll, steckt aber offensichtlich seit Monaten in einer Krise, stagniert. Der Twitter-Klon identi.ca funktioniert, fristet aber ein Schattendasein.
Seit einiger Zeit gibt es aber einen weiteren Bewerber, den ich kurz vorstellen möchte, weil sich ein Blick lohnt: Friendica, ein soziales Netzwerk ähnlich Facebook.
Friendica ist ein dezentrales soziales Netzwerk, das von einer „Handvoll begeisterter Entwickler, Programmierer und Serverbetreiber“ mit dem Ziel betrieben wird, die verschiedenen sozialen Netzwerke zu verbinden und den Menschen zu ermöglichen „im Internet unabhängig und souverän zu kommunizieren.“
Konten, die man bei Facebook, Twitter, identi.ca, Diaspora oder anderen besitzt, können integriert werden. (Ja, richtig gelesen: man muss dort nicht weggehen). In die andere Richtung kann man von dort aus auf viele andere soziale Netzwerke, aber auch auf seinem WordPress-Blog, bei Tumblr, Posterous und in anderen Diensten veröffentlichen.
Friendica kommt mit so ziemlich jeder Eigenschaft, die Techies, Entwickler oder Datenschützer und andere kritische oder unabhängige Geister begeistert: Privatsphäre wird großgeschrieben. Das Netz ist dezentral angelegt. Die Software ist open source. Es gibt keine Firma, die das Projekt initiiert hat oder trägt.
Und dennoch soll das Ganze nicht kompliziert sein. Man stellt selbstbewusst im deutschsprachigen Blog die Frage. „Was wäre, wenn soziale Netzwerke so einfach wie Email funktionieren würden?“
Je nach eigenem Zutrauen oder Interesse soll jeder seinen eigenen Server betreiben können oder – für viele unter uns sicher die lebensnähere Variante – auf privat betriebene öffentliche Server zugreifen können.
Ich habe, selbst technisch interessiert, aber nicht im Ansatz technisch begabt oder bewandert, einen Server für mich aufgesetzt und bin angenehm überrascht, wie schnell das Projekt Fortschritte macht. Und wie erstaunlich stabil die Software läuft. Sie scheint das Landesblog, das auf dem gleichen Rechner läuft (nichts Tolles übrigens, das Ganze ist ein Standardprodukt) nicht zu stören.
Das Projekt zeigt, dass es (bald) möglich sein kann, sein soziales Wohnzimmer oder Büro im eigenen Haus zu beziehen, ohne den Kontakt zu seinen Freunden bei Facebook zu verlieren.
Friendica ist augenblicklich noch fast völlig unbekannt. Aus der Kieler „Szene“ sind die üblichen experimentierfreudigen Verdächtigen schon da (Tim Schlotfeldt, der mich auf Friendica aufmerksam machte, Steffen Voss, Sven Thomsen, Henry Krasemann, Oliver Fink). Aber von einer lebendigen Szene kann man augenblicklich nicht sprechen.
Das muss man ändern. Der Verein mit dem sperrigen Namen FoeBud hat eine Initiative mit einem sperrigen Namen gestartet, die dafür sorgen möchte, dass Projekte wie Friendica eine kritische Masse erreichen: Socialswarm – schade, dass solche Projekte keinen Namen bekommen können, den auch nicht so netzaffine Menschen instinktiv verstehen können. Das Projekt will Nutzerinnen und Nutzer, Coderinnen und Coder und die Projekte zusammenführen.
Spannender fände ich ja ein Projekt, in dem wir einfach mal zeigen, dass es geht. Warum sollte nicht der Landtag Schleswig-Holstein seinen Abgeordneten einen Friendica-Server zur Verfügung stellen? Der Landtag hat gute IT-Leute. Das ULD sollte das eigentlich auch toll finden können und unterstützen. Viel Geld sollte das nicht kosten. Und das Land würde ein gutes Zeichen setzen: Für eine Idee – nicht gegen einen Anbieter.
Hallo Swen, schöne Idee.
Ich bin nicht so technikafin, aber Nutzer der sozialen Netzwerke und arbeite im Marketing der Hamburger Volkshochschule. Gleichzeitig bin ich ein Moderator einer Xing-VHS-Marketing-Gruppe mit 250 Mitgliedern aus dem deutschsprachigen Raum.
Bevor nun jeder über Links den Weg der eigenen Entdeckung geht, könnte doch ein Webinar gute Aufklärungsarbeit leisten. Ich könnte es dann entsprechend promoten. Und wenn es etwas taugt, dann könnten VHS´sen hierzu sicher einen Beitrag zur Verbreitung beisteuern.
Was meinst Du?
Gruß Joachim
Das ist eine gute Idee, wobei ich mich nicht als sonderlich guter Friendica-Kenner bezeichnen möchte. Tim Schlotfeldt ist da sicher besser geeignet. (Ich informiere ihn mal, falls er hier — aus guten privaten Gründen — momentan nicht mitliest.
Moin!
Ich bin Admin zweier Friendica-Server und entwickle auch am System mit. Ggf. könnten wir uns austauschen?
Meine Friendica-Server heißen pirati.ca und piratica.eu
Michael
Du kannst Dich gern mit mir auf Friendica verbinden: Swen@friendica.landesblog.de
Ich finde den Vorschlag Super und werde innerhalb meiner Fraktion Anregen den Vorschlag zu unterstützen.
Gruß,
Sven Krumbeck
Moin Swen!
Ulli hatte die SH:IT schon mal wegen Friendica kontakiert.
Ich leiste auch gerne Support, ich lese SH:IT mit.
Michael
Ähh, wer ist Ulli und was ist SH:IT?
Moin Sven,
kleine Erklärung:
Uli = Uli König,MdL,Piratenfration SH
SH:IT = Piraten-IT in SH
„..lese SH:IT mit” = es wurde Mailingliste der Piraten-IT SH abonniert und damit können die dort verschickten Mails mitgelesen werden.
hoffe konnte etwas aufklären ;)
Gruss
Bastian
Helfer SH:IT
Es gibt wahrscheinlich nicht viel mehr als 50 Leute in der SH, die mit diesen Kürzeln was anfangen können. Bei durchschnittlich mehr als 1.000 Lesern je Artikel ist es deshalb in meinen Augen taktisch sinnvoller, die erdrückende Mehrheit der Unwissenden :-) bei der Formulierung mitzubedenken ;-)
hättet ihr das nicht besser IT:SH abgekürzt?
Ich denke, dass im SH:IT ziemlich viel Selbstironie steckt. :) Die Hessen kürzen ihre Landesparteitage auch nicht mit LPT ab — was normal wäre — sondern mit HELP (HEssischer LandesParteitag)
@Swen: Sorry für die Abkürzungen, da ging es ein wenig mit mir durch. :)
ich hab mir das ganze schon mal angesehen aber mal abgesehen das nix richtig funktioniert hat (was vll am falschen server lag oder heute auch schon anders sein kann) im grunde beschickt man von friendica seine sozialen netzwerke…also diaspora,fb,twitter etc. d.h. egal wie gut die privatssphäre bei friendica ist,egal ob diese daten auf meinem eigenen server liegen,sind sie erstmal bei fb und co hab ich genausowenig kontrolle darüber wie bisher auch.
melde ich mich dann noch auf einem server an und betreibe ihn nicht selber,dürfte das dort die umfangreichste datensammlung über mich im netz sein.
Friendica hat in den letzten Monaten einen extremen Fortschritt hinter sich.
Außerdem ist der Grundgedanke hinter Friendica, dass viele kleine Server entstehen, idealerweise betreiben ein paar Freunde zusammen einen Server. So muss man keinen fremden Leuten vertrauen.
Das wäre ein spannendes Vorgehen, welches, wenn es denn alles funktioniert, sicherlich von vielen VHS´sen unterstützt werden. Wir sind in Sachen Datenschutz alle sehr sensibel und würden unseren Kunden gerne gute Vorschläge für das eigene Vorgehen machen. Und vielleicht kann ja auch die Eine oder Andere VHS einen Server aufbauen. Auch ein Beitrag zur Kundenbindung! Höre gerne, wenn es im Webinar vorgestellt werden kann. Wir können hier evtl. einen Server einer VHS als Webinar-Anbieter bereitstellen.
Ich denke, dass nicht vergessen werden darf, dass Friendica noch in den Kinderschuhen steckt. Für den „normalen” socialmedia-user ist dort im Augenblick noch „tote Hose” Eine Strategie, Friendica zu bewerben, müsste also längerfristig denken. Mein Verschlag an den Landtag ist dazu kein Widersprch — ich weiß ja, dass Verwaltungsmühlen langsam arbeiten :-)