Piraten wollen Landtag transparenter machen

Von | 3. Juni 2012

Die Piratenpartei hat ihre ers­te „tra­di­tio­nel­le“ par­la­men­ta­ri­sche Initiative vor­ge­legt, eine Änderung der Geschäftsordnung. Sie soll, so der Vorsitzende der Fraktion, Patrick Breyer, in einem Blogbeitrag, zu einer „Stärkung der Transparenz, der demo­kra­ti­schen Mitwirkungsrechte der Abgeordneten sowie der öffent­li­chen Kontrolle der Arbeit der Volksvertreter im Landtag“ füh­ren.

Die Initiative ver­dient Beachtung, berührt sie doch eini­ge Fragestellungen, in der sich der ande­re Zugang der Piratenpartei zu Kontrolle, Öffentlichkeit und Teilhabe fest­ma­chen könn­te. Zudem steht nicht zu erwar­ten, dass der Koalitionsvertrag sich im Detail mit der Weiterentwicklung des Parlamentarismus beschäf­tigt. Gerade der Beginn einer Legislaturperiode ist aber ein guter Zeitpunkt, Rituale zu hin­ter­fra­gen.

Die Fraktionen im Kieler Landtag täten gut dar­an, die Initiative der Piraten auf­zu­neh­men und in einen öffent­li­chen Diskurs zu über­füh­ren. Angesichts der nied­ri­gen Wahlbeteiligung und der im Wesentlichen im Sande ver­lau­fe­nen Initiative der jun­gen Parlamentarier aus der letz­ten Wahlperiode (Parlamentarismus im Wandel), die wir hier im Landesblog kri­tisch dis­ku­tiert haben, besteht erkenn­bar Handlungsbedarf. Eine unauf­ge­reg­te Debatte mit fun­dier­ten Ergebnissen könn­te den Parlamentarismus bele­ben. Um brei­te Bevölkerungsschichten zu errei­chen, müs­sen aber nicht nur inter­ne Rituale son­dern auch die Themen und ihre Vermittlung hin­ter­fragt wer­den. Deshalb soll­te die Diskussion brei­ter ange­legt wer­den.

Zu den von Patrick Breyer for­mu­lier­ten „Highlights“ ein paar Anmerkungen:

(Ausschuss)Sitzungen sol­len live über das Internet über­tra­gen wer­den und auch spä­ter abruf­bar sein.

Dies ist eine Forderung, die schon län­ger dis­ku­tiert wird, es aber, zum Beispiel, lei­der nicht in das Papier „Parlamentarismus im Wandel“ geschafft hat. Ich sehe zwei Gründe, war­um die Forderung gut ist. Im Ergebnis ist sie aber nicht aus­rei­chend:

Ein Grund ist sehr prag­ma­tisch und für den öffent­li­chen Diskurs sicher weni­ger wich­tig: Aus Sicht der Mitarbeiter der Verwaltung ist es unge­mein prak­tisch, wenn man eine Diskussion „live“ ver­fol­gen kann, ohne vor Ort zu sein. Das kann zu einem aktu­el­le­ren, schnel­le­ren, authen­ti­sche­ren und höhe­ren Wissenstransfer inner­halb der Verwaltung füh­ren, da die Niederschrift häu­fig sei­ne Zeit braucht, bis es vor­liegt.

Der ande­re Grund schaut aus Bürgersicht auf das Thema: Nicht jeder inter­es­sier­te Bürger kann sich frei neh­men, um eine Debatte „vor Ort“ zu ver­fol­gen oder ist aus ande­ren Gründen ver­hin­dert. Da mag es sein, dass ein Livestream bzw. eine Archivfunktion mehr Interesse ermög­li­chen. Wir soll­ten aber nicht davon aus­ge­hen, dass das ein Allheilmittel sei. Wir dür­fen näm­lich nicht ver­ken­nen, dass es nicht mit jedem Tagesablauf ver­ein­bar ist, sich drei­stün­di­ge Sitzungen mit jeder Verästelung anzu­hö­ren – egal ob man sich die Debatte tags­über, am Abend oder am Wochenende anschaut. Ich behaup­te mal eine stei­le Zahl: 95 Prozent der Themen in den Ausschüssen bewe­gen weni­ger als 5 Prozent der akti­ven Bevölkerung unmit­tel­bar. Auch wenn wir über die Gewichtung strei­ten kön­nen, die Richtung stimmt so unge­fähr. Das Problem sind nicht die „fal­schen“ Themen – sie sind im Föderalismus nun mal vor­ge­ge­ben und abge­grenzt. Wir müs­sen eher mit der „Unaufgeregtheit“ der Themen umge­hen und uns fra­gen, wie wir sie näher an die Betroffenen her­an­brin­gen. Auf den Landtagsseiten, etwa bei der Berichterstattung über das Plenum, wird schon sehr viel ange­bo­ten. Natürlich könn­te man das für die Ausschussarbeit noch ver­bes­sern — deren Arbeit wird aktu­ell noch recht stief­müt­ter­lich behan­delt. Eine „Rohfassung“ der Informationen allein wird aber wenig zur Verbreitung bei­tra­gen. Es wird wei­ter­hin ein brei­tes Bedürfnis geben (das wir ab und an auch erst mal wecken müs­sen), kom­pri­mier­te Zusammenfassungen zu erhal­ten.

Nicht jede Fachdiskussion ist für den inter­es­sier­ten Bürger ohne „Übersetzung“ nach­voll­zieh­bar. Fachpolitiker und Verwaltungsmitarbeiter wer­den in ihren Diskussionen nicht mit päd­ago­gi­schem Impetus „ver­ständ­lich“ berich­ten, son­dern set­zen in der Regel eine vor­han­de­ne fach­li­che Beschäftigung vor­aus. Es wird also auch wei­ter­hin eine Anforderung sein, Diskussionen und Argumente zu über­set­zen, zu bewer­ten, ein­zu­ord­nen. Erst dann kön­nen wir von einer auch inhalt­lich begrün­de­ten Transparenz spre­chen. Vorher ist Transparenz nur eine Hülle. 

Ausschussprotokolle sol­len nicht nur als Ergebnisprotokoll son­dern auch als Wortprotokoll vor­lie­gen.

Faktisch wäre das eine Abschrift des vor­lie­gen­den Bild- oder Tondokumentes. Aktuell gibt es zwei Protokolle: Ein „Kurzbericht“, der eine Art Beschlussprotokoll ist, und eine Niederschrift, die die Sitzung aus­führ­lich, aber nicht wört­lich wie­der­gibt. Die Änderung will die Niederschrift durch ein Wortprotokoll erset­zen.

Die Verschriftlichung gespro­che­ner Worte ist in mei­nen Augen ein not­wen­di­ger Akt, um es „jedem“ zu ermög­li­chen, den Verlauf und die Ergebnisse einer Diskussion auch im Nachhinein nach­voll­zie­hen zu kön­nen. Wortprotokolle sind als „Original“ wich­tig, um Streitpunkte klä­ren zu kön­nen. Ob es aber not­wen­dig ist, jede Ton- bzw. Bildquelle noch mal abzu­schrei­ben? Eventuell mit einer mit­lau­fen­den An- und Abwesenheitsliste und eine Beschreibung non­ver­ba­ler Statements? Das kann man m.E. bezwei­feln. „Gute“ Protokolle – und ich hal­te die Landtagsstenographen für aus­ge­wie­sen gute ProtokollantInnen – soll­ten in der Regel aus­rei­chen. Ich habe einen seit Wochen unfer­ti­gen Artikel bei mir lie­gen, der sich mit der Frage von Protokollen beschäf­tigt. Ich neh­men das mal zum Anlass, ihn fer­tig­zu­schrei­ben.

Ein “Transparenzparagraf” sorgt dafür, dass künf­tig sämt­li­che Post an den Landtag bin­nen zwei Tagen ver­öf­fent­licht wird, bar­rie­re­frei und – soweit mög­lich – unter offe­ner Lizenz. Ausnahmen aus Datenschutzgründen sind vor­ge­se­hen.

Gut. Ich sehe aber noch Verbesserungsbedarf. Der neue Paragraf 73 a bestimmt zunächst, dass Drucksachen und Umdrucken ver­öf­fent­licht wer­den sol­len. Das ist in der Regel schon jetzt der Fall (§ 23 der GO). § 73 a fehlt jedoch der Adressat der „Vorgänge“. § 23 bestimmt den Präsidenten. An wen müs­sen die Dokumente zukünf­tig gerich­tet sein, damit sie ver­öf­fent­licht wer­den müs­sen? Der Präsident? Die Ausschussvorsitzenden? Wie gehen wir mit Petenten um, die sich an den Landtag wen­den? Wer ent­schei­det, ob es sich um eine pri­va­te Petition oder eine öffent­li­che Petition han­delt? Wie soll die Eingangspost der Behörde Landtag von der par­la­men­ta­ri­schen Institution Landtag unter­schie­den wer­den? Auch wür­de ich mir wün­schen, dass bestehen­de Probleme beho­ben wer­den: Zur Zeit sind zum Beispiel die „Unterrichtungen“ durch die Landesregierung durch die Bank nicht öffent­lich – was ich für über­trie­ben hal­te, weil sich zum Beispiel Entwürfe von Staatsverträgen in ande­ren Landtagsarchiven auf­fin­den las­sen. Dann gibt es „intern“ blei­ben­de Dokumente der Landtagsverwaltung, die es durch­aus ver­die­nen, öffent­lich zugäng­lich zu sein. Die dan­kens­wer­ter­wei­se von den Piraten ver­öf­fent­li­che Aufstellung der „erfor­der­li­chen Wahlen und Beschlüsse in der 18. Legislaturperiode“ zum Beispiel. Solche Dokumente fie­len wohl nicht unter den neu­en 73 a – was scha­de wäre, weil ihre Veröffentlichung schon allein aus staats­bür­ger­li­chen Gesichtspunkten gut ist. Oder das Stichwort Barrierefreiheit, das wir hier im Landesblog nicht nur ein­mal pro­ble­ma­ti­siert haben. Barrierefrei oder wenigs­tens Barrierearm müs­sen Drucksachen, Umdrucke etc. schon heu­te sein, ohne dass sich jemand dar­um schert. Bevor noch eine Aufforderung in noch eine Vorschrift rein­ge­malt wird, wird es mal Zeit, dass bestehen­de Verpflichtungen vom Landtag und der Landesregierung erfüllt wer­den. Mir fal­len in dem Zusammenhang ehr­lich gesagt kaum noch höf­li­che Worte ein, wenn ich an die Missstände den­ke.

Der Ältestenrat, der Unterausschuss für Unternehmensbeteiligungen des Landes und der Parlamentarische Einigungsausschuss sol­len nicht mehr geheim, son­dern in der Regel öffent­lich tagen.

Beim Ältestenrat fin­de ich das ver­tret­bar. Er ist ja von der Anlage her kein Beschlussorgan; der Landtagspräsident /​ die -prä­si­den­tin hat nur in weni­gen bestimm­ten Dingen das „Benehmen“ mit ihm her­zu­stel­len. Bis auf die Personalfragen müs­sen wohl alle Dinge (Ich mut­ma­ße. Wenn ich mich irre, wäre um einen Hinweis dank­bar) im Plenum öffent­lich beschlos­sen wer­den. Vertrauliches ist da kaum zu begrün­den. Ich wür­de von den Befürwortern der Vertraulichkeit gern mal ein Szenario sehen, in dem erklärt wird, war­um die Vertraulichkeit nütz­lich ist. Und für wen das denn nütz­lich ist.

Beim Unterausschuss für Unternehmensbeteiligungen bin ich mir bei der Öffentlichkeit nicht so sicher. Hier wer­den schon, habe ich mal gehört, Geschäftsgeheimnisse bespro­chen wer­den. Und wenn ein Unternehmen nach einer Bürgschaft fragt, dann kann es kon­tra­pro­duk­tiv sein, so etwas – beson­ders bei einer Ablehnung – öffent­lich wer­den zu las­sen. Will man das nicht hin­neh­men, dann soll­te man eher woan­ders anset­zen und die Notwendigkeit von Unternehmensbeteiligungen oder die Vergabe von Bürgschaften gene­rell kri­tisch hin­ter­fra­gen. Solange es die­se Möglichkeiten aber gibt, ist die Folge „nicht öffent­lich“ m.E. auch sys­tem­im­ma­nent.

Eine Öffentlichkeit des Parlamentarischen Einigungsausschusses schließ­lich wäre ein Widerspruch in sich. Der Ausschuss soll nach der Landesverfassung Streitfälle klä­ren, wenn die Landesregierung die Beantwortung von Fragen, die Erteilung von Auskünften oder die Vorlage von Akten ablehnt. Die Ablehnung ist auf Antrag vor dem Parlamentarischen Einigungsausschuss zu begrün­den. Würde man die Debatte prin­zi­pi­ell öffent­lich gestal­ten, gäbe es kei­nen Ermessensspielraum mehr, die Auskunft müss­te erteilt wer­den. Es geht ja nicht nur um Staatschutzfragen son­dern auch um Datenschutzfragen, die Personen betref­fen kön­nen. Und ein Protokoll in der Art „Im Fall „schwar­zer Balken“ kommt der Ausschuss nach Anhörung der Gründe zu dem Schluss, dass die Veröffentlichung aus den Gründen „schwar­zer Balken“ zu Recht wider­spro­chen wur­de“ ist nicht wirk­lich trans­pa­rent. 

Die Einstufung von Dokumenten als geheim­zu­hal­ten­de „Verschlusssache” soll künf­tig im Regelfall auf 10 Jahre befris­tet wer­den. Die Einstufung als „NUR FÜR DEN DIENSTGEBRAUCH” ent­fällt nach 10 Jahren auto­ma­tisch und kann nicht ver­län­gert wer­den.

Das hört sich ver­nünf­tig an. Ob die zeit­li­che Befristung auch wegen daten­schutz­recht­li­cher Belange „nur“ 10 Jahre betra­gen muss, kann man viel­leicht dis­ku­tie­ren. Sollte man aber das Problem nicht mal ins­ge­samt ange­hen? Ab wann soll­te eine Landesregierung ihre Archive zu öff­nen? Ab wann öff­net der Landtag sei­ne Archive und ver­öf­fent­licht die Protokolle der stets nicht öffent­lich tagen­den Ausschüsse?

Durch die Zulassung von Zwischenbemerkungen wird die Debatte im Landtag leben­di­ger

Hier möch­te ich auf das oben schon erwähn­te Parlamentarismus-Papier hin­wei­sen. Das kann nicht die ein­zi­ge Maßnahme sein, die dem Landtag und dem Parlamentarismus gut tut. (Wobei nicht alles, was in dem Parlamentarismus-Papier steht, ver­nünf­tig ist. Dieser merk­wür­di­ge Twitter-Kodex etwa ist welt­fremd).

Persönlich hal­te ich von Zwischenbemerkungen (das soll wohl so etwas sein wie eine Zwischenfrage ohne Frage sein, z.B. der Bundestag kennt das Instrument) wenig. Sie ver­füh­ren viel­leicht eher dazu, die Rednerin/​den Redner zu pro­vo­zie­ren und aus dem Gleichgewicht zu brin­gen, das muss also kei­ne inhalt­li­che Belebung der Debattenkultur sein. Es hat nicht jeder das rhe­to­ri­sche Geschick zu solch einer Kurzintervention (wobei der Redebeitrag in mei­nen Augen eher, schon wegen der Länge, ein Dreiminutenbeitrag nach hie­si­ger Lesart war).

Das Thema freie Rede nimmt das Parlamentarismus-Papier übri­gens selbst nicht erst. Oder ist schon jeman­dem auf­ge­fal­len, dass zunächst die freie Rede gefor­dert wird und schließ­lich Reden zu Protokoll gege­ben wer­den kön­nen sol­len? Wie kann man eine frei gehal­te­ne Rede zu Protokoll geben? Bauen wir klei­ne Sprechkabinen, in die man sei­ne unge­hal­ten­de Rede rein­spricht?

Künftig sol­len nicht 18, son­dern nur noch vier Abgeordnete erfor­der­lich sein, um eine gehei­me Wahl, eine Sondersitzung des Landtags oder eine nament­li­che Abstimmung der Abgeordneten über einen Gesetzentwurf zu ver­lan­gen. Große Anfragen an die Landesregierung soll künf­tig jeder Abgeordnete allei­ne stel­len kön­nen.

Demokratietheoretisch leuch­tet mir das ein. Rein prak­tisch weiß ich nicht, ob uns das immer stets vor­an­brin­gen wür­de.

Der Landtag tagt in der Regel monat­lich, das ist wohl in der Regel häu­fig genug. Ich arg­men­tie­re nicht mit Geld und Mühe, die sol­che eine Sondersitzung kos­tet. Das sind kei­ne Argumente in einer Demokratie. Aber wel­ches für Schleswig-Holstein rele­van­te Thema hät­te nicht bis zur nächs­ten regu­lä­ren Sitzung Zeit?

Ein gerin­ge­res Quorum für eine nament­li­che Abstimmung (Mindestanzahl: Fraktionsstärke oder bes­ser noch: Prozent-Äquivalent) ist in der Tat aus­rei­chend.

Große Anfragen sind für mich ein sehr wert­vol­les Instrument zur Informationsgewinnung. Ich weiß aus eige­ner Erfahrung, dass in die Antwort der Landesregierung schon mal „Mann-Jahre“ inves­tiert wer­den. Um das Instrument nicht zu infla­tio­nie­ren, fän­de ich es gut, wenn gewis­se Schranken vor­han­den blei­ben. Da ich es für unde­mo­kra­tisch hal­ten wür­de, eine Antwort mit einem Preis zu ver­se­hen („Für die Antwort sind der Landesregierung Kosten in Höhe von xyz Euro und den Kommunen in Höhe von xyz Euro ent­stan­den“), hal­te ich ande­re Wege, die einer Verwässerung vor­beu­gen, für sinn­voll. Deshalb ist ein Mindestquorum für mich ver­tret­bar (Mindestanzahl: Fraktionsstärke oder bes­ser noch: Prozent-Äquivalent).

Wahlen sind aktu­ell (§ 63 Absatz 4) geheim, wenn nicht 18 Abgeordnete ande­res ver­lan­gen. Update 3.6., 20.44 Uhr: Siehe mei­ne Einlassungen zu dem Kommentar von Patrick Breyer. Ich habe den Paragraphen falsch ver­stan­den. Entgegen der Formulierung im Blog will die Initiative der Piraten die Anforderung (auf vier Abgeordnete) sen­ken. Ich hiel­te das für falsch. Das Wahlgeheimnis, dass den Bürgern Sorge und Furcht neh­men soll, dass sie wegen ihrer Stimmabgabe in bestimm­ter Richtung Vorwürfen und Nachteilen wel­cher Art immer aus­ge­setzt sein kön­nen (Zitat), gilt auch für Abgeordnete. Geheime Wahlen kön­nen Überraschendes offen­ba­ren. Gerade wir in Schleswig-Holstein wis­sen das nur zu gut. Peter Harry Carstensen sprach in sei­ner letz­ten Rede vor dem Kieler Landtag (für Korintherkacker: Es mel­de­te sich am letz­ten Sitzungstag noch ein­mal) von einer „respekt­lo­sen, anony­men Unanständigkeit“, von der er pro­fi­tier­te. Kann die Antwort sein, dass wir Wahlen öffent­li­cher, trans­pa­ren­ter gestal­ten, indem wir das Quorum sen­ken den Grundsatz der gehei­men Wahl so ein­fach ändern kön­nen, wie die Satz § 63 Absatz 4 Satz 3 es jetzt ermög­licht? Oder kaschie­ren wir damit im Endeffekt nicht das Problem, indem wir es nicht lösen son­dern ver­bie­ten? Ich glau­be, wir sol­len und wir müs­sen mit sol­chen Geheimnissen leben. Es kann kei­ne Transparenz ohne Vertrauen geben. Sie bedin­gen ein­an­der. In einer kom­plett trans­pa­ren­ten Welt gebe es kein Vertrauen mehr. Das kann nicht das Ziel sein. Den Mißbrauch von Vertrauen müs­sen wir  aus­hal­ten.

Vorlagen, wel­che die Entschädigung der Abgeordneten oder die Finanzierung der Fraktionen betref­fen, dür­fen nicht mehr im Schnellverfahren durch­ge­wun­ken wer­den. Eine Wartefrist von min­des­tens einer Woche gewähr­leis­tet, dass eine kri­ti­sche öffent­li­che Debatte statt­fin­den kann.

Sehr gut. Warum aber nur ein Woche? Ein Monat wäre bes­ser. So eilig kann das gar nicht sein.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

6 Gedanken zu “Piraten wollen Landtag transparenter machen”:

  1. Patrick Breyer

    Hallo Swen,

    dan­ke für dei­ne inter­es­san­ten Kommentare. Schade, dass du dich nicht schon in die Ausarbeitung ein­ge­bracht hast: http://www.patrick-breyer.de/?p=386

    Nur den kom­pli­zier­ten § 63 hast du falsch her­um ver­stan­den, schau noch mal rein. „Auf Vorschlag der Präsidentin oder des Präsidenten oder auf Antrag kann offen abge­stimmt wer­den, es sei denn, daß acht­zehn Abgeordnete wider­spre­chen.”

    Beste Grüße,
    Patrick

    Reply
    1. Swen Wacker

      Sorry, der Kommentar war im Spam-Filter gelan­det.

      Inhaltlich hast Du recht. Die Formulierung ist sowas von bekloppt, dass ich sie erst jetzt, beim drit­ten lesen, kapie­re. Satz 1 hat mei­ne Wahrnehmung geprägt, die Umkehr im Satz 3 war dann so über­ra­schend, dass ich drü­ber weg­ge­le­sen habe.
      Ich bin also ganz bei Euch, wenn nur vier Abgeordnete nötig sind. Systematisch wäre es m.E. sogar bes­ser, wenn der Satz 3 ent­fal­len wür­de. Ich erken­ne momen­tan kei­ne zwin­gend Notwendigkeit, davon über­haupt abwei­chen zu müs­sen.

      Reply
  2. Björn

    Vielen Dank für Analyse und Gedanken.
    Ich glau­be den Piratenvorschlag zu gehei­mer Wahl hast Du (bzw. die Piraten die aktu­el­le Situation) falsch ver­stan­den.
    Im Zitat, das Du ange­ge­ben hast, wol­len die Piraten, dass für eine gehei­me Abstimmung 4 Stimmen rei­chen sol­len (nicht für die Aufhebung der gehei­men Wahl). Ich schät­ze dass die Piraten dach­te (ich übri­gens bis zu Deinem Text auch), dass gehei­me Wahl bean­tragt wird und nicht umge­kehrt (prak­tisch wird oft gefragt, ob irgend­wer gehei­me Wahl for­dert).

    Reply
    1. Swen Wacker

      Danke.
      In der bis­he­ri­gen Geschäftsordnung steht in § 63 Absatz 3:
      „Bei Wahlen muß gehei­me Abstimmung statt­fin­den. Sie erfolgt durch Abgabe von Stimmzetteln. Auf Vorschlag der Präsidentin oder des Präsidenten oder auf Antrag kann offen abge­stimmt wer­den, es sei denn, daß acht­zehn Abgeordnete wider­spre­chen.”

      Der Regelfall ist also gehei­me Wahl.

      In dem Blogbeitrag der Piraten steht „Künftig sol­len nicht 18, son­dern nur noch vier Abgeordnete erfor­der­lich sein, um eine gehei­me Wahl(…) zu ver­lan­gen.” Das ist miß­ver­ständ­lich und sicher so nicht gemeint. Denn im dem Entwurf heißt es, dass in dem o.g. Paragraf das Wort acht­zehn durch „eine Fraktion oder vier” ersetzt wer­den soll. Damit wird die Hürde für den Regelfall gehei­me Wahl gesenkt. Das fin­de ich falsch.

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  3. Malte S.

    Guter Beitrag. Insbesondere die kur­ze Auseinandersetzung mit Wortprotokollen und der Aufzeichnung gefal­len mir. Aber eine Frage habe dann doch:

    „Es kann kei­ne Transparenz ohne Vertrauen geben. Sie bedin­gen ein­an­der. In einer kom­plett trans­pa­ren­ten Welt gebe es kein Vertrauen mehr.”
    Das Argument ist nicht neu. Trotzdem ver­ste­he ich bis heu­te nicht, war­um tota­le Transparenz Vertrauen ver­hin­dern soll­te. Könnten Sie das etwas aus­füh­ren?

    Mfg
    Malte S.

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