Worte, die keiner mehr braucht: kann im Ausschussbüro eingesehen werden

Von | 19. Juni 2012
Foto: Dietmar Meinert / pixelio.de

Foto: Dietmar Meinert / pixelio.de

Drei unter­schied­li­che Dinge ver­an­las­sen mich, noch ein­mal auf den Begriff „open data“ zurück­zu­kom­men.

Open data will Daten oder Informationen öffent­lich zugäng­lich und nutz­bar machen. Nun sind im par­la­men­ta­ri­schen Umfeld Schleswig-Holsteins Drucksachen, Umdrucke, Protokolle und ande­re „Papiere“ längst auch elek­tro­nisch (für die Öffentlichkeit) zugäng­lich. Triebfedern die­ser Entwicklung waren dabei wohl eher Effizienz- als Transparenzgesichtspunkte – aber sei es drum: Es ist ja schon mal gut, dass die Dokumente grund­sätz­lich „greif­bar“ sind – wenn wir auch im Landesblog nicht nur ein­mal bekla­gen muss­ten, dass grund­le­gen­de Regeln der Barrierefreiheit igno­riert wer­den.

Leider pas­siert es immer wie­der, und das ist der ers­te Anlass, dass – wohl gedan­ken­los – auf das Absurdeste (nicht) ver­öf­fent­licht wird. Das jüngs­te Beispiel ist der Bericht über die wirt­schaft­li­che und finan­zi­el­le Lage der Landesrundfunkanstalten. Der Bericht, so steht es dem Schreiben, wur­de dem Landtag zunächst „in Dateiform“ zuge­sandt und dann noch mal in aus­ge­druck­ter Form. Wie wird der Bericht wohl ver­öf­fent­licht? Genau! Gar nicht – er kann im Ausschussbüro ein­ge­se­hen wer­den. An der feh­len­den elek­tro­ni­schen Form kann die Veröffentlichung ja nun nicht geschei­tert sein, da belegt der Brief das Gegenteil. Und an irgend­wel­chen ver­meint­li­chen Geheimnissen kann es auch nicht lie­gen. Andere Landtage schaf­fen es schließ­lich auch, den Bericht zu ver­öf­fent­li­chen. Warum dann nicht Schleswig-Holstein?

Der zwei­te Anlass ist ein Bericht der Sendung Quer (Bayrischer Rundfunk) über Keinen Bürger-Livestream am Tegernsee (bit­te zügig angu­cken, falls das dem­nächst depu­bli­ziert wird), auf den Jens Best ges­tern auf­merk­sam mach­te (Facebook-Link). Der Bericht macht sich ein wenig lus­tig über die Befürchtungen der Skeptiker. Ich fin­de, man muss sol­che Ängste ernst neh­men und die Leute dort abho­len, wo sie sind und ihnen die Ängste neh­men. So, wie es mitt­ler­wei­le wohl nie­man­den mehr stört, dass Sitzungen öffent­lich sind und es auch (öffent­lich zugäng­li­che) Protokolle dar­über gibt, so selbst­ver­ständ­lich wird es wer­den, dass Sitzungen auch in Bild und Ton doku­men­tiert wer­den und so inter­es­sier­ten Bürgern auch dann zugäng­lich sind, wenn sie am Tag der Sitzung ver­hin­dert waren – oder erst spä­ter die Brisanz des Themas erkann­ten. Das wird den Wunsch nach zusam­men­fas­sen­der und bewer­ten­der Presse- oder Blogberichterstattung über sol­che Sitzungen nicht schmä­lern (nicht jeder mag stun­den­lang Sitzungen anschau­en).

Im Rahmen der Diskussion mach­te Malte Steckmeister dann noch auf ein Problem auf­merk­sam, das irgend­wo zwi­schen dem ers­ten und dem zwei­ten Anlass liegt und der drit­te Anlass ist. Es sind ja nicht nur Bürger, die gern infor­miert sein wol­len son­dern auch die Gemeindevertreterinnen, Ratsherren oder Abgeordneten, die sich auf ihre Sitzungen vor­be­rei­ten wol­len und die ein immenses Interesse dar­an haben, Unterlagen mög­lichst auch digi­tal zur Verfügung zu haben – um Tabellendaten bes­ser nach­rech­nen zu kön­nen, um „alte“ Vorlagen im Archiv schnel­ler fin­den zu kön­nen, um Textinformationen bes­ser ver­ar­bei­ten zu kön­nen. Von Gewicht mal ganz zu schwei­gen. Auf kom­mu­na­ler Ebene, so Maltes resi­gnie­ren­des Fazit, gleicht das einem Kampf gegen Windmühlen.

Foto: Dietmar Meinert / pixelio.de

Foto: Dietmar Meinert /​ pixelio.de

Dies sind für mich alles eben­falls Bespiele für open-data-Aktivitäten des Parlaments und der Landesregierung. Einfach mal exem­pla­risch eine Gemeindevertretung, eine Stadtversammlung und einen Kreistag neh­men und den Prozess beherzt digi­ta­li­sie­ren – oder schon vor­han­de­ne Lösungen so auf­be­rei­ten, dass sie sich ver­brei­ten kön­nen. Ziel: Bis 2015 wird jede Sitzung gestreamt und auf­ge­zeich­net und Unterlagen ste­hen in der Regel digi­tal zur Verfügung. In vie­len Fällen müs­sen wir nicht mal mehr Prozesse neu erfin­den – Dokumente lie­gen schon heu­te zumeist in elek­tro­ni­scher Form vor. Wir müs­sen in die­sen Fällen nur ler­nen, als default-Einstellung (Standard-Einstellung) die digi­ta­le Fassung zu nut­zen – und zu ver­öf­fent­li­chen bzw zugäng­lich zu machen. Raketentechnik ist das nicht.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

5 Gedanken zu “Worte, die keiner mehr braucht: kann im Ausschussbüro eingesehen werden”:

    1. Kai

      Einfach hin­ge­hen, mit­schnei­den und es auf einen Prozess ankom­men las­sen. Das dürf­te span­nend wer­den.

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      1. Oliver Fink

        Jenseits einer recht­li­chen Bewertung von Aufzeichnungen hat der Bürgermeister, der Bürgervorsteher bzw. der Stadtpräsident bei sol­chen Sitzungen Hausrecht (http://is.gd/BB4PMh). Der kann einen im Zweifel ein­fach vor die Tür set­zen (las­sen). Den Prozess dage­gen muss man dann selbst anstren­gen.

        Den Part der von Audio- oder gar Videoaufzeichnungen regelt die Gemeindeordnung nach mei­ner Kenntnis nicht. Und das Recht dazu geht nach mei­nem beschränk­ten juris­ti­schen Verständnis halt weit über das Recht hin­aus, an öffent­li­chen Sitzungen teil­neh­men zu dür­fen.

        Vermutlich muss auch das Recht auf Mitschnitt und Sendung – genau wie die grund­sätz­li­che Öffentlichkeit von Sitzungen – in der Gemeindeordnung fest­ge­schrie­ben wer­den. Auf die Vernunft vor Ort wür­de ich dabei nicht set­zen.

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        1. Frank Radzio

          „Auf die Vernunft vor Ort wür­de ich dabei nicht set­zen.”

          Das ist mehr ein Problem es über­haupt zu ver­ste­hen. Die Gemeindevertretungen erken­nen nicht ein­mal das ihre Bürger einen asyn­cro­nen Kanal benö­ti­gen. „Wer an den öffent­li­chen Sitzungen ein inter­es­se hat kommt zu den Sitzungen und da sind so weni­ge Bürger das wir kei­nen zusätz­li­chen Kanal benö­ti­gen.” Hier wird nicht ein­mal hin­ter­fragt war­um kei­ner kommt :-/​

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          1. Oliver Fink

            Für die man­geln­de Teilnahme der Bürger aller­dings bestehen eine Vielzahl von Gründen, die nicht allein den ehren­amt­li­che täti­gen Kommunalpolitikern anzu­las­ten sind und sich auch nicht auf die Abwesenheit asyn­chro­ner Kanäle redu­zie­ren las­sen. Ein nicht uner­heb­li­cher Teil die­ser Gründe liegt im Bereich der Eigenverantwortung der Bürger. Das woll­te ich an die­ser Stelle zumin­dest ein­mal fest­ge­stellt haben – ohne damit gleich­zei­tig etwas ande­res ent­schul­di­gen zu wol­len.

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