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Drei unterschiedliche Dinge veranlassen mich, noch einmal auf den Begriff „open data“ zurückzukommen.
Open data will Daten oder Informationen öffentlich zugänglich und nutzbar machen. Nun sind im parlamentarischen Umfeld Schleswig-Holsteins Drucksachen, Umdrucke, Protokolle und andere „Papiere“ längst auch elektronisch (für die Öffentlichkeit) zugänglich. Triebfedern dieser Entwicklung waren dabei wohl eher Effizienz- als Transparenzgesichtspunkte – aber sei es drum: Es ist ja schon mal gut, dass die Dokumente grundsätzlich „greifbar“ sind – wenn wir auch im Landesblog nicht nur einmal beklagen mussten, dass grundlegende Regeln der Barrierefreiheit ignoriert werden.
Leider passiert es immer wieder, und das ist der erste Anlass, dass – wohl gedankenlos – auf das Absurdeste (nicht) veröffentlicht wird. Das jüngste Beispiel ist der Bericht über die wirtschaftliche und finanzielle Lage der Landesrundfunkanstalten. Der Bericht, so steht es dem Schreiben, wurde dem Landtag zunächst „in Dateiform“ zugesandt und dann noch mal in ausgedruckter Form. Wie wird der Bericht wohl veröffentlicht? Genau! Gar nicht – er kann im Ausschussbüro eingesehen werden. An der fehlenden elektronischen Form kann die Veröffentlichung ja nun nicht gescheitert sein, da belegt der Brief das Gegenteil. Und an irgendwelchen vermeintlichen Geheimnissen kann es auch nicht liegen. Andere Landtage schaffen es schließlich auch, den Bericht zu veröffentlichen. Warum dann nicht Schleswig-Holstein?
Der zweite Anlass ist ein Bericht der Sendung Quer (Bayrischer Rundfunk) über Keinen Bürger-Livestream am Tegernsee (bitte zügig angucken, falls das demnächst depubliziert wird), auf den Jens Best gestern aufmerksam machte (Facebook-Link). Der Bericht macht sich ein wenig lustig über die Befürchtungen der Skeptiker. Ich finde, man muss solche Ängste ernst nehmen und die Leute dort abholen, wo sie sind und ihnen die Ängste nehmen. So, wie es mittlerweile wohl niemanden mehr stört, dass Sitzungen öffentlich sind und es auch (öffentlich zugängliche) Protokolle darüber gibt, so selbstverständlich wird es werden, dass Sitzungen auch in Bild und Ton dokumentiert werden und so interessierten Bürgern auch dann zugänglich sind, wenn sie am Tag der Sitzung verhindert waren – oder erst später die Brisanz des Themas erkannten. Das wird den Wunsch nach zusammenfassender und bewertender Presse- oder Blogberichterstattung über solche Sitzungen nicht schmälern (nicht jeder mag stundenlang Sitzungen anschauen).
Im Rahmen der Diskussion machte Malte Steckmeister dann noch auf ein Problem aufmerksam, das irgendwo zwischen dem ersten und dem zweiten Anlass liegt und der dritte Anlass ist. Es sind ja nicht nur Bürger, die gern informiert sein wollen sondern auch die Gemeindevertreterinnen, Ratsherren oder Abgeordneten, die sich auf ihre Sitzungen vorbereiten wollen und die ein immenses Interesse daran haben, Unterlagen möglichst auch digital zur Verfügung zu haben – um Tabellendaten besser nachrechnen zu können, um „alte“ Vorlagen im Archiv schneller finden zu können, um Textinformationen besser verarbeiten zu können. Von Gewicht mal ganz zu schweigen. Auf kommunaler Ebene, so Maltes resignierendes Fazit, gleicht das einem Kampf gegen Windmühlen.
Dies sind für mich alles ebenfalls Bespiele für open-data-Aktivitäten des Parlaments und der Landesregierung. Einfach mal exemplarisch eine Gemeindevertretung, eine Stadtversammlung und einen Kreistag nehmen und den Prozess beherzt digitalisieren – oder schon vorhandene Lösungen so aufbereiten, dass sie sich verbreiten können. Ziel: Bis 2015 wird jede Sitzung gestreamt und aufgezeichnet und Unterlagen stehen in der Regel digital zur Verfügung. In vielen Fällen müssen wir nicht mal mehr Prozesse neu erfinden – Dokumente liegen schon heute zumeist in elektronischer Form vor. Wir müssen in diesen Fällen nur lernen, als default-Einstellung (Standard-Einstellung) die digitale Fassung zu nutzen – und zu veröffentlichen bzw zugänglich zu machen. Raketentechnik ist das nicht.
Die Eckernförder Zeitung berichtet heute gerade über die Weigerung der Gemeinde Hohn, Audio- oder Videoaufzeichnungen von Sitzungen zuzulassen: http://www.shz.de/nachrichten/lokales/eckernfoerder-zeitung/artikeldetails/article//hohn-tonbandgeraete-oder-videokameras-sind-auch-weiterhin-verboten.html
Einfach hingehen, mitschneiden und es auf einen Prozess ankommen lassen. Das dürfte spannend werden.
Jenseits einer rechtlichen Bewertung von Aufzeichnungen hat der Bürgermeister, der Bürgervorsteher bzw. der Stadtpräsident bei solchen Sitzungen Hausrecht (http://is.gd/BB4PMh). Der kann einen im Zweifel einfach vor die Tür setzen (lassen). Den Prozess dagegen muss man dann selbst anstrengen.
Den Part der von Audio- oder gar Videoaufzeichnungen regelt die Gemeindeordnung nach meiner Kenntnis nicht. Und das Recht dazu geht nach meinem beschränkten juristischen Verständnis halt weit über das Recht hinaus, an öffentlichen Sitzungen teilnehmen zu dürfen.
Vermutlich muss auch das Recht auf Mitschnitt und Sendung – genau wie die grundsätzliche Öffentlichkeit von Sitzungen – in der Gemeindeordnung festgeschrieben werden. Auf die Vernunft vor Ort würde ich dabei nicht setzen.
„Auf die Vernunft vor Ort würde ich dabei nicht setzen.”
Das ist mehr ein Problem es überhaupt zu verstehen. Die Gemeindevertretungen erkennen nicht einmal das ihre Bürger einen asyncronen Kanal benötigen. „Wer an den öffentlichen Sitzungen ein interesse hat kommt zu den Sitzungen und da sind so wenige Bürger das wir keinen zusätzlichen Kanal benötigen.” Hier wird nicht einmal hinterfragt warum keiner kommt :-/
Für die mangelnde Teilnahme der Bürger allerdings bestehen eine Vielzahl von Gründen, die nicht allein den ehrenamtliche tätigen Kommunalpolitikern anzulasten sind und sich auch nicht auf die Abwesenheit asynchroner Kanäle reduzieren lassen. Ein nicht unerheblicher Teil dieser Gründe liegt im Bereich der Eigenverantwortung der Bürger. Das wollte ich an dieser Stelle zumindest einmal festgestellt haben – ohne damit gleichzeitig etwas anderes entschuldigen zu wollen.