Logo der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten
Als ich ein kleiner Junge war, in den 1970er Jahren, gingen Männer mit zerstümmelten Gesichtern oder fehlenden Gliedmaßen in grauen Mänteln, die mal zwei Reihen mit Knöpfen gehabt haben mussten, schweigend durch unsere Straßen. Das war das, was ich vom Krieg sah. Mein Vater, 1935 geboren, konnte erzählen wie es ist, wenn man ausgebombt wurde. Von seiner Mutter hörte ich erstmals die Worte „Faschisten“ und „Nazis“. Sie konnte die Geschichte aus eigenem Erleben erzählen. So war ich aufgeklärt, aus erster Hand, als „die Sache“, ziemlich knapp, später dann im Geschichtsunterricht dran kam.
Wenn heute ein Kollege mit 65 Jahren seinen Ausstand gibt, dann hat er den zweiten Weltkrieg nicht mal theoretisch miterlebt. Er ist nachgeboren. Als am 06.12.2011, aus Anlass des 70. Jahrestages der Deportation der Juden aus Schleswig-Holstein die 90-Jährige Professorin Miriam Gillis-Carlebach aus Israel im Kieler Landtag über ihr Leben sprach, da ahnte auch der Letzte, dass die Ära der Zeitzeugen zuende gehen wird.
Was bleibt, ist die Aufgabe, Informationen und Dokumente zu erhalten und zu archivieren, sie wissenschaftlich aufzuarbeiten und sowohl die Informationen wie auch die Forschungsergebnisse öffentlich zu dokumentieren.
De Bildungsarbeit für Jugendliche oder für Erwachsene geht jedoch auch neue Wege. Um eine Erinnerungskultur zu etablieren, erhalten – neben Denkmälern und Gedenktagen – Gedenkstätten eine wachsende Rolle.
Mit der zunehmenden Distanz zur Nachkriegszeit wird deutlich, dass es auch eine Nachgeschichte des Nationalsozialismus in Deutschland gibt. Schleswig-Holstein mittendrin: Das Wort von der „Renazifizierung“, dass der CDU-Innenminister Pagel prägte; fällt einem ein. Namen wie Heyde/Sawade, Hinrich Lohse, Hans-Adolf Asbach, Hans-Werner Otto, Ernst Ehlers, Carl Clauberg klingen im Kopf. Jüngst erschienen kluge Bücher wie das von Frank Trende über die Neulandhalle „Neuland war das Zauberwort“ oder des Landebloggers Knud Andresen, der über die Schleswig-Holsteins Identitäten: Die Geschichtspolitik des SHHB (1947 – 2005) promovierte.
Im Februar trafen sich Vertreter der Gedenkstätten in Schleswig-Holstein zur 7. Landesgedenkstättentagung in Bad Malente. Ich berichtete im Landesblog darüber. Schleswig-Holstein hat Nachholbedarf bei den Gedenkstätten.
Die neue Landesregierung hat sich viel vorgenommen in Sachen Gedenkstätten. Im Koaltionsvertrag heißt es unter anderem:
„Wir wollen … ein Gedenkstättenkonzept erarbeiten, um uns auf dieser Grundlage um die Einwerbung von Bundesmitteln zu bemühen.“
An anderer Stelle heißt es:
„Wir brauchen eine lebendige und starke Erinnerungskultur. Die Gedenkstätten für die Opfer und Verfolgten des Naziregimes werden wir stärken und ausbauen. Zudem streben wir eine wissenschaftliche Aufarbeitung der strukturellen und personellen Kontinuität nach dem Dritten Reich in Schleswig-Holstein, insbesondere im Landtag, an.“
Gestern erschien erstmals der „Newsletter Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein“. 55 Seiten umfasst die erste Ausgabe, die „ein weiterer Schritt im Prozess der Vernetzung und Weiterentwicklung der schleswig-holsteinischen Gedenkstättenlandschaft“ sein soll. Die Organisation, Redaktion und Gestaltung des künftig alle drei Monate erscheinenden Periodikums liegt in der Hand von Dr. Harald Schmid, wissenschaftlichem Mitarbeiter der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten.
Der Newsletter kann hier heruntergeladen werden. Überhaupt ist die Seite http://www.gedenkstaetten-sh.de/ für interessierte Bürger immer einen Besuch wert.