
Peter Reinäcker / pixelio.de
Am Freitag wurde im Bundestag ein Gesetz gebilligt, dass den sogenannten Warnschussarrest für jugendliche Täter ermöglicht. Da bedeutet, dass Gerichte neben einer Bewährungsstrafe nun auch bis zu vier Wochen Jugendarrest verordnen können, um dem Straffälligen vor Augen zu führen, dass sein Handeln falsch ist. Die Befürworter des Warnschussarrests bezeichnen ihn in den Medien als „gelbe Karte” oder „pädagogische Leitplanke”, während die Kritiker mit Phrasen wie „völlig überflüssige Populismuskeule” agieren.
Schaut man sich die statistischen Daten zur Jugendkriminalität an, so wird deutlich, dass die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen in den letzten Jahren zurückgegangen ist, obwohl das Anzeigeverhalten gleichzeitig gestiegen ist. Durch Berichte in den Medien entsteht jedoch der Eindruck, dass die Gewaltdelikte aggressiver und brutaler sind als früher, weil intensiver über spektakuläre Einzelfälle berichtet wird. Anhand der statistischen Zahlen ist eine solche Wahrnehmung jedoch nicht nachzuvollziehen.
Bei den auslösenden Faktoren für Gewalt an Schulen wurden durch Untersuchungen im Rahmen der Schaffung einer Jugend-Taskforce in Schleswig-Holstein vor allem erzieherische Defizite im Elternhaus und soziale Probleme der Familien identifiziert. Es stellt sich nun die Frage, ob ein Warnschussarrest solchen Problemen begegnen kann und damit die Jugendgewalt noch weiter eingedämmt werden kann.
Ebenfalls statistisch evaluiert wurden die Rückfallquoten nach einem Arrest im Vergleich zu sozialpädagogisch motivierten Präventionsmaßnahmen. Hierbei wird deutlich, dass ersteres deutlich höhere Rückfallquoten produziert. Zwar gibt es in Schleswig-Holstein zahlreiche Präventionsmaßnahmen, die in Schulen durchgeführt werden, jedoch werden die Lehrkräfte mit den entsprechenden Handreichungen allein gelassen. Die Unterstützung durch externe Experten, wie Polizei oder Sozialpädagogen, ist in der Alltagsrealität eher zurückgegangen, weil die nötigen Mittel in den Behörden fehlen.
Ist die Einführung eines Warnschussarrests nun die richtige Herangehensweise zur weiteren Senkung der Tatverdächtigenquote? Wenn man bedenkt, dass die Unterbringung eines Delinquenten in einer Arrestanstalt durchschnittlich 100 Euro pro Tag kostet, stellt sich die Frage, ob dieses Geld in speziellen Präventionsmaßnahmen nicht besser angelegt ist, zumal diese auch eine niedrigere Rückfallquote zeigen. Vergleichsweise gerechnet, werden für einen Schüler täglich weniger als 15 Euro verbraucht. Eine Steigerung der präventiven Angebote in den Schulen sowie spezielle Angebote für bereits straffällig gewordene Jugendliche würden entsprechend kostenschonender sein und wenn man den Statistiken Glauben schenken kann auch effektivere Ergebnisse zeigen.
Die Parteien in Schleswig-Holstein haben auf die Billigung des Warnschussarrests durch den Bundestag kaum reagiert, nur Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) hat sich deutlich dagegen ausgesprochen:
Ich halte den Warnschussarrest für eine ungeeignete Maßnahme, um jugendliche Täter von ihrem kriminellen Handeln abzuschrecken. Dies zeigen uns die praktischen Erfahrungen. Ein verschärftes Strafrecht kann nur selten korrigieren, was vorher in der Erziehung versäumt wurde. Jugendkriminalität ist zu allererst ein soziales und gesellschaftliches Problem. Ich sehe die Gefahr, dass mit dem Warnschussarrest kriminelle Karrieren schlimmstenfalls noch befördert werden. Wir sind daher in Schleswig-Holstein mit unseren Ansätzen, nämlich der guten Zusammenarbeit von Polizei, Justiz, Jugendämtern und Schulen, in der Bekämpfung der Jugendkriminalität sehr gut aufgestellt.
Jedoch war das Thema bereits im März diesen Jahres schon einmal ein Thema und zu dieser Zeit plädierten die Grünen deutlich für mehr Prävention als Mittel zur Senkung der Täterquoten. Ebenso wie die SPD sprachen sich die Grünen darüber hinaus für eine zügigere Abwicklung der Gerichtsverfahren gegen jugendliche Straftäter aus, damit diese merken, dass auf eine Straftat auch eine Konsequenz folgt. Die CDU hingegen sieht in dem Warnschussarrest eine „ermutigende Weichenstellung im Bereich der Inneren Sicherheit” und sieht darin eine gute Möglich keit jugendlichen Straftätern deutlich zu machen, „dass Rechtsverletzungen nicht geduldet werden und der Schutz möglicher Opfer einen hohen Stellenwert habe.”
Es stimmt zwar, dass der Jugendarrest eine sehr hohe Rückfallquote aufweist. Das ist aber auch zu erwarten, denn er wird als letztes Mittel vor der Jugendstrafe (die i.d.R. erst einmal zur Bewährung ausgesetzt wird, die Bewährung ist das letzte Mittel vor der vollzogenen Jugendstrafe) bei relativ schweren Straftaten und besonders hartnäckigen Tätern eingesetzt. Bei dieser Gruppe ist die Rückfallwahrscheinlichkeit viel höher als bei den Jugendlichen, bei denen sozialtherapeutische Maßnahmen eingesetzt werden. Hätte der Jugendarrest trotzdem auch nur annähernd die gleiche Rückfallquote, wäre er ein phantastisch erfolgreiches Mittel. Ein Wundermittel ist der Jugendarrest sicherlich nicht; mehr als das lässt sich aus den vorhandenen Untersuchungen nicht schließen.
Ist ja alles richtig. Es ist nur leider müßig, in Bezug auf das Jugendstrafrecht rational argumentieren zu wollen.
Die Argumentation mit empirischen Befunden hat in diesem Bereich noch nie zu irgendwas geführt. Das freiheitsentziehende Sanktionen, ob nun normaler Arrest, „Warnschuss”-Arrest, Wochenendarrest — you name it — in Bezug auf Rückfallquoten noch nie irgendeinen positiven Effekt hatten und, im Gegenteil, erwiesenermaßen das Rückfallrisiko erhöhen, interessiert keinen von denen, die es interessieren müsste. Hat auch noch nie.
Und das wissen die profilierungsneurotischen Law-And-Order-Verfechter in dem Bereich auch ganz genau.
Mit der GEFÜHLTEN Kriminalitätsentwicklung („Alles immer schlimmer!!”) sowie mit der GEFÜHLTEN Entwicklung des Jugendstrafrechts und -vollzugs („Alles immer lascher!!”) kann man eben Zustimmung und damit Stimmen gewinnen.
Mit der tatsächlichen — Nicht.
Dass freiheitsentziehende Sanktionen „erwiesenermaßen das Rückfallrisiko erhöhen”, ist schlicht falsch. Siehe mein Kommentar oben.