Warnschussarrest als pädagogisches Mittel?

Von | 9. Juli 2012
Peter Reinäcker / pixelio.de

Peter Reinäcker / pixelio.de

Am Freitag wur­de im Bundestag ein Gesetz gebil­ligt, dass den soge­nann­ten Warnschussarrest für jugend­li­che Täter ermög­licht. Da bedeu­tet, dass Gerichte neben einer Bewährungsstrafe nun auch bis zu vier Wochen Jugendarrest ver­ord­nen kön­nen, um dem Straffälligen vor Augen zu füh­ren, dass sein Handeln falsch ist. Die Befürworter des Warnschussarrests bezeich­nen ihn in den Medien als „gel­be Karte” oder „päd­ago­gi­sche Leitplanke”, wäh­rend die Kritiker mit Phrasen wie „völ­lig über­flüs­si­ge Populismuskeule” agie­ren.

Schaut man sich die sta­tis­ti­schen Daten zur Jugendkriminalität an, so wird deut­lich, dass die Zahl der jugend­li­chen Tatverdächtigen in den letz­ten Jahren zurück­ge­gan­gen ist, obwohl das Anzeigeverhalten gleich­zei­tig gestie­gen ist. Durch Berichte in den Medien ent­steht jedoch der Eindruck, dass die Gewaltdelikte aggres­si­ver und bru­ta­ler sind als frü­her, weil inten­si­ver über spek­ta­ku­lä­re Einzelfälle berich­tet wird. Anhand der sta­tis­ti­schen Zahlen ist eine sol­che Wahrnehmung jedoch nicht nach­zu­voll­zie­hen.

Bei den aus­lö­sen­den Faktoren für Gewalt an Schulen wur­den durch Untersuchungen im Rahmen der Schaffung einer Jugend-Taskforce in Schleswig-Holstein vor allem erzie­he­ri­sche Defizite im Elternhaus und sozia­le Probleme der Familien iden­ti­fi­ziert. Es stellt sich nun die Frage, ob ein Warnschussarrest sol­chen Problemen begeg­nen kann und damit die Jugendgewalt noch wei­ter ein­ge­dämmt wer­den kann.

Ebenfalls sta­tis­tisch eva­lu­iert wur­den die Rückfallquoten nach einem Arrest im Vergleich zu sozi­al­päd­ago­gisch moti­vier­ten Präventionsmaßnahmen. Hierbei wird deut­lich, dass ers­te­res deut­lich höhe­re Rückfallquoten pro­du­ziert. Zwar gibt es in Schleswig-Holstein zahl­rei­che Präventionsmaßnahmen, die in Schulen durch­ge­führt wer­den, jedoch wer­den die Lehrkräfte mit den ent­spre­chen­den Handreichungen allein gelas­sen. Die Unterstützung durch exter­ne Experten, wie Polizei oder Sozialpädagogen, ist in der Alltagsrealität eher zurück­ge­gan­gen, weil die nöti­gen Mittel in den Behörden feh­len.

Ist die Einführung eines Warnschussarrests nun die rich­ti­ge Herangehensweise zur wei­te­ren Senkung der Tatverdächtigenquote? Wenn man bedenkt, dass die Unterbringung eines Delinquenten in einer Arrestanstalt durch­schnitt­lich 100 Euro pro Tag kos­tet, stellt sich die Frage, ob die­ses Geld in spe­zi­el­len Präventionsmaßnahmen nicht bes­ser ange­legt ist, zumal die­se auch eine nied­ri­ge­re Rückfallquote zei­gen. Vergleichsweise gerech­net, wer­den für einen Schüler täg­lich weni­ger als 15 Euro ver­braucht. Eine Steigerung der prä­ven­ti­ven Angebote in den Schulen sowie spe­zi­el­le Angebote für bereits straf­fäl­lig gewor­de­ne Jugendliche wür­den ent­spre­chend kos­ten­scho­nen­der sein und wenn man den Statistiken Glauben schen­ken kann auch effek­ti­ve­re Ergebnisse zei­gen.

Die Parteien in Schleswig-Holstein haben auf die Billigung des Warnschussarrests durch den Bundestag kaum reagiert, nur Justizministerin Anke Spoorendonk (SSW) hat sich deut­lich dage­gen aus­ge­spro­chen:

Ich hal­te den Warnschussarrest für eine unge­eig­ne­te Maßnahme, um jugend­li­che Täter von ihrem kri­mi­nel­len Handeln abzu­schre­cken. Dies zei­gen uns die prak­ti­schen Erfahrungen. Ein ver­schärf­tes Strafrecht kann nur sel­ten kor­ri­gie­ren, was vor­her in der Erziehung ver­säumt wur­de. Jugendkriminalität ist zu aller­erst ein sozia­les und gesell­schaft­li­ches Problem. Ich sehe die Gefahr, dass mit dem Warnschussarrest kri­mi­nel­le Karrieren schlimms­ten­falls noch beför­dert wer­den. Wir sind daher in Schleswig-Holstein mit unse­ren Ansätzen, näm­lich der guten Zusammenarbeit von Polizei, Justiz, Jugendämtern und Schulen, in der Bekämpfung der Jugendkriminalität sehr gut auf­ge­stellt.

Jedoch war das Thema bereits im März die­sen Jahres schon ein­mal ein Thema und zu die­ser Zeit plä­dier­ten die Grünen deut­lich für mehr Prävention als Mittel zur Senkung der Täterquoten. Ebenso wie die SPD spra­chen sich die Grünen dar­über hin­aus für eine zügi­ge­re Abwicklung der Gerichtsverfahren gegen jugend­li­che Straftäter aus, damit die­se mer­ken, dass auf eine Straftat auch eine Konsequenz folgt. Die CDU hin­ge­gen sieht in dem Warnschussarrest eine „ermu­ti­gen­de Weichenstellung im Bereich der Inneren Sicherheit” und sieht dar­in eine gute Möglich keit jugend­li­chen Straftätern deut­lich zu machen, „dass Rechtsverletzungen nicht gedul­det wer­den und der Schutz mög­li­cher Opfer einen hohen Stellenwert habe.”

Von:

Melanie Richter lebt seit mehr als 20 Jahren in Kiel, ist parteilos, seit 2010 Mitglied im Verein für Neue Medien Kiel e.V. und arbeitet in einer Kieler Gemeinschaftsschule.

3 Gedanken zu “Warnschussarrest als pädagogisches Mittel?”:

  1. H.M.

    Es stimmt zwar, dass der Jugendarrest eine sehr hohe Rückfallquote auf­weist. Das ist aber auch zu erwar­ten, denn er wird als letz­tes Mittel vor der Jugendstrafe (die i.d.R. erst ein­mal zur Bewährung aus­ge­setzt wird, die Bewährung ist das letz­te Mittel vor der voll­zo­ge­nen Jugendstrafe) bei rela­tiv schwe­ren Straftaten und beson­ders hart­nä­cki­gen Tätern ein­ge­setzt. Bei die­ser Gruppe ist die Rückfallwahrscheinlichkeit viel höher als bei den Jugendlichen, bei denen sozi­al­the­ra­peu­ti­sche Maßnahmen ein­ge­setzt wer­den. Hätte der Jugendarrest trotz­dem auch nur annä­hernd die glei­che Rückfallquote, wäre er ein phan­tas­tisch erfolg­rei­ches Mittel. Ein Wundermittel ist der Jugendarrest sicher­lich nicht; mehr als das lässt sich aus den vor­han­de­nen Untersuchungen nicht schlie­ßen.

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  2. Stephan

    Ist ja alles rich­tig. Es ist nur lei­der müßig, in Bezug auf das Jugendstrafrecht ratio­nal argu­men­tie­ren zu wol­len.

    Die Argumentation mit empi­ri­schen Befunden hat in die­sem Bereich noch nie zu irgend­was geführt. Das frei­heits­ent­zie­hen­de Sanktionen, ob nun nor­ma­ler Arrest, „Warnschuss”-Arrest, Wochenendarrest — you name it — in Bezug auf Rückfallquoten noch nie irgend­ei­nen posi­ti­ven Effekt hat­ten und, im Gegenteil, erwie­se­ner­ma­ßen das Rückfallrisiko erhö­hen, inter­es­siert kei­nen von denen, die es inter­es­sie­ren müss­te. Hat auch noch nie.

    Und das wis­sen die pro­fi­lie­rungs­neu­ro­ti­schen Law-And-Order-Verfechter in dem Bereich auch ganz genau.

    Mit der GEFÜHLTEN Kriminalitätsentwicklung („Alles immer schlim­mer!!”) sowie mit der GEFÜHLTEN Entwicklung des Jugendstrafrechts und -voll­zugs („Alles immer lascher!!”) kann man eben Zustimmung und damit Stimmen gewin­nen.

    Mit der tat­säch­li­chen — Nicht.

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    1. H.M.

      Dass frei­heits­ent­zie­hen­de Sanktionen „erwie­se­ner­ma­ßen das Rückfallrisiko erhö­hen”, ist schlicht falsch. Siehe mein Kommentar oben.

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