Ein paar Worte zur Kommunalwahl 2013

Von | 3. September 2012

Das poli­ti­sche Leben spielt sich in Zyklen ab, die von Wahlen begrenzt wer­den. Anders als bei Landtags- oder Bundestagswahlen ist die­ser Zyklus für die kom­mu­na­len poli­ti­schen Gremien durch eine klar umris­se­ne Zeitdauer bestimmt. Vorzeitige Auflösungen der Kreis- oder Gemeindevertretungen bei einem Wechsel der Mehrheitsverhältnisse sind anders als für Land- oder Bundestag nicht vor­ge­se­hen. Die Kommunalwahl fin­det für alle poli­ti­schen Gremien eines Bundeslandes zeit­gleich statt. Kommt es also, wie bei­spiels­wei­se in Dortmund aus beson­de­ren Gründen zu einer Neuwahl der Stadtvertretung zwi­schen den ordent­li­chen Wahlterminen, dann gilt die­se Wahl nur für eine ver­kürz­te Periode bis zur nächs­ten ordent­li­chen Wahl.

Die kom­mu­na­len Vertretungen wer­den gern als Parlament bezeich­net, obwohl sie das rein for­mal gar nicht sind. Sie zäh­len als Bestandteil der Selbstverwaltung einer Gemeinde zur Exekutive und nicht, wie nor­ma­le Parlamente, zur Legislative. Als Teil der Verwaltung sind für die Gemeindevertretungen weder Regierung noch Opposition vor­ge­se­hen. Der Bürgermeister ist dem­entspre­chend auch nicht der Chef einer Regierung, son­dern der Leiter der Verwaltung einer Gemeinde.

Dennoch geht es auch in Gemeindevertretungen und ihren Ausschüssen um Mehrheiten zur Umsetzung poli­ti­scher Ziele. So kön­nen sich also auch hier ver­schie­de­ne poli­ti­sche Richtungen gemein­sam orga­ni­sie­ren. Diese Organisation wird übli­cher­wei­se „Kooperation” und nicht „Koalition” genannt. Genauso selbst­ver­ständ­lich ist es übri­gens auch, dass Gemeindevertretungen je nach Thema mit wech­seln­den Mehrheiten arbei­ten.

Die nächs­te Kommunalwahl fin­det in Schleswig-Holstein am 26. Mai 2013 statt, also in knapp einem Dreivierteljahr. Nicht nur die Gemeindevertretung unter­schei­det sich in ihrer Funktion von einem nor­ma­len Parlament – auch die Art der Wahl ist nicht die­sel­be. Bei der Landtagswahl tre­ten Direktkandidaten (Erststimme) und eine Landesliste (Zweitstimme) an. Auch in Wahlkreisen ohne eige­nen Direktkandidaten bleibt die Liste einer Partei mit der Zweitstimme wähl­bar. In der Regel erhält sie ohne Direktkandidaten nicht so vie­le Stimmen, als hät­te die Partei einen auf­ge­stellt. Aber immer­hin bleibt die Partei in die­sem Wahlkreis wähl­bar.

Bei der Kommunalwahl ver­gibt jeder Wähler ledig­lich eine Stimme für Direktkandidaten und Liste zusam­men. In Wahlkreisen, in denen meh­re­re Direktkandidaten in einem Wahlkreis wähl­bar sind, kann der Wähler soviel Stimmen ver­ge­ben, wie Direktkandidaten wähl­bar sind – aller­dings immer nur eine Stimme pro Direktkandidaten. Diese ist Stimme für den Direktkandidaten im Wahlkreis und mit ihr wer­den zugleich die Stimmen für die gesam­te Gemeinde bestimmt, wel­che die Anzahl der Listenkandidaten erge­ben. Da die klei­nen Parteien in der Regel kei­nen Direktkandidaten durch­brin­gen kön­nen, wären sie eigent­lich nicht unbe­dingt gezwun­gen, in jedem Wahlkreis Kandidaten auf­stel­len. Anders als bei den ande­ren Wahlen besteht aber bei der Kommunalwahl kei­ne Möglichkeit, ohne Direktkandidaten Stimmen für die Liste zu erhal­ten. Somit ent­schei­det die Aufstellung eines Direktkandidaten nicht wie bei Landtags- oder Bundestagswahlen dar­über, ob man mehr oder weni­ger Stimmen aus sei­nem Wählerreservoir umset­zen kann, son­dern viel­mehr dar­über, ob eine Partei in einem Wahlkreis über­haupt Stimmen erhält.

All die Regelungen zur Kommunalwahl sind im Gesetz über die Wahlen in den Gemeinden und Kreisen in Schleswig-Holstein (Gemeinde- und Kreiswahlgesetz — GKWG) und der Landesverordnung über die Wahlen in den Gemeinden und Kreisen in Schleswig-Holstein (Gemeinde- und Kreiswahlordnung — GKWO) gere­gelt. Dabei ist die Anzahl der zu ver­ge­ben­den Sitze in § 8 GKWG, die Anzahl der Wahlkreise und der in die­sen gewähl­ten Direktkandidaten in § 9 GKWG fest­ge­legt.

Nun ist es in Parteien nicht anders als in den meis­ten ande­ren ehren­amt­lich struk­tu­rier­ten Organisationen, wie bei­spiels­wei­se in Sportvereinen: Die Anzahl der aktiv in der Partei mit­ar­bei­ten­den Personen liegt irgend­wo zwi­schen 5 und 10 Prozent. Die Probleme, wel­che für klei­ne Parteien dar­aus resul­tie­ren, wer­den deut­lich, wenn man sich ver­schie­de­ne Situationen vor Augen führt:

Nehmen wir eine Mittelstadt mit weni­ger als 25.000 Einwohnern und eine der klei­ne­ren Parteien (Grüne, FDP, Linke) mit rund 35 Mitgliedern. Davon leben aller­dings nur 20 in der Mittelstadt selbst. 15 Mitglieder stam­men aus dem Umland, in dem kei­ne wei­te­ren eigen­stän­di­gen Ortsverbände bestehen. Sie sind nicht wähl­bar. Diese Partei muss nun also 14 Direktkandidaten auf­stel­len, was 70 Prozent der wähl­ba­ren Mitglieder ent­spricht – weit mehr als der übli­che Teil der Aktiven.

Nehmen wir ein Dorf mit knapp 2.000 Einwohnern. Der Ortsverband dort hat 12 Mitglieder, von denen 8 im Gemeindegebiet woh­nen und somit wähl­bar sind. Es ist hier ein Wahlkreis zu bil­den, in dem 7 Direktkandidaten wähl­bar sind. Um alle mög­li­chen 7 Stimmen eines Wähler zu sam­meln, muss die Partei 7 Direktkandidaten auf­stel­len. Auch das liegt mit knapp 88 % der wähl­ba­ren Mitglieder weit über dem Bereich der akti­ven Mitglieder.

Doch auch die gro­ßen Parteien (CDU, SPD) bekom­men zuneh­mend Probleme, ent­spre­chend Kandidaten für die Wahlkreise zu fin­den. Nehmen wir erneut die besag­te Mittelstadt mit weni­ger als 25.000 Einwohnern und eine Partei mit 65 Mitgliedern, von denen 55 am Ort wohn­haft und damit wähl­bar sind. Diese Partei muss nun eben­falls 14 Direktkandidaten fin­den. Anders als die klei­nen Parteien benö­tigt sie die­se Kandidaten aller­dings nicht zur Gewinnung der Listenstimmen, son­dern muss rea­lis­tisch davon aus­ge­hen, die­sen Wahlkreis auch gewin­nen zu kön­nen. Damit müs­sen die­se Kandidaten dann auch bereit sein, tat­säch­lich in die Gemeindevertretung ein­zu­zie­hen. Viele Parteimitglieder sind das nicht – und nicht alle, die das sind, möch­te viel­leicht die Mehrheit der Parteimitglieder unbe­dingt in der Gemeindevertretung sehen. Die Probleme der gro­ßen Parteien sind zwar nicht unbe­dingt dem Wahlrecht geschul­det, wer­den aber mit fort­schrei­ten­der demo­gra­phi­scher Entwicklung bei der übli­chen Alterstruktur der Mitglieder zuneh­mend grö­ßer.

Sowohl Grüne als auch FDP haben in der Zeit ihrer Regierungsbeteiligung ver­pennt, mit ihrem Koalitionspartner eine ent­spre­chen­de Anpassung des Wahlrechts zu ver­ein­ba­ren. Bei CDU und SPD ist der Druck zwar stei­gend, aber wohl noch nicht groß genug, dass sie aus eige­nem Interesse eine Änderung anstre­ben wür­den. Sie kön­nen im Gegenteil sogar dar­auf hof­fen, von den Problemen der klei­nen Parteien zunächst zu pro­fi­tie­ren.

Mit dem Mitgliederschwund, der alle Parteien betrifft, wird die­ses Problem ver­mut­lich zuerst auf den Dörfern dring­lich wer­den.


Anmerkung: Dieser Artikel ent­stand aus einem „Erklärbar”-Stück der Redaktions-Mailingliste des Landesblogs und befasst sich mit der Situation in Schleswig-Holstein. In ande­ren Bundesländern mag es unter­schied­li­che Regelungen und Rahmenbedingungen geben.

4 Gedanken zu “Ein paar Worte zur Kommunalwahl 2013”:

  1. Steffen VoßSteffen Voß

    Gerade in klei­ne­ren Städten und Gemeinden wer­den wirk­lich Leute gesucht, die in die Gemeindevertretung wol­len. Jetzt sind die Leute gefragt, die immer von Bürgerbeteiligung spre­chen. Gemeindevertretungen sind Bürgerinnen und Bürger, die sich betei­li­gen und dafür Verantwortung über­neh­men. Geh zu der Partei, die Deiner Meinung nach vor Ort die bes­te Politik macht, und frag, ob sie Hilfe braucht. Mit so einer Parteimitgliedschaft kauft man _​nicht_​ „das gan­ze Paket” (ESM, Afghanistan oder sonst was) und man bin­det sich auch nicht fürs Leben. ;-)

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    1. Oliver Fink Post author

      Man muss in vie­len Fällen nicht ein­mal zwin­gend Mitglied einer Partei wer­den, son­dern kann oft­mals auch als par­tei­lo­ses Mitglied rein­schnup­pern und mit­ma­chen. Es kommt vor allem auf die Personen und die kon­kre­te Politik vor Ort an. Meine stell­ver­tre­ten­de Fraktionsvorsitzende in der Eckernförder Ratsversammlung bei­spiels­wei­se ist kein Parteimitglied und ich wage die nicht all­zu toll­küh­ne Vermutung, dass sie vor ihrer Mitarbeit bei uns noch nie FDP gewählt hat und es ober­halb der kom­mu­na­len Ebene wohl auch heu­te eher nicht macht. Who cares?

      Die Mitarbeit auf der kom­mu­na­len Ebene beein­flusst die tat­säch­li­che Lebenssituation der Menschen in der eige­nen Heimatgemeinde übri­gens in der Regel weit­aus mehr, als man auf den ers­ten Blick ver­mu­ten wür­de.

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  2. Anke J.

    Kennt ihr die Aktion der Lübecker Wählervereinigung BfL? Die haben Ende August per Stellenanzeige enga­gier­te Frauen für die nächs­te Liste gesucht. Leider weiß ich nicht, ob es erfolg­reich war. Ging jeden­falls groß durch die Presse.

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    1. Ruediger KohlsRuediger Kohls

      Moin,

      ich kann­te die­se Aktion [http://www.buerger-fuer-luebeck.de/pdf/50-frauen-gesucht.pdf] vor­her nicht — Auch tei­le ich die dar­in aus­ge­ge­be­ne Parole vom „Machtgehabe der Männer” nicht, das ist ja mög­li­cher­wei­se ein Lübecker Phänomen. Aber Sie zeigt bei­spiel­haft, wor­an es vie­ler­orts eben­falls man­gelt: Neben dem hohen Altersdurchschnitt herrscht in vie­len Gemeindevertretungen in der Regel erheb­li­cher Männerüberschuss. Teilweise sind die Ehefrauen der poli­tisch akti­ven Herren noch bereit „die Listen zu fül­len”, aber aktiv mit­ge­stal­ten wol­len die wenigs­ten. Gerade bei jun­gen Frauen ist viel­leicht noch die Bereitschaft vor­han­den, als bür­ger­li­che Mitglieder in Kindergarten- oder Schulausschüssen mit­zu­wir­ken.

      A pro­po­si­to: Auch als nicht gewähl­tes, sog. „bür­ger­li­ches Mitglied” in Ausschüssen kann man sich aktiv in die Kommunalpolitik ein­mi­schen! Ihre Mitarbeit stellt eine Form der unmit­tel­ba­ren Bürgerbeteiligung dar, bringt exter­nen Sachverstand in die poli­ti­sche Willensbildung ein und ent­las­tet die Gemeindevertreter. Und schließ­lich ist sie eine Möglichkeit, um ins kom­mu­nal­po­li­ti­sche Leben „hin­ein­zu­schnup­pern”: „Bürgerliche” von heu­te sind oft die Gemeindevertreter von mor­gen!

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