Warum Kommunalpolitik? Joscha J. John von den Grünen erklärt…

Von | 6. Oktober 2012

In der letz­ten Woche haben wir Lennart Fey von der SPD erklä­ren las­sen, war­um sich jun­ge Menschen in der Kommunalpolitik enga­gie­ren. Heute ist Joscha J. John von den Grünen an der Reihe.

Joscha J. John ist 20 Jahre alt und bei den GRÜNEN in Lütjenburg.

Seit wann inter­es­sierst Du Dich für Kommunalpolitik? Bzw. seit wann bist Du gewählt und für was?

„Im Jahr 2008 wur­de ich zum Vorsitzenden des Stadtjugendrings gewählt. Von da an muss­te ich mich ohne­hin mit der Politik vor Ort aus­ein­an­der­set­zen — und habe mich gleich ein biss­chen dar­in ver­tieft.

Gewählt bin ich noch nicht — aber ich kan­di­die­re nächs­tes Jahr für die Stadtvertretung. Wird Zeit, die alten Fronten zwi­schen CDU und SPD auf­zu­bre­chen und als drit­te Kraft den Laden auf­zu­mi­schen!”

Um was geht es bei Kommunalpolitik?

„Kommunalpolitik ist die letz­te Meile. Vor Ort ent­schei­det sich, ob der Rahmen, den EU-, Bundes- und Landesgesetzgebung geschaf­fen haben, ver­nünf­tig aus­ge­füllt wird oder nicht.

Daher spie­len vor allem ganz prak­ti­sche Fragen des Alltags eine Rolle: Wie stel­len wir Kinderbetreuung von Geburt bis Schulabschluss sicher, wie kön­nen wir die Wohn- und Lebensqualität für alle stei­gern, wie orga­ni­sie­ren wir umwelt­ver­träg­li­che, gene­ra­tio­nen­ge­rech­te und bezahl­ba­re Mobilitätslösungen für die Region?

Und es geht bei Kommunalpolitik auch ein­fach dar­um, mit­ein­an­der Demokratie zu leben. Die Situationen vor Ort sind nicht so kom­plex wie auf ande­ren Ebenen und gehen fast alle direkt an — daher ist es glei­cher­ma­ßen mög­lich wie wich­tig, dass alle mit­mi­schen, nicht nur Mandatstragende!”

Was ist so span­nend an Kommunalpolitik?

Joscha J. John (Mitte) im Einsatz für die grüne Sache

Joscha J. John (Mitte) im Einsatz für die grü­ne Sache

„Seien wir ehr­lich: Wirklich span­nend ist es sel­ten. Abwassergebühren und Straßenwidmungen sind tro­cke­nes Zeugs. Interessant ist aber zu beob­ach­ten, wie die ande­ren ticken, wel­che Gruppenprozesse da ablau­fen. Egal ob Gegnerin oder Mitstreiter, ob Antragstellerin oder Bürgermeister — es sind eben alles Menschen und man lernt in und vor allem nach Gremiensitzungen eine Menge über unse­re Spezies.

Ansonsten ist Kommunalpolitik für mich sel­ten Grund für flam­men­de Begeisterung, son­dern Pflichtprogramm. Sie ist ein­fach wich­tig — und auch wenn man nicht die ganz gro­ßen Schrauben dreht, bewegt man eini­ges. Man hat vie­le klei­ne Erfolgserlebnisse und sieht wahr­schein­lich viel direk­ter, was das eige­ne Handeln bewirkt, als die Profis in Berlin und Brüssel.”

Was war Dein span­nends­tes Erlebnis?

„Bei uns vor Ort gibt’s eine CDU-Fraktion mit 10, eine SPD-Fraktion mit 9 Stimmen — meist ist also klar, wie Abstimmungen aus­ge­hen. Aber manch­mal kip­pelt dann auf ein­mal doch jemand aus der Mehrheitsfraktion — die Dynamik, die sich da ganz über­ra­schend ent­fal­ten kann, ist schon span­nend.

Was war Dein bis­he­ri­ges Highlight?

Highlight war für mich der zwei­te Besuch von Robert Habeck, zusam­men mit Marret Bohn — er hat­te bei unse­rer OV-Gründung ver­spro­chen, wie­der­zu­kom­men und sich um eine ört­li­che Sachfrage in der Gesundheitspolitik zu küm­mern. Ich hat­te nicht geglaubt, dass er das tat­säch­lich macht. Tat er aber und hat echt über­zeugt.”

Was sind die Probleme von Kommunalpolitik heu­te? Und was kann man da machen?

„Die Kommunen haben immer weni­ger zu sagen — müs­sen aber immer mehr erle­di­gen und bezah­len. Es fin­den sich gleich­zei­tig immer weni­ger qua­li­fi­zier­te Leute, die neben Job/​Studium/​Familie noch ehren­amt­lich Politik in den klei­nen Orten machen kön­nen oder wol­len. Auch daher wird eine Kulturänderung hin zu viel mehr Bürgerbeteiligung vor Ort drin­gend nötig sein — und eine Neuordnung der Ebenen und ihrer Befugnisse durch eine Verwaltungsreform.”

Was muss­test Du tun, um von Deiner Partei auf­ge­stellt zu wer­den?

„Offiziell auf­ge­stellt bin ich noch nicht. Aber ich glau­be, dass ich als Gründungsmitglied und Geschäftsführer des Ortsverbandes gezeigt habe, was ich kann und wie viel Power ich in die Arbeit lege und daher gute Chancen habe.

Glücklicherweise gibt es bei uns aber tat­säch­lich kein Posten-Geschiele, son­dern ein kon­struk­ti­ves Zusammenarbeiten mit allen, bei dem irgend­wie jede und jeder sei­ne Rolle fin­det. ”

Ist Kommunalpolitik nur eine Karrierestufe — Teil der „Ochsentour” oder ist das etwas, was man auch ohne grö­ße­re Ambitionen macht?

„In der Kommunalpolitik kann man viel ler­nen — egal, was man spä­ter mal beruf­lich macht. Bestimmt ist es für vie­le, gera­de in den Volksparteien, auch Teil der Ochsentour — in mei­nem Ortsverband aber ist es der Wille, etwas zu ver­än­dern, der uns zusam­men­ge­bracht hat.”

Bist Du jetzt einer von „den Politikern”?

„Erschreckenderweise ja — inso­fern als man als Mitglied einer Partei von vie­len Leuten auf sei­ne Parteizugehörigkeit redu­ziert wird. Viele sind dann über­rascht, wenn man Ideen ande­rer Parteien lobt, eige­ne Fehler aner­kennt oder Aktionen der eige­nen Partei kri­ti­siert. Ich bin opti­mis­tisch, dass ich mei­ne Facetten behal­ten und ein kri­tisch den­ken­der Mensch blei­ben wer­de — unab­hän­gig vom Parteibuch oder Mandaten.

Ich fin­de über­haupt, dass wir Bürger_​innen nicht den Fehler machen soll­ten, „die Politiker” immer abzu­gren­zen — so schaf­fen wir erst ein „die da oben, wir hier unten”-Gefühl auf bei­den Seiten. Was klingt wie ein aus­ge­lutsch­ter Spruch, ist das Erfolgsrezept eines funk­tio­nie­ren­den Gemeinwesens: In der Demokratie kön­nen wir alle mit­mi­schen — und soll­ten es tun.”

Wird man mit Kommunalpolitik reich?

„Wer den Job wegen der Aufwandsentschädigungen macht, ist zu bemit­lei­den. Es ist schon viel Arbeit und finan­zi­ell reich wird man glau­be ich zumin­dest als ver­ant­wor­tungs­vol­ler Kommunalpolitiker nicht. Wenn doch, ver­ra­te ich hin­ter­her das Geheimrezept!”

2 Gedanken zu “Warum Kommunalpolitik? Joscha J. John von den Grünen erklärt…”:

  1. Regina Jaeger

    Wenn mehr jun­ge Leute wie Joscha die Zusammenhänge erken­nen wür­den, war­um die Belange von Kindern und Jugendlichen unter­pro­por­tio­nal beach­tet wer­den, dann wür­den sie sich viel­leicht in ähn­li­cher Weise enga­gie­ren. Fakt ist, dass Erstwähler_​innen den Kandidat_​innen oft die Frage stel­len, war­um sie über­haupt zur Wahl gehen sol­len. Als müss­te es dafür eine Prämie oder Vergleichbares geben. Es ver­hält sich umge­kehrt. Je weni­ger jun­ge Menschen sich poli­tisch ein­brin­gen, umso weni­ger wer­den ihre Interessen berück­sich­tigt. Warum soll­te man auch, als Politker_​in, der/​die wie­der­ge­wählt wer­den will?

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  2. Aristide Hamann

    Ein erfri­schen­des Interview zur Kommunalpolitik!
    Und die­se Form des Mitmachens for­dert einen jeden Monat
    aufs Neue her­aus, was man eigent­lich ver­än­dern und ver­bes­sern
    möch­te. Und wenn das so wach und enga­giert geschieht, wie
    Joscha das prak­ti­ziert, dient das dem demo­kra­ti­schen Miteinander
    im Kleinen wie im Großem. Und die Chance zur Optimierung
    kön­nen wir jeden Tag nut­zen.

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