Peilsender: Schule geht mit Technik gegen Smartphone-Spicker vor

Von | 24. Januar 2013

Am Preetzer Friedrich-Schiller-Gymnasium wer­den seit eini­ger Zeit Handy-Peilsender in Klausurenräumen ein­ge­setzt, damit Schüler, die ver­su­chen mit ihren Smartphones zu spi­cken, hoff­nungs­los auf­flie­gen. Klingt gut, oder?

In einem Artikel der Kieler Nachrichten vom 23. Januar 2013 wird berich­tet, dass an einem Preetzer Gymnasium seit län­ge­rer Zeit in Klassenarbeiten über­wacht wird, ob Schüler mit Handys spi­cken und sich zum Beispiel Lösungen aus dem Internet über ihr Smartphone besor­gen. Wenn das Gerät die Strahlung, die vom Handy aus­geht, sobald es mit einem Funkmast Kontakt auf­nimmt, erkennt, stößt es ein lau­tes Piepen aus und weist damit auf die Schummelei hin.

Das Kieler Bildungsministerium ist sich nicht sicher, ob die­se Art der Überwachung zuläs­sig ist und möch­te es juris­tisch prü­fen las­sen, wäh­rend die Piraten im Kieler Landtag auch schon eine klei­ne Anfrage zu Peilsendern in Schulen (18/​455) gestellt haben. Die Schulleiterin des Gymnasiums stand auf­grund der Rechtsunsicherheit für den heu­ti­gen Artikel in den Kieler Nachrichten – im Gegensatz zum Artikel von 17.12.2012, in dem sie das Überwachungswerkzeug noch hoff­nungs­voll vor­stellt – lei­der nicht zur Verfügung. Der schles­wig-hol­stei­ni­sche Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert habe aller­dings weni­ge Bedenken, was die Rechtslage angeht, da er kei­ne per­sön­li­chen Daten in Gefahr sieht.

Meines Erachtens hat die­ser Peilsender aller­dings eini­ge Schwachstellen:

An ers­ter Stelle steht der Überwachungsgedanke, den die Lehrer hier an den Tag legen, denn auch eine Schule ist ein Ort, an dem Grundrechte gel­ten und auch wenn bspw. die Hausordnung der Schule ver­bie­tet, sein Mobiltelefon ein­ge­schal­tet wäh­rend einer Klassenarbeit zu füh­ren, darf es nicht zu einem so gro­ßen Misstrauen gegen­über den Schülern kom­men.

Dieser „Handy-Melder” ist ein kla­rer Ausdruck von Hilflosigkeit und Kontrollwahn auf Lehrerseite, denn man meint den Esel und schlägt den Sack. Wie so oft in Diskussionen über Schule und Technik ver­fal­len die Akteure in eine Starre, die die Menschen von denen die tech­ni­schen Geräte genutzt wer­den, aus­blen­det. Es sind nicht die Handys, die spi­cken, son­dern die Schüler. Es sind auch nicht die Handys, die die Schüler auf die Idee kom­men las­sen zu spi­cken, denn um zu spi­cken, braucht man erst­mal fach­li­che Defizite, die nicht durch Handys, son­dern durch man­gel­haf­ten Unterricht ent­ste­hen.

Es ist ein Irrglaube, Spickern das Handwerk zu legen, denn dafür müss­ten die Schüler qua­si nackt zur Klausur erschei­nen.

Ein wei­te­rer Aspekt, den die Entwickler und Anwender des Peilmelders nicht beden­ken ist, dass vie­le Handys heut­zu­ta­ge den so genann­ten Flugmodus besit­zen, wel­cher jeg­li­che Funkverbindungen aus­schal­tet, ohne das Handy als gan­zes her­un­ter­zu­fah­ren, sprich der Peilsender kann gar nicht anschla­gen, da es kei­ne Strahlung gibt. Schüler, die also in der Klausur mit ihrem Mobiltelefon schum­meln wol­len, kön­nen sich wich­ti­ge Geschichtsdaten oder die lite­ra­ri­schen Merkmale des Sturm und Drangs auch in einer Notiz-App im Handy ein­spei­chern, um die­se dann ent­spannt in der Leistungsüberprüfung able­sen zu kön­nen.

Alles in allem ist die­ser Handy-Peilsender kein päd­ago­gi­sches Mittel, son­dern ein stump­fes und lücken­haf­tes Überwachungssystem, denn wie immer sucht man den Fehler in den neu­en Technologien und den „bösen” Möglichkeiten, die einem die­se bie­ten. Dass hin­ter den Schummeleien eigent­lich gewief­te Genies ste­cken, fällt all zu leicht unter den Tisch. Schüler, die schum­meln betrei­ben eigent­lich nur ast­rei­nen Selbstbetrug und wer­den im spä­te­ren Leben mer­ken, wie weit sie damit kom­men. Schummeleien sind mensch­lich und jeder hat schon­mal auf sei­ne Weise in einem Test oder einer Arbeit betro­gen; das ist mensch­lich und vor allem kein Phänomen der neu­en Technologien, denn gespickt wur­de schon immer.

Erst, wenn mit Nacktscanner Ganzkörperkontrollen vor den Klausurräumen statt­fin­den, kann man sicher sein, dass nie­mand mehr sich selbst betrü­gen kann. Ob man das dann noch für ver­tret­bar hält, ist eine ande­re Frage.

Michel Schröder
Von:

Michel Schröder (Jahrgang 1995) ist jahrelang Schülervertreter an seinem Gymnasium und Mitglied der SPD. Manchmal bloggt er auch.

13 Gedanken zu “Peilsender: Schule geht mit Technik gegen Smartphone-Spicker vor”:

  1. Steffen VoßSteffen Voß

    Ich fin­de, dass es von einer merk­wür­di­gen Schulkultur zeugt, wenn den Schülerinnen und Schülern ohne begrün­de­ten Verdacht Schummeln unter­stellt und flä­chen­de­ckend über­wacht wird. Michels Argument, dass die Lösung Lücken habe, ist gefähr­lich — das kann näm­lich dazu füh­ren, dass die Lücken mit noch mehr Überwachung geschlos­sen werden.Es könn­te aller­dings auch sein, dass die Schule ihre Schülerschaft schon ein­mal auf eine Welt vor­be­rei­ten will, in der Überwachungstechnologie all­ge­gen­wär­tig ist und der Staat prin­zi­pi­ell sei­nen Bürgerinnen und Bürger miss­traut, weil die zu schnell fah­ren, falsch par­ken, Müll auf die Straße wer­fen, in der S-Bahn Alkohol trin­ken, auf dem Klo rau­chen usw. Dann wäre die Aktion ziel­füh­rend.

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  3. energyturnaround

    Ich fin­de die Diskussion eine stark über­trie­be­ne und nicht die Maßnahme als sol­che.
    Das ein­zi­ge was mei­nes Erachtens an die­ser Maßnahme angreif­bar ist, sind die Kosten und ob sie sinn­voll ein­ge­setzt wer­den. Bei wich­ti­gen Prüfungen wie in der Kollegstufe/​Abitur mag das sinn­voll sein, bei Erdkunde der 6. Klasse wahr­schein­lich weni­ger.

    Jetzt muss natür­lich der Satz kom­men, „wer nichts zu ver­ber­gen hat hat nichts zu befürch­ten”. Dann kommt aber der berech­tig­te Einwand: Mal eben zum Spaß eine Hausdurchsuchung auch ohne schlech­tes Gewissen ist ein unnö­ti­ger Eingriff in die Privatsphäre. Auch wenn (elek­tro­ni­scher) Datenverkehr über­wacht und ana­ly­siert wird, muss man zumin­dest anneh­men, dass eine Missbrauchsgefahr vor­han­den ist.

    Dagegen ist die Lage hier eine ganz ande­re:
    Das Gerät sagt doch nur: „Hier funkt jemand”.
    Ich weiß nicht direkt wer und schon gar nicht was über­tra­gen wird. Wenn ich mich an die zitier­te Schulordnung und an das gewähr­te Vertrauen hal­te, habe ich nichts zu befürch­ten. Unschuldige kom­men nicht zu scha­den und wer­den auch nicht bei lega­len Tätigkeiten über­wacht oder gestört.

    Es gibt ja auch Bitzer im Straßenverkehr, obwohl es ein­deu­ti­ge Gesetze zum Thema Geschwindigkeit gibt und die Erfahrung hat gezeigt, dass die­se Blitzer anschei­nend gebraucht wer­den, sonst gäbe es nicht so vie­le Knöllchen.

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  4. Marcel

    „Es sind auch nicht die Handys, die die Schüler auf die Idee kom­men las­sen zu spi­cken, denn um zu spi­cken, braucht man erst­mal fach­li­che Defizite, die nicht durch Handys, son­dern durch man­gel­haf­ten Unterricht ent­ste­hen.”

    » Soso. SchülerInnen sind natür­lich über­haupt nicht faul /​ bequem /​ der­glei­chen… Und wir waren auch alle mal selbst in der Position und haben selbst­re­dend nur dann einen Spickzettel gemacht, wenn der Unterricht defi­zi­tär war.
    Ja ne is klar.

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  5. geheim

    Damals in der Schule haben wir mit klei­nen Zetteln gespickt. Und die Lehrer haben das trotz­dem meis­tens bemerkt — die ken­nen ihre Pappenheimer und wis­sen genau, bei wem sie genau­er hin­gu­cken müs­sen und ken­nen auch die meis­ten Tricks. Ich wüss­te jetzt nicht, was ein Smartphone an Vorteilen bie­ten soll­te — klar, damit kommt man ins Internet, aber es ist rie­sig, leuch­tet hell und soll­te eigent­lich auch ohne Peilsender von jedem Lehrer bemerkt wer­den.

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  6. Felicitas Hackmann

    Toller Artikel! : )
    Aber:
    „Erst, wenn mit Nacktscanner Ganzkörperkontrollen vor den Klausurräumen statt­fin­den, kann man sicher sein, dass nie­mand mehr sich selbst betrü­gen kann.”  — 

    Finde ich so nicht. Wer spi­cken will, spickt. Mit Telefon oder ohne. Ist ja nicht so, als hät­te es das „damals” nicht gege­ben. Auf das Bein schrei­ben, oder auf die Hand, Zettel in den Ärmel nähen, alles schon gese­hen… ; ) Allerdings kann man auch nicht all­ge­mein sagen, dass gespickt wird, weil der Unterricht schlecht ist. Da hat wohl jeder sei­ne eige­nen Gründe… ; )

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    1. Michel (@Aniobitom)

      Danke!
      Ich bin ja auch schon lan­ge genug Schüler, um zu wis­sen, dass jeder irgend­wie, irgend­wann bescheißt. So what. Dadurch wird sel­ten das Abi bes­ser, noch das Wissen. Ich woll­te nicht den Eindruck erwe­cken, dass es das frü­her nicht gab, gera­de das ist mir bewusst und ich fra­ge mich nur, wie­so Leute dann nur ein­sei­tig das Spicken bekämp­fen (näm­lich nur das Smartphone), obwohl doch klar ist, dass es auf tau­sen­den Wegen funk­tio­niert.
      Und ja, die Aussage zum schlech­ten Unterricht ist zu pau­schal, denn das ist nur ein klei­ner Teil der Motivation, die den Schüler zum Schummeln bringt. ;-)

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  7. Kielanwalt

    Man soll­te auch hier die Kirche im Dorf las­sen.
    1) Bloß weil’s heut­zu­ta­ge um Handys und nicht mehr nur um Spicker unterm Rock oder anders­wo geht, braucht man doch nicht in Histerie oder Sozialdogmen zu ver­fal­len, wenn eine der ältes­ten Auseinandersetzungen der Menschheit auf­ge­führt wird: Der Versuch, sich mit uner­laub­ten Mitteln einen (ver­meint­li­chen) Vorteil zu ver­schaf­fen vs. den Versuch, dies mit (hier liegt regel­mäs­sig der Knackpunkt: erlaub­ten) Mitteln zu ver­hin­dern. Und was Schüler betrifft, ist es lebens­fremd, so zu tun, als wäre der Versuch, zu schum­meln in etwa so sel­ten wie ein kor­rek­tes Literaturzitat von KTG.
    2) Wenn nicht mal Thilo Weichert ein Problem dazu for­mu­lie­ren kann, kann es mit der Grundrechtsgefährdung durch die beab­sich­tig­te Maßnahme nicht so dra­ma­tisch sein ;-)
    3) Natürlich lässt sich dis­ku­tie­ren, ob das nun eine unter ver­schie­de­nen Aspekten sinn­vol­le Aktion ist. Aber eines soll­te man schon klar sehen: Ein Verbot, des­sen Einhaltung nicht kon­trol­liert wird, ist sinn­los. Wenn die Handynutzung ver­bo­ten ist, muß das auch irgend­wie (ja, ich schrei­be das schlim­nme Wort!) über­wacht wer­den. Wie, ist eine ande­re Frage. Aber das Argument, die Kontrolle als sol­che sei „böse”, zieht in die­sem Zusammenhang nicht.
    Ebensowenig der Hinweis dar­auf, dass man ja auch noch ganz anders schum­meln könn­te. Das ist sicher rich­tig, aber in der Konsequenz zu kurz gedacht: Wäre das rich­tig, müß­te man z.B. auf Alkoholkontrollen im Strassenverkehr schon des­halb ver­zich­ten, weil man sich auch mit ande­ren Rauschmitteln fehar­un­tüch­tig machen kann…

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  11. Eso-Policier

    Man soll­te über­haupt ein­mal die Anzahl der tech­ni­schen Geräte redu­zie­ren. Und man soll­te tech­ni­sche Geräte in lang­sa­me­rem Tempo wei­ter ent­wi­ckeln. Und es ist sinn­voll, Naturforschung zu för­dern. Mehr dazu auf mei­nem Blog.

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