Mammutaufgabe Glasfaserausbau

Von | 14. Mai 2013

Weit hat uns der gute, alte Klingeldraht gebracht: Seit 100 Jahren ist er die Kommunikationslösung schlecht­hin. Erst Telefon, dann Fax und Modems — 14.400 kbit/​s mehr gin­ge tech­nisch gar nicht. Dann kam 28.8er Modems und dann ISDN. Plötzlich stieß DSL Türen zu ganz ande­ren Übertragungsraten auf. Zurzeit gehen bei mir 30 MBit über die­sen dün­nen Kupferdraht, der bei mir im Haus sicher 50 Jahre alt ist. Verlegt wur­de die­ses Netz damals auf Kosten der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler vom Fernmeldeamt. Heute ist das Fernmeldeamt die Deutsche Telekom. Und der gehört immer noch die­ses Drahtnetz — die soge­nann­te „letz­te Meile”. Erst ab dem Hauptverteiler haben die ver­schie­de­nen Internet- und Telefonanbieter eige­ne Leitungen. Und die sind in der Regel Glasfasern, denn Glasfasern bie­ten ziem­lich unbe­grenzt viel Übertragungsleistung. Während beim Kupferkabel heu­te bei 50 MBit Schluss ist, fängt man bei Glasfaser erst bei 100MBit an zu rech­nen. Giga-Bit ist gar kein Problem. Und die­se Technologie ist auch die Antwort auf den ste­tig stei­gen­den Bandbreitenbedarf.

Die gro­ße Herausforderung ist, die­se Glasfaser auch bis in die Wohnung zu bekom­men. Denn nur dann ste­hen die vol­len Möglichkeiten der neu­en Technologie zur Verfügung. In Nordfriesland gibt es das schon: 100 MBit kos­ten 46,90 EUR. Dort war der Druck so hoch, dass sich Unternehmen, Gemeinden, Banken und Privatpersonen zusam­men­ge­tan haben, um das Glasfasernetz zu ver­le­gen. Vor allem das Geld aus der Windenergie wur­de dort direkt vor Ort inves­tiert, weil man nicht dar­auf war­ten konn­te, dass einer der gro­ßen Telekommunikationskonzerne das über­nimmt. In den USA hat Google den Markt auf­ge­mischt und bie­tet in eini­gen Gemeinden 1 Gbit für 54,- EUR an.

Ganz anders sieht das zum Teil in Schleswig-Holsteins Städten aus: In Kiel kom­men die Einwohner zurecht. Die meis­ten sind noch mit 16 MBit zufrie­den und sie wis­sen, dass sie auch noch 50 Mbit oder 100Mbit bekom­men kön­nen. Die Telekom macht viel Werbung für ihr „Giganetz”. So heißt ihr Glasfaserprojekt.

Doch die Telekom will hier nicht Glasfaser in jede Wohnung legen. „Fiber to the Node” (FTTN) heißt das und es bedeu­tet, dass die letz­te Meile in der Regel wei­ter­hin Klingeldraht bleibt. Aus dem will die Telekom per „Vectoring” noch ein­mal mehr Leistung her­aus­quet­schen. Dazu muss sie aller­dings steu­ern, wann wel­che Daten über wel­ches Kabel raus gehen. Und das geht nur, wenn sie wie­der die vol­le Kontrolle über die Verteiler bekommt. Die Bundesnetzagentur hat das kürz­lich erlaubt. Die Konkurrenz betrach­tet das als Schritt zurück zum Monopol der Telekom. Die Wirtschaftswoche ver­mu­tet dahin­ter System — es klingt aber noch ein wenig nach Verschwörungstheorie.

Klar ist in jedem Fall: Wo die Telekom so ein hal­bes Glasfasernetz auf­baut, ist der Markt tot. Es lohnt sich ein­fach nicht, mehr als ein Glasfasernetz zu ver­gra­ben. Glasfaser ist eigent­lich die klas­si­sche Infrastruktur, die staat­lich zur Verfügung gestellt wer­den müss­te. Kiel aber zum Beispiel kann sich das nicht leis­ten: Das ÖPNV-Netz ist am Limit, die Kanalisation ist am Limit, Schulen müs­sen reno­viert und Kitaplätze geschaf­fen wer­den. Da muss das Internet noch eini­ge Zeit hal­ten. Und bis­her hat kaum jemand das kom­men­de Problem bemerkt.

Die Kieler Nachrichten berich­te­ten ges­tern von eine Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK) und des Breitbandkompetenzzentrums (die sich im Internet nicht fin­den lässt), nach der auch im Kieler Stadtgebiet Engpässe bei den Internetanschlüssen für Firmen fest­ge­stellt wur­den. Eine Familie mag mit 50MBit noch zurecht kom­men — eine Firma mit eini­gen Beschäftigten, die das Netz nicht nur für Recherchen und Online-Banking benut­zen, kön­nen die Leitungen schnell ver­stop­fen. Der Austausch von Dateien mit Kunden oder ande­ren Niederlassungen kann so emp­find­lich aus­ge­bremst wer­den.

Das Land hat vor ein paar Monaten sei­ne Breitbandstrategie vor­ge­stellt. Bis 2030 sol­len alle Haushalte mit Glasfaser ver­sorgt sein. Das ist noch ziem­lich weit weg. Branchenkenner nen­nen das trotz­dem ein enga­gier­tes aber schaff­ba­res Ziel. Zum Teil küm­mern sich die Kreise um die Umsetzung, eini­ge Kommunen grün­den Zweckverbände, man­che küm­mern sich gar nicht dar­um. In eini­gen enga­gie­ren sich die ver­blie­be­nen kom­mu­na­len Stadtwerke. Dabei steht Schleswig-Holstein bun­des­weit gar nicht so schlecht da — International aber ist Deutschland weit abge­schla­gen: In einer euro­pa­wei­ten Studie liegt Deutschland noch hin­ter Rumänien.

Die Frage ist, ob man das Ziel bis 2030 tat­säch­lich erreicht, wenn der Ausbau so unko­or­di­niert wie bis­her pas­siert. Jeder Kommune wird es kom­plett selbst über­las­sen, ob und wie sie sich um den Ausbau küm­mert. Andererseits wird man schwer alle Kommunen unter einen Hut bekom­men. Die 15 Punkte in der Breitbandstrategie spre­chen die ver­schie­de­nen Stellschrauben an, die der Landesregierung zur Verfügung ste­hen. In sei­ner ers­ten Regierungerklärung hat­te Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) die Wichtigkeit des Ausbaus her­vor­ge­ho­ben und erklärt, dass sein Wirtschaftminister Reinhard Meyer (SPD) das zur Chefsache mache. Gute Pläne und gro­ße Worte gibt es also genug. Es muss „nur noch” umge­setzt wer­den — eine Mammutaufgabe.

12 Gedanken zu “Mammutaufgabe Glasfaserausbau”:

  1. Siegfried Fock

    Ich woh­ne in Kiel-Suchsdorf (An der Au) und bekom­me mit Hängen und Würgen DSL 6000 von der Telekom. Mehr wür­de defi­ni­tiv nicht mög­lich sein (auch Kielnet oder TNG waren auf Nachfrage ver­hal­ten). Und selbst das erst seit­dem ich einen IP-Anschluss nut­ze. Sonst nur DSL 3000. Zurecht kommt bes­ten­falls nur der Innenstadtbereich. Aber schö­ner Artikel ! sf.

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  2. Tim Schlotfeldt

    > Breitbandkompetenzzentrums (die sich im Internet nicht fin­den lässt),

    bkzsh.de

    Ich glau­be übri­gens nicht, dass es eine Frage der Koordination ist, son­dern schlicht eine Frage der Finanzierung. Die Breitbandstrategie des Landes hat näm­lich noch eine gro­ße Finanzierungslücke und hofft dar­um auf Bürgerbeteiligung.

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    1. Steffen VoßSteffen Voß Post author

      Die Frage ist doch, ob sich jede Kommune allei­ne über­le­gen muss, wie sie den Ausbau finan­ziert.

      Ich fin­de, die Konstruktion in Nordfriesland ist eine tol­les Beispiel dafür, wel­chen Vorteil die­se Bürgerwindparks haben — Die Menschen, die auf die Windmühlen gucken müs­sen, pro­fi­tie­ren da direkt von und kön­nen ihr Leben ver­bes­sern. Das Geld bleibt in der Region. Daraus ent­steht jetzt eine Internetinfrastruktur, an der auch wie­der die Region ver­dient.

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  3. Michael

    Ich fin­de bestimm­te Zufälle beim erschlie­ßen von VDSL in mei­ner länd­li­chen Gegend sehr inter­es­sant.

    Da kün­digt z.B. ein regio­na­ler Anbieter (WegezweckVerband) oder ein Anbieter wie „UnserOrtsnetz” an, Glasfaser ver­le­gen zu wol­len um damit Gespräche mit den Gemeinden anzu­re­gen. Und wie aus der Pistole geschos­sen, schlägt ein Vertreter der Telekom beim Bürgermeister auf und ver­kauft Ihm VDSL für das Dorf. Jahrelang wur­de man igno­riert, mal abge­se­hen von gro­ßen Firmen, die beka­men VDSL, und auf ein­mal funk­tio­niert es. Und dann erfährt man, daß die wich­ti­ge Leitung für das VDSL schon seit Jahren vor­han­den ist. Aber jetzt plötz­lich schließt man auch das Dorf an.

    Das riecht schon sehr streng. Jetzt wird bei uns das VDSL der Telekom bereits gelegt und die Vorteile von Glasfaser im Gegensatz zu VDSL sind den meis­ten Bewohnern schwer bis gar nicht klar zu machen. Damit hat die Telekom nur so viel wie nötig getan obwohl auch mehr gin­ge.

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    1. Steffen VoßSteffen Voß Post author

      Das riecht höchs­tens nach Marktwirtschaft. Man kann doch der Telekom nicht vor­wer­fen, dass sie sich wirt­schaft­lich ver­hält. Und man kann auch der Gemeinde nicht vor­wer­fen, dass sich sich das Netz von dem­je­ni­gen bau­en lässt, der es als ein­zi­ger macht.

      Dass das nicht die idea­le Lösung ist, steht auf einem ande­ren Blatt.

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  4. Swen Wacker

    Was nicht pas­sie­ren darf: Jemand pickt sich die Rosinen raus und ver­legt Glasfaser im Stadtteil A, nicht aber im Stadtteil B, weil sich Stadtteil A für ihn betriebs­wirt­schaft­lich „rech­net”, B aber nicht. Denn dann wür­de Stadtteil B auf Dauer drau­ßen sein, weil es sich ohne Mischkalkulation danach wohl nie wie­der rech­nen wird, B ans Netz zu brin­gen. Das glei­che Problem gilt für klei­ne­re und grö­ße­re Gemeinden/​Ortsteile im länd­li­chen Bereich.

    Bevor das dann dem Steuerzahler ange­las­tet wird, soll­te das glei­che Denkmuster, das wir bei ande­ren Infrastruktur-, Forschungs- oder Innovationsprojekten wie der Fehmarnbeltquerung, dem Erhalt einer Universität oder dem Flug zum Mond benut­zen, auch hier ange­wandt wer­den.

    Wobei das ja nicht aus­schließt, dass die Erschließung nicht etwa einem staat­li­chen Monopol-Unternehmen über­ge­ben wird, son­dern in einer Ausschreibung einem (pri­va­ten) Unternehmen über­las­sen wird.

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    1. Frank Ulrich

      Über dei­ne Feststellungen könn­te man in vie­ler­lei Hinsicht kri­tisch dis­ku­tie­ren — einen Aspekt will ich hier nur anmer­ken: Sofern man Anbieter zwin­gen will, nicht ren­ta­ble Gebiete zu erschlies­sen, dann woll­te der glei­che Zwang auch auf Nutzerseite aus­ge­übt wer­den, die­se Anschlüsse dann auch zu nutzen/​bezahlen.

      Das will auch kei­ner und des­halb ist das Thema u.a. lei­der so kom­plex!

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  5. Malte Sommerfeld

    Egal bei wem ich im letz­ten Jahr außer­halb grö­ße­rer Ortschaften zu Gast war, kei­ner hat­te mehr als 1 MBit/​s zur Verfügung. Mag Zufall sein, aber es weckt doch auf. Durch den immer wie­der nach­hän­gen­den Ausbau länd­li­cher Räume bei der Breitbandanbindung wer­den die­se immer wei­ter ins Hintertreffen gera­ten. Daher soll­te man bei einer Ausbauplanung die Versorgung markt­wirt­schaft­lich pro­fi­ta­bler Regionen (v.a. Großstädte) an den Ausbau der länd­li­chen Räume kop­peln.

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    1. Steffen VoßSteffen Voß Post author

      Die Kopplung ändert nichts dar­an, dass es finan­ziert wer­den muss. Und das feh­len­de Geld ist ja bei der Telekom gera­de das Argument dafür, dass sie ihre Volumentarife ein­führt. Das ist ja nur eine ver­steck­te Preiserhöhung. Die Wirtschaftswoche beschreibt ja die Strategie.

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