Bildungsministerin Wara Wende streicht das Heimat aus dem „Heimat- und Sachkundeunterricht“ (HSU), hieß es letzte Woche und schon werden die reaktionären Kräfte des Bildungspolitik aktiv. Was für ein Skandal, eine Ministerin ändert per Erlass den Namen eines Schulfachs, das an den schleswig-holsteinischen Grundschulen unterrichtet wird.
Das Fach HSU habe ich durch meine fortgeschrittene Schullaufbahn schon fast vergessen, denn 2005 wurde ich das letzte Mal an meiner Grundschule unterrichtet. Was ich aber schon damals eher nicht an diesem Fach verstand, war die Namensgebung, da dieses Schulfach meines Erachtens wenig mit der Heimat zutun hat und mehr mit Sachunterricht, der – bezieht man es auf die weiterführenden Schulen – Erdkunde, Gesellschaftskunde & Biologie zusammenfasst. Die Themen des Unterrichts waren vielfältig, egal ob man Regenwürmer untersuchte, Kartoffelstempel bastelte oder sexuell aufgeklärt wurde, aber einen wirklichen Bezug zu „dieser Heimat“ von der immer alle reden, war nicht wirklich vorhanden.
Ich fand die Namensänderung, die letzte Woche bekanntgegeben wurde, als eine sinnvollere, weltoffenere Art, diesen Unterricht sachgerecht zu benennen, denn um Heimat an sich geht es wenig bis gar nicht.
Nun startete natürlich gleich wieder der „Bombenangriff“ auf die Ministerin und die Regierung (Heimatverliebte nennen die Koalition „Dänenampel“), es sei wieder „linksideologisch“ und blödsinning, „Heimat“ zu streichen, da die „Heimat“ ja identitätsstiftend für Grundschüler ist. Dem will ich persönlich gar nicht widersprechen, doch ist es ein wenig kleinkariert, sich über eine Namensänderung zu ärgern, wenn Unterrichtsinhalte nicht ansatzweise berührt und verändert werden. Die Änderung bietet sich natürlich vortrefflich als Angriffsfläche für eine anscheinend gelangweilte Opposition an, wenn man keine schwerwiegendere Kritik an der Politik der Landesregierung anzubringen hat.
Am Dienstag, den 11. Juni wurde nun bekannt, dass die Ministerin den Namen des Faches erneut ändern möchte, ab 1. August soll das Fach „Heimat-, Welt- und Sachkunde“ heißen, was für Kritiker der Streichung des Heimatbegriffs sicher ein kleiner Triumph ist.
Ich persönlich finde diese Änderung aktzeptabel, denn sie zeigt eine grundsätzliche Kompromissbereitschaft. Trotzdem war die Umbenennung hinsichtlich einer weltoffeneren Gesellschaft ein großer, mutiger Schritt, denn Toleranz und Miteinander werden zunehmend wichtiger. Zeiten ändern sich und die Grundschule sollte kein Ort für Deutschtümeleien sein, denn Heimat ist etwas, was jeder für sich definieren muss und ob ein Schulfach diesen Begriff nun führt oder nicht, ist mehr als irrelevant.
Hm, also von 1976 bis 1980 habe ich in tiefster CDU-Zeit die Friedrich-Ebert-Grundschule in Büdelsdorf besucht. Und meine Zeugnisse sagen nur Sachunterricht. Komisch, war wohl alles total linksideologisch damals :-). Wann ist denn die Heimat überhaupt dazugekommen, weiß das jemand? Am Ende war es vielleicht sogar eine böse sozialdemokratische Bildungsministerin?
Kai
Zu meiner Grundschulzeit, 82 – 86 hieß das schon Heimat– und Sachkundeunterricht. Und man wundert sich, dass es ein Problem ist, einen so unhandlichen Namen mal zu kürzen.
Lieber Michel, ich habe im Gegensatz zu dir in meiner Dorfgrundschule durchaus eine Menge über die „Heimat” gelernt, so wurde ich bspw. mit Karten von Schleswig-Holstein, den Flüssen und lustigerweise auch mit den zahlreichen Bergen in Schleswig-Holstein gequält. Insofern hat die Heimat vielleicht durchaus ihre Berechtigung, aber wird der Inhalt eines Faches wirklich nur über den Namen des Faches definiert? Bislang dachte ich, dafür gäbe es so etwas wie (zwar völlig antiquierte, aber immerhin vorhandene) Lehrpläne. Und seien wir ehrlich, wie viel lernt man im Fach Religion über Religion und wie viel über Ethik oder solcherlei, wie viel im Fach Kunst über Kunst?
Und außerdem frage ich mich, wie schon im letzten Jahr, als das Fach Erdkunde in Geographie umbenannt wurde, ob es im Bildungsministerium und in der Presse nichts Wichtigeres gibt, als Fächer umzubenennen oder sich über diese Umbenennung aufzuregen. Das ist doch lächerlich.
Flo
Hey Michel,
ich habe erst kürzlich ein Praktikum an einer Grundschule gemacht und kann sagen, dass dort sehr wohl Heimatkunde unterrichtet wurde. Und weißt du, was mich umso mehr erschreckt? Das Bildungsministerium begründete die Umbenennung damit, dass man den Namen ja lediglich an die „Unterrichtswirklichkeit” anpassen wolle.
Ganz offenbar hat Bildungsministerin Wende seit Ewigkeiten keine Unterrichtshospitationen vorgenommen. Sie sollte sich diese „Unterrichtswirklichkeit” zwingend ansehen, bevor sie Entscheidungen trifft, die unsinnig sind.
Wann immer Wende Aussagen über die Arbeit von Lehrern oder die Situation von Schülern trifft, gewinne ich den Eindruck, dass sie noch nie eine mehrwöchige Hospitation in einer Schule gemacht hat.
Das finde ich schade!
Lieber Herr Schröder,
ich kenne die SPD (bis 2008) aus der Innenperspektive und weiß natürlich auch, dass man sich als junger Mensch mit solchen Artikelchen in dieser Partei für „höhere” Aufgaben empfehlen kann. Aber einem Gefallen tun Sie diesem Blog und sich damit glaube ich nicht. Ein gewisses Niveau sollte dann doch gehalten werden.
Ich habe im Heimat- und Sachkundeunterricht zu meiner Schulzeit etwas über den Aufbau von Deichen, das Watt und die Nisthöhe von Amsel gelernt. Also etwas über meine Heimat Schleswig-Holstein. Der Heimatbegriff hat den Lehrinhalt also recht zutreffend beschrieben.
Welchen semantischen Gehalt soll demgegenüber die Fächerbezeichnung „Sachkundeunterricht” haben? „Sachkunde” bedeutet nicht mehr und nicht weniger als Kenntnisse in einem Themenbereich, freilich ohne diesen Themenbereich zu benennen. Unter „Sachkunde” ließe sich mit Fug und Recht also der gesamte Schulunterricht — Mathematik wie Deutsch, Erdkunde wie Französisch — subsumieren. Die „Bezeichnung” „Sachkundeunterricht” ist mithin völlig untauglich, denn sie bezeichnet nichts.
In der Hoffnung, in diesem Blog — dessen Existenz mich freut — wieder Anspruchsvolleres zu lesen, verbleibe ich mit freundlichem Gruß,
Helge Hildebrandt
Ich lachte laut. Besonders über Ihren Absatz zur SPD.
Nur als Tipp: Man tritt niemals aus, man stirbt irgendwann.
Trotzdem vielen Dank für Ihre Meinung. Schreiben Sie doch selbst etwas für das Landesblog. Da Sie Schleswig-Holsteiner sind, sollten Sie dazu qualifiziert sein.