Heimat und Welt passen zusammen - Ja, und?

Von | 15. Juni 2013

Bildungsministerin Wara Wende streicht das Heimat aus dem „Heimat- und Sachkundeunterricht“ (HSU), hieß es letz­te Woche und schon wer­den die reak­tio­nä­ren Kräfte des Bildungspolitik aktiv. Was für ein Skandal, eine Ministerin ändert per Erlass den Namen eines Schulfachs, das an den schles­wig-hol­stei­ni­schen Grundschulen unter­rich­tet wird.

Das Fach HSU habe ich durch mei­ne fort­ge­schrit­te­ne Schullaufbahn schon fast ver­ges­sen, denn 2005 wur­de ich das letz­te Mal an mei­ner Grundschule unter­rich­tet. Was ich aber schon damals eher nicht an die­sem Fach ver­stand, war die Namensgebung, da die­ses Schulfach mei­nes Erachtens wenig mit der Heimat zutun hat und mehr mit Sachunterricht, der – bezieht man es auf die wei­ter­füh­ren­den Schulen – Erdkunde, Gesellschaftskunde & Biologie zusam­men­fasst. Die Themen des Unterrichts waren viel­fäl­tig, egal ob man Regenwürmer unter­such­te, Kartoffelstempel bas­tel­te oder sexu­ell auf­ge­klärt wur­de, aber einen wirk­li­chen Bezug zu „die­ser Heimat“ von der immer alle reden, war nicht wirk­lich vor­han­den.

Ich fand die Namensänderung, die letz­te Woche bekannt­ge­ge­ben wur­de, als eine sinn­vol­le­re, welt­of­fe­ne­re Art, die­sen Unterricht sach­ge­recht zu benen­nen, denn um Heimat an sich geht es wenig bis gar nicht.

Nun star­te­te natür­lich gleich wie­der der „Bombenangriff“ auf die Ministerin und die Regierung (Heimatverliebte nen­nen die Koalition „Dänenampel“), es sei wie­der „links­ideo­lo­gisch“ und blöd­sin­ning, „Heimat“ zu strei­chen, da die „Heimat“ ja iden­ti­täts­stif­tend für Grundschüler ist. Dem will ich per­sön­lich gar nicht wider­spre­chen, doch ist es ein wenig klein­ka­riert, sich über eine Namensänderung zu ärgern, wenn Unterrichtsinhalte nicht ansatz­wei­se berührt und ver­än­dert wer­den. Die Änderung bie­tet sich natür­lich vor­treff­lich als Angriffsfläche für eine anschei­nend gelang­weil­te Opposition an, wenn man kei­ne schwer­wie­gen­de­re Kritik an der Politik der Landesregierung anzu­brin­gen hat.

Am Dienstag, den 11. Juni wur­de nun bekannt, dass die Ministerin den Namen des Faches erneut ändern möch­te, ab 1. August soll das Fach „Heimat-, Welt- und Sachkunde“ hei­ßen, was für Kritiker der Streichung des Heimatbegriffs sicher ein klei­ner Triumph ist.

Ich per­sön­lich fin­de die­se Änderung akt­zep­ta­bel, denn sie zeigt eine grund­sätz­li­che Kompromissbereitschaft. Trotzdem war die Umbenennung hin­sicht­lich einer welt­of­fe­ne­ren Gesellschaft ein gro­ßer, muti­ger Schritt, denn Toleranz und Miteinander wer­den zuneh­mend wich­ti­ger. Zeiten ändern sich und die Grundschule soll­te kein Ort für Deutschtümeleien sein, denn Heimat ist etwas, was jeder für sich defi­nie­ren muss und ob ein Schulfach die­sen Begriff nun führt oder nicht, ist mehr als irrele­vant.

Michel Schröder
Von:

Michel Schröder (Jahrgang 1995) ist jahrelang Schülervertreter an seinem Gymnasium und Mitglied der SPD. Manchmal bloggt er auch.

6 Gedanken zu “Heimat und Welt passen zusammen - Ja, und?”:

  1. Kai Dolgner

    Hm, also von 1976 bis 1980 habe ich in tiefs­ter CDU-Zeit die Friedrich-Ebert-Grundschule in Büdelsdorf besucht. Und mei­ne Zeugnisse sagen nur Sachunterricht. Komisch, war wohl alles total links­ideo­lo­gisch damals :-). Wann ist denn die Heimat über­haupt dazu­ge­kom­men, weiß das jemand? Am Ende war es viel­leicht sogar eine böse sozi­al­de­mo­kra­ti­sche Bildungsministerin?

    Kai

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    1. Steffen VoßSteffen Voß

      Zu mei­ner Grundschulzeit, 82 – 86 hieß das schon Heimat– und Sachkundeunterricht. Und man wun­dert sich, dass es ein Problem ist, einen so unhand­li­chen Namen mal zu kür­zen.

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  2. Florian Lienau

    Lieber Michel, ich habe im Gegensatz zu dir in mei­ner Dorfgrundschule durch­aus eine Menge über die „Heimat” gelernt, so wur­de ich bspw. mit Karten von Schleswig-Holstein, den Flüssen und lus­ti­ger­wei­se auch mit den zahl­rei­chen Bergen in Schleswig-Holstein gequält. Insofern hat die Heimat viel­leicht durch­aus ihre Berechtigung, aber wird der Inhalt eines Faches wirk­lich nur über den Namen des Faches defi­niert? Bislang dach­te ich, dafür gäbe es so etwas wie (zwar völ­lig anti­quier­te, aber immer­hin vor­han­de­ne) Lehrpläne. Und sei­en wir ehr­lich, wie viel lernt man im Fach Religion über Religion und wie viel über Ethik oder sol­cher­lei, wie viel im Fach Kunst über Kunst?
    Und außer­dem fra­ge ich mich, wie schon im letz­ten Jahr, als das Fach Erdkunde in Geographie umbe­nannt wur­de, ob es im Bildungsministerium und in der Presse nichts Wichtigeres gibt, als Fächer umzu­be­nen­nen oder sich über die­se Umbenennung auf­zu­re­gen. Das ist doch lächer­lich.

    Flo

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  3. Enrico

    Hey Michel,
    ich habe erst kürz­lich ein Praktikum an einer Grundschule gemacht und kann sagen, dass dort sehr wohl Heimatkunde unter­rich­tet wur­de. Und weißt du, was mich umso mehr erschreckt? Das Bildungsministerium begrün­de­te die Umbenennung damit, dass man den Namen ja ledig­lich an die „Unterrichtswirklichkeit” anpas­sen wol­le.
    Ganz offen­bar hat Bildungsministerin Wende seit Ewigkeiten kei­ne Unterrichtshospitationen vor­ge­nom­men. Sie soll­te sich die­se „Unterrichtswirklichkeit” zwin­gend anse­hen, bevor sie Entscheidungen trifft, die unsin­nig sind.
    Wann immer Wende Aussagen über die Arbeit von Lehrern oder die Situation von Schülern trifft, gewin­ne ich den Eindruck, dass sie noch nie eine mehr­wö­chi­ge Hospitation in einer Schule gemacht hat.
    Das fin­de ich scha­de!

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    1. Helge Hildebrandt

      Lieber Herr Schröder,

      ich ken­ne die SPD (bis 2008) aus der Innenperspektive und weiß natür­lich auch, dass man sich als jun­ger Mensch mit sol­chen Artikelchen in die­ser Partei für „höhe­re” Aufgaben emp­feh­len kann. Aber einem Gefallen tun Sie die­sem Blog und sich damit glau­be ich nicht. Ein gewis­ses Niveau soll­te dann doch gehal­ten wer­den.

      Ich habe im Heimat- und Sachkundeunterricht zu mei­ner Schulzeit etwas über den Aufbau von Deichen, das Watt und die Nisthöhe von Amsel gelernt. Also etwas über mei­ne Heimat Schleswig-Holstein. Der Heimatbegriff hat den Lehrinhalt also recht zutref­fend beschrie­ben.

      Welchen seman­ti­schen Gehalt soll dem­ge­gen­über die Fächerbezeichnung „Sachkundeunterricht” haben? „Sachkunde” bedeu­tet nicht mehr und nicht weni­ger als Kenntnisse in einem Themenbereich, frei­lich ohne die­sen Themenbereich zu benen­nen. Unter „Sachkunde” lie­ße sich mit Fug und Recht also der gesam­te Schulunterricht — Mathematik wie Deutsch, Erdkunde wie Französisch — sub­su­mie­ren. Die „Bezeichnung” „Sachkundeunterricht” ist mit­hin völ­lig untaug­lich, denn sie bezeich­net nichts.

      In der Hoffnung, in die­sem Blog — des­sen Existenz mich freut — wie­der Anspruchsvolleres zu lesen, ver­blei­be ich mit freund­li­chem Gruß,

      Helge Hildebrandt

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      1. Michel Schröder

        Ich lach­te laut. Besonders über Ihren Absatz zur SPD.

        Nur als Tipp: Man tritt nie­mals aus, man stirbt irgend­wann.
        Trotzdem vie­len Dank für Ihre Meinung. Schreiben Sie doch selbst etwas für das Landesblog. Da Sie Schleswig-Holsteiner sind, soll­ten Sie dazu qua­li­fi­ziert sein.

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