Möbel Kraft in Kiel ist Unsinn, aber nicht wegen der erhaltenswerten Kleingärten

Von | 26. November 2013
Kleingarten in Kiel

Kleingärten in Kiel / https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.deCC-BY

Seit eini­ger Zeit ver­fol­ge ich nun schon die Diskussion um die Ansiedlung von Möbel Kraft an der Auffahrt zur A215 in Kiel, direkt neben dem IKEA. Die Argumente las­sen sich grob zusam­men­fas­sen mit der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Unterstützung des loka­len Baugewerbes. Die Argumente dage­gen umfas­sen den Schutz der Kleingärtner, die Erhaltung der Grünflächen und die Angst vor einem wei­te­ren Verlust von Kaufkraft in den Innenstadtlagen. Der Streit wird aus mei­ner Sicht recht emo­tio­nal geführt und mün­det nun wohl in einer Bürgerabstimmung, wenn ich den Berichten der KN zu die­sem Thema rich­tig gefolgt bin. Ich bin Unternehmer und mein Herz schlägt grund­sätz­lich für wirt­schaft­li­ches Wachstum, so dass ich grund­sätz­lich den Argumenten für eine Ansiedlung zustim­men möch­te. Leider hat sich aber das Marktumfeld stark ver­än­dert – die Sinnhaftigkeit der gro­ßen 50.000m² Möbelhäuser ist mehr als frag­lich gewor­den und damit zweif­le ich auch sehr stark die wirt­schaft­li­che Nachhaltigkeit einer Möbelkraftansiedlung in Kiel an.

Ich beschäf­ti­ge mich beruf­lich seit gerau­mer Zeit inten­siv mit den Veränderungen in der Möbelbranche. Es gibt ein paar wich­ti­ge Entwicklungen, die lang­fris­tig den Möbelhandel so ver­än­dern, dass gro­ße Möbelkaufhäuser kaum noch sinn­voll sind. Die wich­tigs­te Veränderung liegt im boo­men­den Onlinehandel.

Das Internet verändert das Kaufverhalten

Kaufverhalten

Kaufverhalten online vs. off­line

Im tra­di­tio­nel­len, sta­tio­nä­ren Handel über­le­gen die Kunden zunächst, zu wel­chem Anbieter sie gehen, um nach einem neu­en Sofa zu schau­en und es dann zu kau­fen. Online suchen sich Kunden zuerst ein Produkt aus und schau­en dann, wo sie es kau­fen kön­nen. Eine Ausnahme sind star­ke Marken von Herstellern oder Händlern. Bei IKEA zum Beispiel sucht die Kundschaft die Webseite auf und schaut, wel­che Sofas ange­bo­ten wer­den.

Möbel Kraft hat aber anders als IKEA oder auch VITRA kei­ne so star­ke Marke. Kaum jemand sucht nach „Möbel Kraft Sofa” online. Möbel Kraft wird also kaum von dem Onlinehandel pro­fi­tie­ren kön­nen. Den Effekt habe ich in einem Artikel auf Kassenzone.de beschrie­ben.

Online-Handel wächst massiv

Einzelhandel (EZH) Umsatzverteilung

Einzelhandel (EZH) Umsatzverteilung

Bisher konn­ten die Kritiker des Onlinehandels noch argu­men­tie­ren, dass Leute auch wei­ter­hin bei ihrem Möbelhaus vor Ort kau­fen wol­len. Dazu kommt, dass das Onlineangebot noch nicht so umfang­reich ist. In den letz­ten zwei Jahren hat der E-Commerce aller­dings mas­siv zuge­nom­men. Selbst zurück­hal­ten­de Prognosen gehen davon aus, dass in den nächs­ten fünf bis sie­ben Jahren ca. 50 Mrd. Euro zusätz­lich online umge­setzt wer­den. Das sind ca. 20% des gesam­ten Einzelhandels ohne Lebensmittel, Apotheken, KFZ und Kraftstoffe (grü­ne Linie in der Grafik) und umfasst auch die Möbelbranche. Möbelhändler ohne star­ke Händlermarken wer­den es daher schwer haben zu über­le­ben und gegen auf­stre­ben­den Onlinehändler — die „Amazons” des Möbelhandels — zu bestehen. Zwar wird bis­her nur ein klei­ner Teil des 40 Mrd. Euro Möbelhandels online gehan­delt, aber seriö­se Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2020 5 – 7 Mrd. Euro des (Möbel-) Gesamtmarktes online gehan­delt wer­den.

Diese bei­den Effekte aus dem Onlinehandel wir­ken sich also mas­siv nach­tei­lig für Möbel Kraft aus. Für eine star­ke Marke wie IKEA wird der Effekt wohl neu­tral aus­fal­len. Die wer­den zwar Online-Umsätze hin­zu­ge­win­nen, aber weni­ger Mitnahmeprodukte (Deko, Batterien, Kleinkram) über den Onlineshop ver­kau­fen kön­nen. Diese Produkte sor­gen heu­te für einen gro­ßen Teil des IKEA Gewinns. IKEA steht in Deutschland für Möbel wie Mediamarkt für Elektronik. Sie sind unter den Top 5 Handelsmarken in Deutschland und Möbelkraft ist im Vergleich dazu eine eher schwa­che Möbelmarke. Warum soll­te ein Kunde zu Möbelkraft fah­ren und nicht zu IKEA, wenn die Auffahrt nur 100m wei­ter ist? Noch kri­ti­scher wird die­se Frage, wenn man sie auf den Onlinekanal bezieht.

Bisher hält sich unter Möbelhändlern zwar beharr­lich die Aussage, dass Möbel nicht online han­del­bar sind wie Schuhe, Bücher oder Kleidung, aber das Wachstum aktu­el­ler Möbelhändler (Home24, Amazon, Avandeo….) beweist das Gegenteil. Die Aussage „Kunden wol­len das Sofa vor­her Probe sit­zen.“ hat naht­los das Mantra der nun insol­ven­ten Schuhhändler „Kunden wol­len den Schuh vor dem Kauf anpro­bie­ren.“ ersetzt.

Billiges Geld für neue Möbelhäuser

Die Kalkulation eines gro­ßen Möbelhauses läuft über 20 – 30 Jahre. Möbel Kraft dürf­te durch die aktu­el­le Zinslage und die gute Bonität zudem einen erheb­li­chen Teil der Investitionen über Banken finan­zie­ren kön­nen. Und wenn man sich mal in die heu­ti­ge Lage eines Möbelhändlers ver­setzt, dann gibt es kaum bes­se­re Anlagemöglichkeiten als neue Möbelhäuser zu bau­en.

Ich befürch­te aber, dass spä­tes­tens 3 – 5 Jahre nach der Fertigstellung des neu­en Möbel Kraft Hauses die Umsätze in den schlech­te­ren Standorten (z.B. Segeberg) so stark gesun­ken sind, dass ein Weiterbetrieb lang­fris­tig kaum vor­stell­bar ist.  In dem oben bereits ver­link­ten Interview mit der WELT sag­te der Inhaber von Möbel Kraft, Kurt Krieger:

Die Welt: Sie wol­len neue Märkte eröff­nen, Ikea will es und die Lutz-Gruppe auch. Wer soll in all die­sen neu­en Häusern ein­kau­fen?

Krieger: Sehen Sie mal in ande­re Einzelhandelssegmente: Bei Baumärkten gibt es noch fünf oder sechs rele­van­te Anbieter, bei Drogeriemärkten nach der Schlecker-Pleite noch drei. Ein ähn­li­cher Prozess läuft auch bei Möbelhäusern. Es fin­det eine Marktauslese statt, und unser Ziel ist ganz ein­fach: Wir wol­len zu den letz­ten gehö­ren, die übrig blei­ben.

Vielleicht über­schät­ze ich den Onlinehandel auch in sei­ner Wachstumsgeschwindigkeit, aber es ist kei­ne Frage ob die Fläche an der A215 irgend­wann leer steht, son­dern wann. Schade für die Kleingärtner. Wenn es gut läuft für den Kieler Standort, dann muss mit­tel­fris­tig erst ein­mal nur das Segeberger Möbelhaus Abstriche machen. Schade für die Angestellten dort.

Alexander Graf
Von:

Alexander Graf hat nach einem Wirtschaftsstudium in Kiel und Madrid vier Jahre für die Otto Group im Bereich Corporate Development gearbeitet. In dieser Zeit hat er diverse M&A-Themen, z.B. den Ankauf von Limango betreut und diverse Themen begleitet, die den Handel der Otto Group online ausgebaut haben. Im Anschluss seine Konzerntätigkeit hat er als Geschäftsführer bei der NetImpact Framework GmbH die On- und Offline-Transformation namhafter Großunternehmen von Agenturseite aus betreut und parallel die Unternehmensberatung und Beteiligungsgesellschaft eTribes Framework GmbH gegründet. eTribes hält Beteiligungen an einigen spezialisierten Online-Agenturen und entwickelt Transformationsstrategien für die Geschäftsmodelle von Unternehmen – Schwerpunkt: Commerce.

9 Gedanken zu “Möbel Kraft in Kiel ist Unsinn, aber nicht wegen der erhaltenswerten Kleingärten”:

  1. jmk

    Du ver­mischst da ein wenig etwas.
    „In den letz­ten zwei Jahren hat der E-​​Commerce aller­dings mas­siv zuge­nom­men. Selbst zurück­hal­tende Prognosen gehen davon aus, dass in den nächs­te fünf bis sie­ben Jahren ca. 50 Mrd. Euro zusätz­lich online umge­setzt wer­den.”
    Sagt nichts über die Steigerung im Online Möbelhandel aus. Es fehlt immer noch eine oder meh­re­re Möglichkeiten online nach Möbeln zu suchen. Von daher ist die nächs­ten Jahre kaum damit zu rech­nen, dass der sta­tio­nä­re Handel an Umsatz ein­bü­ßen wird.
    Home24, Amazon, Avandeo nennst Du als bei­spie­le und wider­sprichst Deiner oben ein­ge­stell­ten Grafik. Hier erfolgt erst­mal eine Anbieterauswahl und erst dann die Produktauswahl. Das Problem wur­de ja oben schon benannt. Schuhe, Elektronik auch Kleidung lässt sich leicht ver­glei­chen, auch Shopübergreifend. Das ist bei Möbeln nicht gege­ben. Die bis­he­ri­gen spe­zia­li­sier­ten Suchmaschinen moebel.de, moe­bel­mons­ter schei­tern ja gran­di­os.
    Zum Punkt: Ikea und Möbel Kraft. Die neh­men sich nichts, bedie­nen sie­doch ande­re Zielgruppen. Von daher könn­te (!) Möbel Kraft erfolg­reich sein, wie Du rich­tig fest­stellst auf Kosten des Hauses in Bad Segeberg.
    Bei Möbel Kraft stellt sich aber die Frage, die sich immer stel­len soll­te. Wollen die Bürger die­ses Projekt? Warum nicht die Bürger bei sol­chen Projekten mit ein­be­zie­hen? Aber das ist ein ande­res Thema.

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  2. Alexander Graf

    Vermischt ist das mE nicht. Aktuell gewin­nen Handelskonzepte im Möbelhandel online Markanteile. Der Kaufprozess „Product first” funk­tio­niert auf­grund der feh­len­den Marken im Möbelhandel (noch) nicht wirk­lich. Da darf man auf das Wachstum der moder­nen Möbelmarken wie Avandeo & Co. gespannt sein. Der sta­tio­nä­re Möbelhandel ver­liert in den nächs­ten Jahren (bis 2020) 3 – 5 Mrd. Euro Umsatz in den Onlinehandel = mehr als 10% des Gesamtvolumens. Das ist schon ein ordent­li­cher Shift.

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  3. Steffen VoßSteffen Voß

    Ich weiß nicht, ob man nach die­sen Maßstäben irgend­ei­ne Branche fin­det, für die sich eine Ansiedlung lohnt. Dann soll­te man auf­hö­ren, sich um Startups zu küm­mern. Die wol­len eh nach 3 Jahren gekauft wer­den und dann sind sie weg. Viele Firmen sind in Kiel schon gekom­men und gegan­gen. Das ist trotz­dem die Basis für den Wohlstand, den Kiel ins­ge­samt hat. Sollte Möbel Kraft in ein paar Jahren wie­der weg sein, kommt halt die nächs­te Firma und macht etwas ande­res. Außerdem geht sei­ne Prognose von einer linea­ren Weiterentwicklung aus: Wenn Möbel Kraft bleibt, wie es ist, dann wird es nicht über­le­ben. Der Schritt nach Kiel ist aber auch schon eine Veränderung. Und wie Du in Deinen ande­ren Artikeln schreibst: Shoppen wird noch län­ger funk­tio­nie­ren, wenn es gleich­zei­tig ein Erlebnis ist. Ein Möbelhaus hat zumin­dest den Platz dafür, dass es ein Erlebnis wer­den könn­te. Und da bie­tet gera­de die Nähe zu IKEA eine Chance für Möbel Kraft: Die Leute, die nicht dar­auf bestehen, dass ihr Sofa von IKEA ist, müss­ten nicht weit fah­ren, sie könn­ten sogar gehen, um zu schau­en, was die Konkurrenz bie­tet. Agglomerationsvorteil nennt die Geografie das.

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  4. Alexander Graf

    Der Maßstab für sta­tio­nä­re Konzepte muss mE Relevanz sein. Reine Händler ver­lie­ren ihre Relevanz dank des E-Commerce (abge­se­hen von Lebensmitteln bis­her). Für wen macht das also Sinn: Marken z.B. wie Boss, Zara & Co., die sta­tio­när als Werbefläche ver­ste­hen. Vertikale Händler wie Decathlon oder IKEA, die fast 100% Eigenmarken/​Eigenprodukte han­deln, die aber ihre Produkte sta­tio­när prä­sen­tie­ren wol­len & müs­sen. Es gibt neben den Agglomerationsvorteil aber auch genau im glei­chen Maße Agglomerationsnachteile. Eine häß­li­che Kaffeebar wür­dest du auch nicht besu­chen, wenn links und rechts dane­ben zwei schö­ne Kaffeebars sind, in denen alles viel ver­lo­cken­der aus­sieht.

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  5. Martin

    @jmk — Moin Jürgen, was ver­misst du denn auf moebel-monster.de am stärks­ten? Uns ist schon klar, dass da noch etli­che Baustellen sind, aber zusätz­li­ches Feedback ist für uns sehr wert­voll. Danke!

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  6. jmk

    @Martin
    was mir fehlt sind schlicht Shops. Ich hat­te letz­tens nach Sideboards gesucht. Ergebnisse kamen zu ca. 90% von Home24. Da gehe ich lie­ber auf deren Seite, da habe ich, was euch noch fehlt eine bes­se­re Feinjustierung. Das hat Home24 durch­aus gut gelöst. Farbe, Stil, Größe habt ihr ja schon drin, aber Material, Ausführungen, Schubladen, etc. feh­len. Die Möglichkeit zu brow­ser fehlt mir ein­fach, dass ich auf einen Schlag alle Suchergebnisse bekom­me, erschlägt ein wenig

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  7. Martin

    Danke für dein Feedback. Du hast abso­lut recht, dass Home24 so pro­mi­nent oben steht hat gleich meh­re­re Ursachen und ist sicher­lich nicht ide­al. Die Filter wür­den wir lie­bend ger­ne ver­bes­sern (und haben von den vor­han­de­nen sogar nur die Hälfte online), schei­tern der­zeit aber an der grau­en­voll schlech­ten Datenqualität. Wir haben dazu auch schon eini­ge Ideen in der Schublade und ori­en­tie­ren uns gera­de in ver­schie­de­ne Richtungen, um den Nutzwert der Seite mög­lichst schnell zu erhö­hen.

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