Xaver, ein Sturm und eine Sturmflut

Von | 11. Dezember 2013

Sturm Xaver: Hamburg Hafencity um 9 Uhr / https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/deed.de

Xaver brach­te die zweit­höchs­te Sturmflut seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Flut war in Hamburg 6,09 und in Husum 3,27 m über NN. Für Hamburg gilt: das waren 39cm mehr als 1962. 1962 sind 315 Menschen in der Flut gestor­ben.

Nordfriesland war im Katastrophen-Voralarm. Das bedeu­tet zwei Sachen: die einen, die Deiche ver­tei­di­gen kön­nen und wol­len, sam­meln sich und berei­ten sich auf das vor, was kommt. Die ande­ren gehen nach drin­nen und war­ten ab. Denn drau­ßen flie­gen Sachen durch die Gegend. Stürme sind gefähr­lich. Das wis­sen Nordfriesen. Und die Hamburger sind da auch klar.

Bildschirmfoto 2013-12-09 um 07.38.24

3m land­un­ter in Schleswig-Holstein

Diese Landkarte gibt eine Idee, was pas­siert wäre, wenn die Deiche nicht funk­tio­niert hät­ten. Für mein Heimatdorf, das acht Kilometer hin­ter dem Deich liegt, hie­ße das „land­un­ter“. (Das ist nur die hal­be Wahrheit. Da gibt es noch einen Schlafdeich und eine Bahnstrecke auf einem Damm zwi­schen dem ers­ten Deich und dem Dorf.  Diese Karte ist kei­ne Katastrophenvorhersage, aber sie macht klar, über wel­che Wassermassen wir spre­chen, wenn wir über die Sturmflut spre­chen, die Xaver brach­te.) 

Wer jemals wäh­rend einer Sturmflut am Deich gestan­den und das Vorland nicht mehr gese­hen hat — dafür aber das tosen­de Meer — , der weiß: „Der blan­ke Hans ist grö­ßer als wir alle.”

Seien wir froh, dass die Deichbauer ihr Handwerk ver­ste­hen. Seien wir froh, dass die Deichpflege funk­tio­niert. Seien wir froh, dass die Lehren aus der Flut von 1962 gezo­gen wur­den. Die Fluthöhe von Xaver war grö­ßer. Die Orkanspitzen hat­ten es in sich. 

Es gibt jetzt Leute, die sagen, die Medien hät­ten über­trie­ben. Die Sicherungsmaßnahmen wären über­zo­gen gewe­sen. 

Die Nachricht, dass jetzt irgend­ei­ne Hallig land­un­ter sei, war dann doch dem „Newsticker” geschul­det. Halligen gehen ca. 30 Mal im Jahr land­un­ter. Das ist da nor­mal. Halligen sind so gebaut. Das war Medienhype.

Aber der Rest war okay. Der folg­te einer Idee.

Denn neben dem Sturm gab es eine Sturmflut. Sturmfluten sind tückisch. Damit es eine Katastrophe gibt, muss vie­les „stim­men“: der Winkel, mit dem die Flut auf den Deich trifft, die Übereinstimmung der Sturmspitze mit der Fluthöhe, womög­lich gestützt durch eine Springflut, viel­leicht ein ange­nag­ter Deich.

Xaver brach­te vie­les von die­sen Zutaten mit. Xaver dau­er­te — mit Ansage — mehr als eine Flut. Alle wuss­ten, dass die zwei­te Flut die höchs­te wer­den wür­de. Nachdem die ers­te Flut bereits genagt hat­te.

In so einem Fall gilt: rein in die Häuser und abwar­ten. Und das haben wir getan: die Schüler soll­ten nicht in die Schule, die Bahnen fuh­ren (wenn sie fuh­ren) nur lang­sam, das öffent­li­che Leben wur­de ruhi­ger. Ein paar Wochen vor­her hat­te Christian ja schon alles run­ter­ge­holt, was nicht gut ver­täut war. Der Sturm war sicher vie­len eine Warnung.

Die Medien und offi­zi­el­le Stellen sind der Idee gefolgt: „Bei Sturmflut ist es drin­nen siche­rer“. Das ist kein Alarmismus. Das ist ange­mes­sen. Wir hat­ten Glück. Das Meer ist stär­ker, als wir es sind.

Judith Andresen
Von:

Judith Andresen hat als Projektcoach ein untrügliches Gespür dafür, was ein IT-Projekt blockiert. Mit Blick auf die jeweilige Situation zeigt sie Wege zu gemeinsamen Zielen, adäquaten Methoden und sinnvoller Kommunikation.Darüber berichtet sie in ihrem Blog. Judith Andresen hält regelmäßig Vorträge über Firmen- und Projektkultur sowie Projektmethoden.

3 Gedanken zu “Xaver, ein Sturm und eine Sturmflut”:

  1. JMK

    „Es gibt jetzt Leute, die sagen, die Medien hät­ten über­trie­ben.”
    Welche Leute?

    „Aber der Rest war okay. Der folg­te einer Idee.”
    Welcher Idee? Aufgaben der Medien ist es nicht, Ideen zu fol­gen. Sachliche Berichterstattung ist ange­sagt und kei­ne hyper­ven­ti­lie­ren­den Außenreporter die mit Mikrofonpuschel am Strand ste­hen und sich weg­we­hen las­sen. Das ist Vortäuschung jour­na­lis­ti­scher Leistung.

    „Alle wuss­ten, dass die zwei­te Flut die höchs­te wer­den wür­de. ”
    Alle?

    Reply
  2. Jörn

    Welche Leute?

    Diese Frage beant­wor­test Du in Deinem zwei­ten Absatz selbst, ich darf mal zitie­ren?

    Aufgaben der Medien ist es nicht, Ideen zu fol­gen. Sachliche Berichterstattung ist ange­sagt und kei­ne hyper­ven­ti­lie­ren­den Außenreporter die mit Mikrofonpuschel am Strand ste­hen und sich weg­we­hen las­sen. Das ist Vortäuschung jour­na­lis­ti­scher Leistung.

    Wenn man bei 8 – 9 Windstärken auf dem Deich steht, hyper­ven­ti­liert man leicht, das weiß ich zufäl­lig. Und die Redaktionen schi­cken ihre Reporter genau dort hin, auch das weiß ich zufäl­lig. Anderer, viel wich­ti­ge­rer Punkt: Berichterstattung, ganz gleich ob sach­lich oder nicht, kann nur mit Eindrücken funk­tio­nie­ren, die der Reporter vor Ort sam­melt. Erst als ich die Sturmflut vom Eidersperrwerk und dem Büsumer Deich selbst gese­hen hat­te, als der Wind an mir gezerrt hat und mir der Regen wie Hagel im Gesicht geschmerzt hat, konn­te ich für mich selbst wirk­lich ver­ste­hen, was Xaver und die­se Sturmflut bedeu­ten. Erst als ich vor Ort mit den Leuten des Landesbetriebs Küstenschutz gespro­chen hat­te, konn­te ich die Situation begrei­fen und ein­ord­nen. Zu erle­ben, was für eine Naturgewalt drau­ßen vor der Tür tobt und wie sto­isch gelas­sen die alle waren, schaff­te mir als Reporter die Möglichkeit der Einordnung und ver­setz­te mich in die Lage, erklä­ren zu kön­nen, was da pas­siert. Aus dem war­men, tro­cke­nen Büro hät­te ich das so nicht gekonnt.

    Im Übrigen wird bei uns im Haus sehr genau hin­ge­guckt, wo die Berichterstattung ange­mes­sen und wo sie zu rei­ße­risch war. Die Diskussion hat die Verantwortlichen erreicht und dar­über wird nun gespro­chen. Aber das nur am Rande.

    Zu Deiner letz­ten Frage „Alle?”: Ja, die Information lag schon sehr früh vor und ist nach mei­ner Kenntnis sehr groß­flä­chig ver­teilt wor­den.

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  3. jmk

    Nochmals:
    „Es gibt jetzt Leute, die sagen, die Medien hät­ten über­trie­ben.„
    Sprich jemand kri­ti­siert die Medien, die­ser jemand könn­te benannt wer­den.

    „Und die Redaktionen schi­cken ihre Reporter genau dort hin, auch das weiß ich zufäl­lig. ”
    Das zufäl­lig kannst Du strei­chen, ist offen­sicht­lich. Ich wür­de mich in mei­ner Kritik wie­der­ho­len, mag ich aber nicht, kom­me mir dabei so doof vor. Steht ja alles oben.

    Außenreporter gehen des­halb vor Ort, weil sie sen­sa­ti­ons­lüs­tern berich­ten möch­ten. Das sieht man bei jedem Schneetreien, das im Winter statt­fin­det, inklu­si­ve Brennpunkt.
    Das wird die­ses Jahr nicht anders sein (so denn Schnee fällt). Und die Medien klan­gen fast schon belei­digt als Xaver nicht die Ausmaße erreich­te, die vor­her­ge­sagt wur­den und die Katastrophe nicht ein­trat. Ein wenig mehr Zurückhaltung wür­de gut­tun.
    Des wei­te­ren sind die Menschen an der Küste Sturm gewöhnt, da braucht es kei­ne Reporter die schon panik­ar­tig agie­ren. Das beein­druckt höchs­tens Zuschauer in Bayern oder Hessen.

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