Faul und Gierig: Vorurteile über Politiker und deren Wahrheitsgehalt

Von | 5. April 2014

Bundestag / CC-BY-SA

Nur Fernsehmoderatoren und Banker sind schlech­ter ange­se­hen: 6% der Deutschen zäh­len laut Allensbach-Institut Menschen, die in der Politik tätig sind, zu den Berufsgruppen, vor denen sie am meis­ten Achtung haben. Über Politik kann man immer meckern. Und über „die da oben” alle mal. Was aber ist dran an dem, was oft über Politikerinnen und Politiker gesagt wird?

„Die stopfen sich alle nebenher die Taschen voll”

Eines der Vorurteile über Menschen, die in der Politik tätig sind, ist wohl, dass die alle ihren Abgeordneten-Job nicht machen und statt­des­sen lukra­ti­ve Jobs neben­her machen. Der Verein „LobbyControl” hat sich des­we­gen neu­lich die Nebeneinkommen im neu gewähl­ten Bundestag ein­mal ange­schaut. Nachdem im letz­ten Jahr wei­te­re Stufen bei der Erklärung der Nebeneinkommen ein­ge­führt wur­den, wur­de klar, dass eini­ge rich­tig viel dazu ver­die­nen. Nur 19,2% der Abgeordneten im Bundestag haben über­haupt Nebeneinkünfte.

Interessant ist aber auch, dass die­je­ni­gen mit den höchs­ten Nebeneinkünften von über 250.000 € direkt gewählt wur­den. LobbyControl nennt Peter Gauweiler (CSU), Stephan Harbarth (CDU), Hans Michelbach (CDU) und Albert Stegemann (CDU). Peter Gauweiler hat sei­nen Wahlkreis bei der letz­ten Bundestagswahl mit 43,4 % der Stimmen gewon­nen, Stephan Harbarth mit 49,7 %, Hans Michelbach mit 50,1 % und Albert Stegemann gewann sei­nen Wahlkreis sogar mit 59,0 %. An die­ser Stelle hät­ten es die Wählerinnen und Wähler selbst in der Hand, wenn ihnen Nebeneinkommen nicht gefal­len, ein­fach jemand ande­res zu wäh­len. Wie auch immer man neben einer Abgeordnetentätigkeit mehr als 250.000 € ver­die­nen kann — aber offen­bar machen die trotz­dem einen guten Job. Drei der genann­ten Abgeordneten sind immer­hin auch kei­ne Neulinge im Parlament.

Für die 24 Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein sieht das so aus:

Nebeneinkünfte

Drei Abgeordnete von der CDU haben Nebeneinkünfte — alle gehö­ren nicht zu den Großverdienern:

  • Brackmann, Norbert, CDU (Kreis Herzogtum Lauenburg, Ratzeburg, Mitglied des Kreistages, Fraktionsvorsitzender, stellv. Landrat, jähr­lich, Stufe 3)
  • Murmann, Dr. Philipp, CDU (Zöllner Holding GmbH, Kiel, Geschäftsführer, monat­lich, Stufe 2 — Das Unternehmen ist in drit­ter Generation im Besitz der Familie Murmann)
  • Wadephul, Dr. Johann, CDU (Steinbach & Partner GbR, Neumünster,Rechtsanwalt, monat­lich, Stufe 1, Gewinn + Vorsitzender des Beschwerdeausschusses der Krankenkassen und Vertragsärzte, monat­lich, Stufe 1)

„Die sind nie im Parlament”

Swen Wacker hat damals etwas zur Anwesenheit im Bundestag geschrie­ben, als es um die lee­ren Bänke bei der Abstimmung über das neue Meldegesetz ging. Es gibt auch wei­ter­hin vie­le gute Gründe, dass das Plenum nicht immer voll ist. Bei den wich­ti­gen, nament­li­chen Abstimmungen sind die Abgeordneten aber in der Regel anwe­send. Der Artikel ist schon etwas älter, aber abgeordnetenwatch.de hat vor eini­ger Zeit fest­ge­stellt, dass nur zwi­schen 5 und 8% der Abgeordneten bei den wich­ti­gen, nament­li­chen Abstimmungen im Bundestag feh­len. Nur von Die Linke fehl­ten fast 15%. Spitzenreiter ist auch hier Peter Gauweiler, bei fast 60% aller nament­li­chen Abstimmungen hat­te er etwas wich­ti­ge­res zu tun.

Die durch­schnitt­li­che Fehlquote ist wohl eher im nor­ma­len Bereich. Auch Bundestagsabgeordnete sind mal krank. In den Updates zu dem Artikel auf abgeordnetenwatch.de erklä­ren ver­schie­de­ne Abgeordnete ihr Fehlen. Im Landtag in Schleswig-Holstein gilt übri­gens eine prin­zi­pi­el­le Anwesenheitspflicht im Plenum. Da wird zu Beginn der Sitzung durch­ge­sagt, wer sich ent­schul­digt hat.

Seit der Bundestagswahl hat es im Bundestag 10 nament­li­che Abstimmungen gege­ben. Die Fehlquote lag dabei zwi­schen ca. 4 % und 11 %. Von den 24 schles­wig-hol­stei­ni­schen Abgeordneten haben Luise Amtsberg und Konstantin von Notz — bei de Bündnis 90/​Die Grünen und Franz Thönnes und Matthias Ilgen von der SPD je ein Mal gefehlt — Thomas Stritzl (CDU) und Birgit Malecha-Nissen (SPD) je vier Mal.

„Nach dem Bundestag haben die doch ausgesorgt”

Die Firma Kienbaum Consultants International GmbH hat die 217 Ex-Bundestagsabgeordneten ange­spro­chen, die seit der letz­ten Bundestagswahl kein Mandat mehr haben. 47 haben geant­wor­tet — nicht gera­de reprä­sen­ta­tiv, aber die bes­ten Zahlen, die es zu geben scheint. Kaum einer steht jetzt finan­zi­ell bes­ser da als vor dem Bundestag. Nur 9 % arbei­ten ange­stellt — die meis­ten sind Freiberufler oder selb­stän­dig. 15% sind arbeits­los.  Thorsten Alsleben, Hauptstadt-Repräsentant von Kienbaum sag­te dazu: „Die Zeit im Bundestag ist nicht grund­sätz­lich ein Karriere-Beschleuniger, für vie­le Ex-Abgeordnete sogar das Gegenteil.”

Auch schles­wig-hol­stei­ni­sche Bundestagsabgeordnete sind nach der Bundestagswahl nicht mehr dabei. Zunächst sind das alle ehe­ma­li­gen FDP-Abgeordneten, nach­dem die Partei an der 5%-Hürde geschei­tert war: Jürgen Koppelin hat­te sich aller­dings bereits vor der Wahl ver­ab­schie­det. Mit 68 Jahren ist er nicht wie­der ange­tre­ten. Zum Abschied gab es sogar eine Laudatio von Ministerpräsident Torsten Albig (SPD). Weniger Glück hat­ten Christel Happach-Kasan, Sebastian Blumenthal und Christine Aschenberg-Dugnus. Sie muss­ten sich ohne Lobrede einen neu­en Job suchen.

Bei der CDU ist Wolfgang Börnsen aus­ge­schie­den. Der 71-jäh­ri­ge war seit 1987 durch­ge­hend im Bundestag und dürf­te sich eine Abwechslung ver­dient haben. Aber auch Rolf Koschorrek dürf­te nach sei­nem Ausscheiden aus dem Bundestags ver­sorgt sein. Der SPIEGEL nann­te ihm im letz­ten Jahr einen „begehr­ten Geschäftspartner von Pharmakonzernen”.

Bei der SPD sind alle bis­he­ri­gen Bundestagsabgeordneten wei­ter­hin im Parlament.

Arfst Wagner von den Grünen ist erst im Juni 2012 in den Bundestag nach­ge­rückt, nach­dem die bis­he­ri­ge Bundestagsabgeordnete Ingrid Nestle zur Staatssekretärin im Energiewendeministerium von Robert Habeck (Bündnis 90/​Die Grünen) wur­de. Auf Twitter bezeich­net er sich wei­ter­hin als „MdB”.

Raju Sharma (Die Linke) hat vor sei­nem Bundestagsmandat in der Staatskanzlei gear­bei­tet und ist dort­hin wie­der zurück­ge­kehrt. Dort küm­mert er sich als Referatsleiter um die Koordination zwi­schen Staatskanzlei und dem Ministerium für Justiz, Kultur und Europa von Anke Spoorendonk (SSW).

Und sonst?

Nico Lumma hat sind sei­nem Blog noch eini­ge wei­te­re gän­gi­ge Vorurteile gegen Politikerinnen und Politiker samt sei­ner Meinung dazu auf­ge­schrie­ben. Die gute 30 Beispiele schei­nen aber auch schon das gan­ze Spektrum mensch­li­cher Natur abzu­bil­den — nicht gie­ri­ger als jeder ande­re und faul kann man als Bundestagsabgeordneter kaum sein. So reich­lich sich die Plätze auf den Listen der Parteien nicht, dass da Leute durch­ge­füt­tert wür­den. Natürlich heißt das nicht, dass es nichts zu kri­ti­sie­ren gibt. So pau­schal, wie es aber oft gemacht pas­siert, funk­tio­niert das nicht. Wenn es Dinge gibt, die zu kri­ti­sie­ren sind, dann soll­te man sie kon­kret benen­nen. Dann kann man auch etwas dage­gen tun.

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8 Gedanken zu “Faul und Gierig: Vorurteile über Politiker und deren Wahrheitsgehalt”:

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