Mehr Verbindungen - alles zum Fahrplanwechsel 2014/15

Von | 15. Dezember 2014
Haltestelle Kiel Hassee-CITTI-Park

Haltestelle Kiel Hassee-CITTI-Park

Gestern (14. Dezember) war der Tag, an dem euro­pa­weit auf den Winterfahrplan umge­stellt wur­de. Ging es frü­her noch um die Umstellung vom Sommer- auf den Winterfahrplan, so ist es heu­te eher eine  Fahrplanumstellung auf­grund ver­bes­ser­ter Taktungen, der Einarbeitung von Langsamfahrstellen oder neu­er Haltepunkte.

In Schleswig-Holstein gibt es in die­sem Jahr vie­le gute Nachrichten für Pendler und Bahnenthusiasten. Selten zuvor sind so vie­le neue Haltepunkte zeit­gleich ange­schlos­sen wor­den wie in die­sem Jahr. Über den neu­en Fahrplan, die Auswirkungen auf Pendler und Reisende in Schleswig-Holstein und die kom­ple­xen Hintergründe so eines Fahrplans habe ich mit Bernhard Wewers gespro­chen, Geschäftsführer der lan­des­ei­ge­nen Verkehrsservicegesellschaft (LVS) Schleswig-Holstein.

Wer mit Bernhard Wewers über Schleswig-Holsteins Regionalverkehr spricht,  der erlebt einen enga­gier­ten Eisenbahner, kei­nen rück­wärts­ge­wand­ten Romantiker. Als Vizepräsident der Dachorganisation der LVS, der Bundesarbeitsgemeinschaft der Aufgabenträger des Schienenpersonennahverkehrs (BAG SPNV), ist er Treiber des Deutschlandtaktes, einer Initiative zur bes­se­ren Verzahnung der vie­len Landesfahrpläne. Er weiß, was es bedarf, damit jemand sein Auto ste­hen lässt und statt­des­sen die Bahn nimmt. Ausgebildet zum Lokführer und kur­ze Zeit Leiter eines Bahnhofs, kennt Wewers auch die Situation der­je­ni­gen, die Taktpläne, Zugreihenfolgen etc. vor Ort orga­ni­sie­ren.

Wie Schienenpersonennahverkehr funk­tio­niert

Wer sich mit Stundentakten, Zugbestellungen und Neubau von Haltepunkten befasst, der muss zunächst ver­ste­hen, wie der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) funk­tio­niert. Anders als im Fernverkehr gibt es im SPNV ein Ausschreibungsverfahren. Die Bundesländer beauf­tra­gen Organisationen wie die LVS als Besteller von SPNV-Leistungen, Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) kön­nen dann Gebote für ein­zel­ne Strecken bzw. Teilnetze abge­ben und rei­chen Konzepte ein, wie sie die jewei­li­gen Strecken bedie­nen wer­den. Der Besteller – in SH die LVS – ver­gibt dann den Auftrag für einen fest­ge­leg­ten Zeitraum, meist etwa zehn Jahre.

Zur Frage der Finanzierung des SPNV sei auf das umfang­rei­che Erklärbärstück bei Zukunft Mobilität ver­wie­sen. Vereinfacht aus­ge­drückt zahlt der Bund den Ländern eine Summe, die die­se dann für die Bestellung ihrer Linien ver­wen­den.

Was ändert sich für Schleswig-Holstein im Einzelnen?

  • Halbstündliche Verbindung Kiel-Hamburg
  • Stündliche Verbindung Flensburg-Hamburg
  • Stündliche Verbindung Itzehoe-Hamburg
  • Bis zu drei Verbindungen je Stunde von Elmshorn-Hamburg
  • Stündliche Verbindung Flensburg-Neumünster
  • Diverse neue Haltepunkte: Erst ein­mal nur Kronshagen (Flensburg-Kiel) und Lübeck Dänischburg IKEA, ab 5.  Januar dann die Haltepunkte der Strecke Rendsburg-Kiel (Kiel-Russee, Melsdorf, Achterwehr, Bredenbek und Schülldorf)

Mehr Verbindungen ist gera­de für die Taktknoten eine Herausforderung. Als Taktknoten wer­den die­je­ni­gen Bahnhöfe bezeich­net, an denen regel­mä­ßi­ge Verbindungen über­ein­an­der­lie­gen und auf die­se Weise stünd­li­che (bzw. halb-/zwei­stünd­li­che) direk­te Umstiege mög­lich sind. So muss­te der Hauptbahnhof in Kiel erst fit gemacht wer­den für die halb­stünd­li­che Verbindung Kiel-Hamburg. Dazu hat man die Einfahrt opti­miert (die Züge müs­sen jetzt erst deut­lich spä­ter abbrem­sen bei der Fahrt in den Bahnhof) und einen neu­en Bahnsteig geschaf­fen. Möglich war das nur durch einen soge­nann­ten Zungenbahnsteig. Dabei teilt man einen bestehen­den Bahnsteig und legt auf die frei­ge­wor­de­ne Fläche ein Gleis, das nur bis zu einem Teil des Bahnsteigs hin­ein­reicht (zum Beispiel Gleis 6b in Kiel).

Neue Fahrzeuge, bekann­te Probleme

Neben der DB Regio fährt seit ges­tern auch die nord­bahn Strecken im Eisenbahnnetz Mitte und schließt Itzehoe nun im Stundentakt an Hamburg an. Ergattert ein EVU wie die nord­bahn einen neu­en Auftrag, ist es auch für die ein­ge­setz­ten Fahrzeuge ver­ant­wort­lich. Dafür hat die nord­bahn bei der Firma Stadler in Berlin Fahrzeuge vom Typ FLIRT (flin­ker leich­ter inno­va­ti­ver Regio­nal-Trieb­zug) bestellt. Wer bei die­sem Produktnamen annimmt, der Fahrzeugbau bei Eisenbahnen sehe aus wie bei PKWs, wo die gewünsch­te Fahrzeugkonfiguration bin­nen weni­ger Wochen auf dem Hof steht, der irrt gewal­tig. Das mar­ki­ge Marketing (das hoch­wer­ti­ge­re Schwestermodell des FLIRT heißt KISS) mag nicht ganz zur Liefertreue pas­sen.

Was die Deutsche Bahn bei dem geplan­ten Ersatz ihrer IC-Garnituren erlebt hat, betrifft nun lei­der auch Schleswig-Holstein. Im Falle der nord­bahn jedoch erst ein­mal zu Gunsten der hie­si­gen Reisenden. Weil nicht alle FLIRT Fahrzeuge recht­zei­tig aus­ge­lie­fert wer­den konn­ten, kom­men erst ein­mal die etwas höher­wer­ti­gen Fahrzeuge vom Typ KISS auf den Strecken zum Einsatz – erkenn­bar auch an den abwei­chen­den Lackierungen.

Die Rolle des Bestellers

Bei der Bestellung einer Linie berück­sich­tigt die LVS, ob eher Berufspendler die Verbindung nut­zen oder ob es vie­le Passagiere gibt, die die Regionalbahn als Zubringer zum Fernverkehr oder etwa für Kreuzfahrten nut­zen. So bei der Relation Kiel-Hamburg. Dort gibt es bei den neu­en Fahrzeugen einen Sitzabstand, der grö­ßer ist als im Fernverkehr und bei dem bspw. die Lücke zwi­schen zwei anein­an­der ste­hen­den Rückenlehnen so bemes­sen ist, dass ein gro­ßer Reisekoffer dazwi­schen passt. Weshalb dies, wo es doch Gepäckablagen am Ende des Waggons gibt? Weil Gelegenheitsreisende wie Kreuzfahrer ungern ihren Koffer aus dem Blick las­sen.

Auf die Liefertreue der Hersteller hin­ge­gen hat der Besteller kei­nen Einfluss, noch hat er eine direk­te Sanktionsmöglichkeit. Auf der Strecke Kiel-Hamburg soll­ten eigent­lich schon zum Fahrplanwechsel die neu­en Fahrzeuge von Bombardier zum Einsatz kom­men. Allein, sie sind noch nicht da. Noch immer ste­hen sie – fer­tig lackiert – beim Hersteller und war­ten auf die Ausrüstung mit Motoren und Technik. Vorher aller­dings wird die DB bedient, die bereits schon län­ger auf Fahrzeuge war­tet. Deshalb setzt die DB Regio erst ein­mal wei­ter­hin die bekann­ten Fahrzeuge ein, zum Teil ja noch in dem alten SH-Express Design.

Ausblick

Bernhard Wewers hat noch viel vor mit dem SPNV in Schleswig-Holstein. Er rech­net mit der bal­di­gen Wiedereröffnung von „Hein Schönberg”, der Regionalbahn von Kiel nach Schönberg, und hat sich wei­te­re Linien anse­hen las­sen, die mit gerin­gem Aufwand wie­der ans Netz anzu­schlie­ßen wären. Auch an der Optimierung der land­schaft­lich reiz­vol­len Strecke Kiel-Lübeck ist die LVS dran und hat vor, die Reisezeit deut­lich zu ver­kür­zen.

Als Wochenendpendler weiß ich die­se Bemühungen ganz per­sön­lich zu schät­zen, als Autofahrer zah­le ich dann gern Mineralölsteuer, wenn ich weiß, dass mit den aus die­ser Summe bezahl­ten Regionalisierungsmitteln an einem guten Nahverkehrsangebot gear­bei­tet wird. Jede Verbesserung der Taktung, die es bei­spiels­wei­se ermög­licht,  mit der Regionalbahn von Haltepunkten wie Kronshagen oder Suchsdorf zum Hauptbahnhof nach Kiel zu fah­ren, spart eine wei­te­re Fahrt mit dem PKW bzw. Taxi ein. Und wenn wir schon Steuergeld für die Organisation des Schienenverkehrs aus­ge­ben, dann soll­ten wir wenigs­tens dafür Sorge tra­gen, dass die­ses Angebot für mög­lichst vie­le attrak­tiv ist.

 

Das Bild zeigt den Haltepunkt Kiel-Hassee-CITTI-Park, ver­öf­fent­licht unter CC BY-NC-SA 2.0 Lizenz von El-Moe.

 

Weiterführende Links

PM der LVS zum Fahrplanwechsel und den Änderungen im Einzelnen (pdf)

Blog der LVS

Philipp Neuenfeldt
Von:

Philipp leitet seit Anfang 2018 das Ministerbüro im Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus Schleswig-Holstein. Der gebürtige Schleswig-Holsteiner war zuvor Leiter des Online-Wahlkampfs des FDP-Landesverbandes zur Bundestagswahl und sechs Jahre für eine politische Kommunikationsberatung tätig, zuletzt als Associate Director. Zuvor hat er als Forenleiter Veranstaltungen für die Friedrich-Naumann-Stiftung konzipiert, organisiert und moderiert. Philipp hat sein Studium an der CAU Kiel mit einem Magister in Lesen-Denken-Schreiben abgeschlossen und ist stolzer Vater zweier Kieler Sprotten und Altenholzer Neubürger.

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