Marken-Relaunch ohne Inhalt – die FDP zeigt wie es geht

Von | 10. Januar 2015
Die neuen Farben der FDP.

Die neuen Farben der FDP

“Wir müs­sen mal die Website neu machen!” Wohl jeder zwei­te Marken-Relaunch hat sei­nen Ursprung in die­sem Satz. Wer cle­ver ist, begnügt sich aller­dings nicht mit einer Anpassung an aktu­el­le Design-Trends, son­dern macht sich auch über rele­van­te Inhalte und eine gute Positionierung Gedanken. Dass es auch anders geht, zeigt aktu­ell die FDP. Nach einem raben­schwar­zen 2013 (die Partei schei­tert erst­mals in ihrer Geschichte an der 5% Hürde und fliegt aus dem Bundestag) hat nicht nur die heu­te-show ihren wich­tigs­ten Content-Lieferanten ver­lo­ren. Es ist ein Desaster für die poli­ti­sche Partei – und ganz beson­ders für die Marke.

Vor zwei Tagen prä­sen­tier­te sich die Partei auf dem Dreikönigstreffen mit neu­em Logo, neu­er Farbe und neu­en Inhalten. Neue Inhalte? In der aktu­el­len Berichterstattung geht es fast aus­schließ­lich um das neue Erscheinungsbild. Neben Gelb und Blau ist Magenta als Auszeichnungsfarbe hin­zu­ge­kom­men. (Zu sehen auf www.fdp.de) Auf Spiegel Online heißt es dazu „Neues Logo, neu­es Glück?“, Die Welt titelt mit „Christian Lindner […] ver­ord­net den Liberalen einen Schönheitsoperation.“ Und bild.de fragt „Mit neu­em Logo aus der Krise?“ Was hat sich ver­än­dert bei der FDP? Sind es tat­säch­lich nur die Farben oder steckt mehr hin­ter dem neu­en Auftritt?

Content ist King?

Auf der Internetseite der FDP fin­det sich inhalt­lich wenig Neues. Das Motto der Strategie „Chancen ermög­li­chen“ bleibt lei­der so all­ge­mein wie nichts­sa­gend. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Inhalte – wie auch das Erscheinungsbild – leicht ver­än­dert und etwas auf­po­liert wur­den, es aber dann doch irgend­wie beim Alten geblie­ben ist. Eine kla­re Strategie klingt anders. Markenexpertin Uli Mayer-Johanssen bezeich­net das neue Erscheinungsbild in einem W&V Interview als “Nichts Halbes und nichts Ganzes” und als “Sinnbild für die Identitätskrise der Partei”: Eine tref­fen­de Beschreibung.

Wenn die Krise zur Schockstarre führt

„Krise kann ein pro­duk­ti­ver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe neh­men.“  — Max Frisch

Der FDP ist die­ser Schritt offen­bar nicht gelun­gen. Allem Anschein nach über­wiegt immer noch der Schock über die Katastrophe. Das ist bedau­er­lich, denn was gibt es in der aktu­el­len Situation der FDP zu ver­lie­ren? Zu wel­chem Zeitpunkt könn­te die Bereitschaft für einen Aufbruch und Neuanfang grö­ßer sein? Es gibt allen Grund dazu, jetzt (!) mutig zu sein und spür­ba­re Veränderung zu wagen.

Was aber aktu­ell an Veränderung von der FDP wahr­zu­neh­men ist, lässt sich in zwei Sätzen aus­drü­cken: Neben Blau und Geld steht jetzt Magenta. Und: „Die Liberalen“ hei­ßen jetzt „Freie Demokraten“. Ob die­se Schönheitsoperation der Marke hilft, wird sich wie immer im wah­ren Leben zei­gen. Zum Beispiel am 15. Februar 2015 – dann ist in Hamburg Bürgerschaftswahl. Zugute hal­ten muss man der Partei, dass der Strategie- bzw. Leitbildprozess noch nicht abge­schlos­sen ist. Vielleicht kommt ja nach dem farb­li­chen Wandel noch der inhalt­li­che.

Jeder Marken-Relaunch ist eine Krise

Das Wort Krise bezeich­net einen Wendepunkt. Es ist der Punkt, auf den sich alles zuspitzt, der Moment, in dem Entscheidungen fal­len und eine Wende ein­ge­lei­tet wird. So gese­hen ist die FDP noch nicht mal in der Krise ange­kom­men, denn ein Wendepunkt ist – von kos­me­ti­schen Veränderungen abge­se­hen – nicht in Sicht. Insofern kann nicht mal von einem Marken-Relaunch der FDP gespro­chen wer­den. Denn das Entscheidende fehlt bis­her: eine inhalt­li­che Neuausrichtung der Partei. Eine Positionierung, die über ein Bulls**t Bingo à la “Chancen ermög­li­chen” oder “Anders und stolz drauf” hin­aus­geht. Inhalte, die klar und ver­ständ­lich sind. Solange das nicht der Fall ist, wird auch kein Magenta hel­fen, die 5% Hürde zu bewäl­ti­gen und eine poli­tisch rele­van­te Partei zu wer­den.

Was aktu­ell an der FDP zu beob­ach­ten ist, ist aus Sicht der Markenberatung kei­ne Seltenheit. Die (Weiter-)Entwicklung von Marken beginnt meist mit gro­ßen Vorhaben und dem Wunsch nach ein­schnei­den­den Veränderungen. Wenn es jedoch ans Eingemachte geht, sprich, eine kla­re Positionierung für die Zukunft ent­wi­ckelt wer­den muss, gewinnt die Sicherheit des Altbekannten plötz­lich unglaub­lich an Attraktivität. Im Zweifelsfall bleibt es dann eben bei einer dezen­ten Schönheitskorrektur, einer neu­en Farbe, Schriftart oder Logovariante. Dieser Weg ist mit Sicherheit beque­mer und ein­fa­cher. Aber auch weni­ger wirk­sam. Das bestehen­de Markenimage kann auf die­se Weise nur schwer ver­än­dert wer­den. Was bei Kunden, Parteimitgliedern oder Bürgern über die Marke gelernt ist, ver­än­dert sich nicht von heu­te auf mor­gen. Schon gar nicht, wenn die Neuerung dank homöo­pa­thi­scher Dosis nur unter dem Mikroskop erkenn­bar ist.

Eine Umgestaltung des Geschäftsmodells oder auch des poli­ti­schen Programms muss kom­mu­ni­ziert wer­den. Ein Marken-Relaunch bie­tet genau die­se Möglichkeit, näm­lich eine neue Positionierung zum Ausdruck zu brin­gen. Ein über­ar­bei­te­tes Erscheinungsbild kann die­se Entwicklung, das “Neue” sicht­bar machen und trans­por­tie­ren. Es erzeugt die not­wen­di­ge Aufmerksamkeit und sen­si­bi­li­siert für die Veränderungen. Ein Marken-Relaunch ohne Inhalte hin­ge­gen bleibt eine kos­me­ti­sche Veränderung ohne Substanz und ohne nach­hal­ti­ge Wirkung. Ob er bei der FDP trotz­dem den gewünsch­ten Effekt bringt, wird sich in den kom­men­den Monaten und Jahren zei­gen. Die Erwartungen dar­an soll­te man aber nicht all­zu hoch hän­gen.

Dieser Artikel ist zuerst auf markenprofil.com erschie­nen.

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