
Copyright: GEW, Okt 2015
Der Gesetzentwurf zur Lehrkräftebesoldung liegt seit einer Woche vor. Danach bleiben Grundschullehrerinnen und –lehrer weiterhin eine Besoldungsstufe unter den Lehrkräften anderer Schularten. Begründet wird dies von der Landesregierung mit den tatsächlichen Anforderungen der Ämter. Ein Aufstieg in Besoldungsgruppe A 13 ist innerhalb der nächsten acht Jahre nur vorgesehen für Bestandskräfte mit der Lehrbefähigung für Grund- und Hauptschulen, die bereits erfolgreich an Gemeinschaftsschulen unterrichteten. Voraussetzung für ihre Höhergruppierung wird der Nachweis einer noch nicht näher definierten Fortbildung sein.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) macht gegen diesen Entwurf mobil. Sie lud gestern Verteterinnen und Vertreter aus Politik, Verbänden und den Hochschulen zur alternativen Anhörung ins Kieler Gewerkschaftshaus. Hier die Standpunkte in der Reihenfolge wie sie vorgetragen wurden.
1. Es geht um Gerechtigkeit und Wertschätzung / ASTRID HENKE, stellv. Landesvorsitzende der GEW:
Die Landesregierung will die seit Jahren bestehende Ungerechtigkeit in der Besoldung aufrecht erhalten und konstruiert Begründungen: Die Arbeit ist nicht wissenschaftlich, nicht so fachlich wie in anderen Schularten, nicht so abschlussbezogen.
2. Ausbildungsweg entscheidet lebenslang über den Ausschluss an Aufstieg / JÖRG JUNGE, Rechtsanwalt in der Kanzlei Batzlaff & Partner, erstellte im Auftrag der GEW ein Gutachten zu Möglichkeiten und Grenzen der Neuregelung des Besoldungsrechtes:
Voraussichtlich 2053 oder 2054 wird erst der letzte Grund- und Hauptschullehrer des klassischen Typus in den Ruhestand versetzt. Wir kamen zu dem Ergebnis: Es muss über kurz oder lang eine Angleichung erfolgen. (…) Eine Unterscheidung in das Schwerere oder das Leichtere als Rechtfertigung für unterschiedliche Besoldung ist für mich juristisch nicht akzeptabel.
3. Frauenberufe sind weniger wert als Männerberufe / ALEXANDRA EHLERS, Referentin des Landesfrauenrates:
Die Sorgearbeit wird bekanntlich immer von Frauen erbracht. Wir treffen zu 90 Prozent an Grundschulen auf Lehrerinnen. Dabei sollten Kinder von vornherein gleichermaßen von Männer wie Frauen sozialisiert werden. Wir wollen, dass mehr Männer in die Grundschulen hereinkommen. (…) Es ist typisch für Frauenberufe, dass in ihnen nur in begrenztem Maße Aufstiegschancen zur Verfügung stehen.
4. Für das Lehramt studieren alle gleich viel / BEATE BLASEIO, Landesvorsitzende des Grundschulverbandes und Professorin für Didaktik des Sachunterrichts an der Europa-Universität Flensburg:
Es ist unserer Ansicht nach nicht legitim, Credit Points für eine Unterscheidung heranzuziehen. 70 sind es pro Fach im Grundschullehramt, 90 für das Sekundarschullehramt. Anstelle dieser 20 Punkte werden im Master Grundschule Lehramt zusätzlich zwei Kernbereiche studiert und grundschulpädagogische Anteile, und dies auf sehr wissenschaftlichem Niveau. Ausgerechnet dieses innovative Element der neuen Ausbildung dient der Landesregierung als Argument, die Schlechterstellung zu begründen.
5. Bei Ablehnung des Gesetzes gehen alle leer aus / KAI VOGEL, schulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, kennt Unterschiede bei Besoldung und Pflichtstundenzahl aus seiner Zeit als Realschullehrer:
Die Haltung der GEW, von vornherein zu sagen, wir lehnen dieses Gesetz ab, deshalb wollen wir auch nicht über Details verhandeln, halte ich für falsch. Es geht um mehr als 2 Tausend Lehrkräfte, deren Bezüge angehoben werden. Das ist ein Kostenvolumen von über 50 Mio. Euro. (…) Außer an Gymnasien wurde noch nie über Beförderung geredet. Als ich Realschullehrer wurde, wusste ich: Du kommst mit A 13, du gehst mit A 13. (…) Als Nehmerland auf Konsolidierungskurs können wir schwer vermitteln, dass wir die ersten im Bund sein wollen, die ihre Grundschulkräfte nach A 13 besolden.
6. A 13 für alle Neuen hätte mittelfristig die Weichen neu gestellt / ANKE ERDMANN, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und Vorsitzende des Bildungsausschusses im Landtag:
Wir geben im Bundesvergleich zusammen mit NRW am wenigsten Geld pro Schüler aus und legen uns nun wirklich ins Zeug, Mittel umzuschichten, um besser dazustehen: die BAFöG-Mittel, ein Teil der Zensusmittel und viele andere Bereiche wie zum Beispiel die Flüchtlingshilfe, ist alles 1:1 in Lehrerstellen gegangen. A 13 für alle besitzt bei mir nicht oberste Priorität.
7. Kein Gesetz kommt so aus dem Landtag wie es reingekommen ist / PETER SÖNNICHSEN, Mitglied der CDU-Landtagsfraktion:
Ich räume gern ein, dass wir uns bei den Prognosen für die Schülerzahlen und Auswirkungen auf die Lehrerstellen kräftig verrechnet haben. Aber eine Entscheidung nach Kassenlage ist etwas, was wir als CDU nicht mittragen werden.
8. Wir sehen die Grundschule als erste Gemeinschaftsschule / SVEN KRUMBECK, bildungspolitischer Sprecher der Piratenfraktion im Landtag:
Das Argument, dass Schleswig-Holstein nicht im Bund allein vorangehen will, kann man nur indirekt nachvollziehen, weil Schleswig-Holstein auch bei der Lehrerausbildung und bei den Schulformen einzigartige Wege geht. (…) Sobald wir die Gegenfinanzierung gefunden haben, stellen wir einen Änderungsantrag. Stoppen wir das Gesetz, haben wir die anderen Lehrer gegen uns. Deshalb legen wir uns noch nicht fest, ob wir dagegen stimmen oder uns enthalten sollen. Denn die teilweise Erfüllung von Forderungen ist ja immer noch besser als gar keine.
9. Besoldungsrechtliche Konsequenzen lassen sich aus dem Studium nicht ableiten / JÜRGEN SCHWIER, Vizepräsident und leitender Professor für Sportwissenschaft an der Europa-Universität Flensburg
Wir haben in Schleswig-Holstein seit 2 Jahren die akademische Gleichstellung aller Lehramtstypen. Darauf können wir stolz sein. Seither verlaufen die ersten 5 Semester im Bachelorstudium für alle Lehrämter identisch. Erst im 6. Semester erfolgt die Spezialisierung, da wir aus der Forschung wissen, dass später Experten für bestimmte Altersstufen benötigt werden. Deren Aufgaben nach Schwierigkeit zu klassifizieren, sollte man sich hüten.
10. Das Praxissemester verschafft uns einen Vorsprung gegenüber anderen / PAUL JAKOB WEBER, 1. Vorsitzender vom AStA der Europa-Universität Flensburg und Mitglied der Landes-ASten-Konferenz
Im Master Studiengang wurde bei uns ein Praxissemester eingeführt, in dem die angewandte pädagogisch-didaktische Richtlinie in einer Schule verfolgt wird. Eine gleichgestellte Besoldung nach A 13 ist schon daher gerechtfertigt, weil wir die bessere Ausbildung mitbringen. Das ist nun mal Fakt. Wir als Landes-ASten-Konferenz stehen der Gewerkschaft bei und würden diesen Weg mitgehen. Gleichwohl lehnen wir das Gesetz nicht grundsätzlich ab, weil es in Teilen unsere Forderungen erfüllt.
11. Die Einstufung nach Schularten ist absurd / SYBILLE PAHLKE, Schulrätin im Schulamt Kreis Flensburg-Schleswig und Vorsitzende der Konferenz der Schulaufsicht:
Leitungsstellen in den Grundschulen sind unattraktiv. Sie bleiben lange unbesetzt, müssen zwei-, dreimal ausgeschrieben werden. Das betrifft auch Grundschulkoordinatoren an Gemeinschaftsschulen. Sie haben ein Aufgabenspektrum, das dem eines Konrektors entspricht, verdienen jedoch weniger als jede Sonderschullehrkraft. (…) Mit ihrer Erfahrung waren uns die Grund- und Hauptschullehrkräfte an SEK I Schulen im 2006 die entscheidende Hilfe bei der Umstellung auf heterogenen Lerngruppen. Jetzt sollen wir über deren Beförderungsantrag entscheiden?!
12. Gemeinsam bringen wir unsere Schüler von Stufe 1 bis 10 voran / HEIKE BRUNKERT, leitet die Theodor-Storm-Dörfergemeinschaftsschule in Hanerau-Hademarschen und Todenbüttel, eine Grund- und Gemeinschaftsschule mit Förderzentrumsteil:
Wir können nicht alle Lehrkräfte in der SEK I unterbringen, damit sie dort mehr Geld erhalten und weniger unterrichten müssen. Der umgekehrte Weg war schon der Fall, weil wir eher Vakanzen in der Grundschule haben und dort ausgebildete Realschullehrer einsetzen mussten. Unterschwellig kommt es immer mal wieder heraus, dass die unterschiedliche Einstufung unser Kollegium belastet.
13. Gleiches Geld für gleiche Arbeit / Uwe Polkaehn, DGB Vorsitzender Bezirk Nord:
Bei dem Gesetzentwurf, der jetzt auf dem Tisch liegt, verlässt die Landesregierung den Weg, den sie versprochen hat, nämlich das Land der guten Arbeit zu sein. Dorthin muss sie zurückfinden. Sonst kommt der Equal-Pay-Day für Grundschullehrkräfte. (…) Die Solidarität im Unternehmen ist ein hohes Gut, das lassen wir uns nicht nehmen. Deshalb verhandeln wir nicht über Sonderwege für einzelne Beschäftigungsgruppen.
***
Im Anschluss an die Beiträge der Podiumsteilnehmerinnen und -teilnehmer aus den Bereichen Gesellschaft, Politik und Wissenschaft kamen in der letzten Stunde die Praktiker im Publikum zu Wort. Rasch wurde deutlich, dass die Begründung für die partielle Beibehaltung der unterschiedlichen Besoldung die Lehrkräfte mehr schmerzt, als der Rückstand im Grundgehalt, der in Schleswig-Holstein je nach Gruppe und Stufe bis zu 450 Euro im Monat beträgt. Auf Ablehnung stieß auch der Vorschlag, von Lehrkräften, die bereits seit 8 Jahren in einem Tätigkeitsfeld arbeiten, zu verlangen, dass sie sich nachträglich dafür qualifizieren müssen, um dann eventuell höher eingestuft werden zu können. In dem Zusammenhang wurde auch allgemein Unmut darüber geäußert, dass nicht gleich zum Start der Schulreform diese möglichen Folgen mitbedacht wurden. Durch die darauf folgende Reform der Lehrerausbildung steht nun sogar bereits der erste Studienjahrgang mit gleichwertiger Ausbildung vor dem Abschluss.
In Kürze beginnt das Anhörungsverfahren im Bildungsausschuss. Übernächste Woche folgt die Beratung im Landtag und im Dezember geht der Gesetzentwurf in die 2. Lesung.
Nachtrag
14.10.2015 / Landtag TOP 6 – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Lehrkräftebesoldung
- PM zur Rede von Anke Erdmann, bildungspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
- PM zur Rede von Anita Klahn, bildungspolitische Sprecherin der FDP-Landtagsfraktion
- PM zur Rede von Martin Habersaat, SPD-Mitglied im Bildungsausschuss des Landtages
- PM zur Rede von Heike Franzen, Vorsitzende des Arbeitskreises Bildung der CDU-Landtagsfraktion