Status Quo: Der Wolf in Schleswig-Holstein

Von | 20. Oktober 2015
Rotkäppchen im Wald, von hinten fotografiert

Rotkäppchen. Ganz so märchenhaft wie bei den Grimms geht es beim Runden Tisch "Wolfsmanagement" aber nicht zu. | Foto: barit - CC BY-SA 2.0

Der Wolf ist zurück in Schleswig-Holstein. Das ist erst­mal nichts Neues. Seit 2009 gibt es in Schleswig-Holstein auch extra ein „Wolfsmanagement”, also eine vom Umweltministerium SH (MELUR) beauf­sich­tig­te Einrichtung, die sich mit den durch Wölfen ver­ur­sach­ten Schäden beschäf­tigt, über die Tiere auf­klärt und die gemel­de­ten Sichtungen erfasst und bewer­tet. Doch in den ver­gan­ge­nen sechs Jahren hat sich die Situation grund­le­gend geän­dert: Es gibt inzwi­schen weit­aus mehr nach­ge­wie­se­ne Wölfe im Land und es wer­den weit­aus mehr geris­se­ne Tiere gemel­det. Da bei jedem Wolfs-Verdacht erst eine tier­ärzt­li­che Untersuchung des geris­se­nen Tieres gemacht wer­den muss, ist die Belastung der ehren­amt­li­chen „Wolfsbetreuer” def­tig ange­stie­gen.

Ein ausgestopfter Wolf.

Von die­sem Exemplar geht gewiss kei­ne Gefahr mehr aus. Foto: Daniela Mett

Um sie zu ent­las­ten und vie­le inzwi­schen auf­ge­tauch­te Fragen zu klä­ren hat das MELUR den Runden Tisch „Wolfsmanagement in Schleswig-Holstein” wie­der ein­be­ru­fen. Hier tref­fen sich unter Leitung von Mitarbeitern des Ministeriums die ver­schie­de­nen Interessengruppen (Umweltverbände, Jägervereine, Schaf- und Ziegenzüchter etc.) und dis­ku­tie­ren. Zweimal hat sich der Runde Tisch im Jahr 2015 getrof­fen, die Ergebnisse wur­den ver­gan­ge­ne Woche dem Umweltausschuss des Landtags wei­ter­ge­lei­tet. Hier die wich­tigs­ten Eckpunkte, qua­si der „Status Quo Wolf in SH”:

 

  1. Das MELUR will ab 2016 einen eige­nen Haushaltstitel für das Wolfsmanagement, in Höhe von 100.000 Euro. Hiermit sol­len zwei haupt­amt­li­che Mitarbeiter bezahlt wer­den: Dr. Norman Stier (Forstzoologe der TU Dresden) wird zukünf­tig die gemel­de­ten Risse unter­su­chen, die Wolfsbewegungen kar­tie­ren und die Landesverwaltung in Wolfsfragen bera­ten. Jens Matzen (zuvor Ehrenamtler) wird als Ansprechpartner für die Öffentlichkeit und Nutztierhalter tätig.
  2. Das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und länd­li­che Räume (LLUR) über­nimmt die Ausbildung der ehren­amt­li­chen Wolfsbetreuer. Außerdem soll es als Anlaufstelle die Presse und Interessierte die­nen. Antworten gibt es unter der Nummer 04347/​704 – 325. Durch Wölfe geschä­dig­te Tierhalter kön­nen sich beim LLUR Herdenschutzpakete bestel­len.
  3. Der Wildpark Eekholt wird mit sei­nem Wolfsgehege Aufklärungs-, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit machen, etwa mit der Website www.wolfsinfozentrum.de

„Ein Wolf im Wolfspelz. Ein Filou, unter dem Vorwand es zu sein.“
―Karl Kraus

Das allein ist jetzt natür­lich noch nicht viel Substanzielles. Interessant wird es aber, wenn man sich die wei­te­ren Diskussionen und auf­ge­brach­ten Fragen anguckt. Hier geht es näm­lich ans Eingemachte. Dass der Wolf gene­rell schüt­zens­wert ist, da sind sich alle einig. Bei der Frage, ob geschä­dig­te Bauern ein­fach mit ihrem Schaden allein gelas­sen wer­den kön­nen, eben­falls. Dazwischen klaf­fen aber vom Waffenrecht bis zum Bundesnaturschutzgesetz vie­le Probleme.

  1. Tabelle: Was bisher als Schadenersatz für Wolfsangriffe in SH gezahlt wurde.

    Tabelle: Was bis­her als Schadenersatz für Wolfsangriffe in SH gezahlt wur­de. Quelle: MELUR

    Geld: Landwirte und Nutztierhalter dür­fen, durch die soge­nann­te De-mini­mis-Regel der EU, inner­halb von drei Jahren nicht mehr als 15.000 Euro vom Land erhal­ten. Das gilt ins­ge­samt, also für Erstattungen durch Wolfsrisse, Präventionsmaßnahmen und auch für sub­ven­tio­nier­ten Diesel oder ande­re Vergünstigungen. Was pas­siert also, wenn die Wölfe mehr Tiere töten, als ersetzt wer­den dür­fen? Oder „teu­re­re” Tiere angrei­fen, bei­spiels­wei­se Pferde? Sechs Tierschutzverbände haben bereits 2010 den soge­nann­ten „Wolfsfonds” ein­ge­rich­tet, der Tierhalter unter­stüt­zen soll, deren Schäden über die De-Minimis Grenze gera­ten sind.
    Das Land prüft momen­tan, bei der EU eine beson­de­re Förderrichtlinie zu noti­fi­zie­ren, um in dras­ti­schen Fällen eben­falls mehr Geld erstat­ten zu kön­nen. Sollte die­se Richtlinie noti­fi­ziert wer­den, könn­ten tote Tiere wei­ter­hin finan­zi­ell ersetzt wer­den, ver­letz­ten hin­ge­gen dürf­te das Land nur zu 80% den Tierarzt zah­len. Tierschützer befürch­ten, dass Tierhalter sich die eige­nen Kosten im Fall der Fälle viel­leicht lie­ber spa­ren wür­den und das Tier ster­ben lie­ßen. Vielleicht könn­te hier aber auch der bereits exis­tie­ren­de Wolfsfond hel­fen.

  2. Jagd: Der Wolf steht per EU-Richtlinie unter beson­de­rem Schutz. Gemäß Bundesnaturschutzgesetz gehört der Wolf zu den beson­ders und streng geschütz­ten Arten.  Die Jagdverbände wün­schen sich nun, dass der Wolf in das Jagdrecht auf­ge­nom­men wird. Jetzt denkt man natür­lich „klar, die wol­len den ja auch abknal­len”, das ist aller­dings zu kurz gedacht. Denn gleich­zei­tig for­dern die Verbände, ihm im Jagdrecht dau­er­haft den­sel­ben Status wie dem Seehund zu geben, der eben­falls im Jagdrecht ist, aber seit 1974 nicht mehr bejagt wird. Damit hät­ten die Jäger die soge­nann­te Hegepflicht, müss­ten die Bestände also aktiv pfle­gen und schüt­zen. Und im Notfall dürf­ten sie einem ver­letz­ten, etwa ange­fah­re­nen, Wolf den Gnadenschuss geben. Momentan müss­ten sie das Tier qual­voll ver­en­den las­sen, weil man sich sonst straf­bar machen wür­de, so die Argumentation. Diese „Gnadenschussproblematik” soll in der nächs­ten Sitzung des Runden Tisches bespro­chen wer­den.  (Bonusinfo: Ein Wolf wur­de bis­her in Schleswig-Holstein erschos­sen, da er sich ver­hal­tens­auf­fäl­lig gezeigt hat­te. Die Entscheidung, „eine Ausnahme” zu machen, obliegt in sol­chen Fällen dem LLUR. Der Wolf lebt noch, das MELUR hat jedoch die „Ausnahme” als Ultima Ratio geneh­migt.)
  3. Meldungen von Wolfsangriffen in SH. Quelle: MELUR

    Meldungen von Wolfsangriffen in SH. Quelle: MELUR

    Wolfsmeldungen: Ganz inter­es­sant ist auch, wie stark die Zahl der Meldungen von poten­ti­el­len Wolfsrissen gestie­gen ist, beson­ders im Vergleich zu den dann spä­ter durch Tierarzt und Genetiker tat­säch­lich bestä­tig­ten Wolfsangriffen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, wo doch von Wölfen getö­te­te Tiere erstat­tet wer­den, von Hunden getö­te­te aber nicht.

Wir neh­men die Sorgen von Jägern und Veterinären ernst, die befürch­ten im Fall der Fälle einen ver­letz­ten Wolf nicht von sei­nem Leid erlö­sen zu kön­nen. Hier arbei­ten wir an rechts­si­che­ren Lösungen, die flä­chen­de­ckend einen prag­ma­ti­schen Umgang mit der Situation inner­halb des bestehen­den Rechtsrahmens ermög­li­chen

- Robert Habeck zur „Gnadenschussproblematik”

 

Fazit: Eigentlich schei­nen sich alle einig zu sein; der Wolf muss geschützt und die Geschädigten ent­schä­digt wer­den. Das Einzige, was Wolf und Bauern momen­tan zum Glücklichsein im Wege steht, ist ein an aktu­el­le Bedürfnisse ange­pass­tes Recht. Bauern sol­len damit bes­ser die Schäden erstat­tet bekom­men, Wölfe wür­den bes­ser geschützt und gehegt, und alles wäre rechts­si­cher. So rich­tig roman­tisch und mär­chen­haft (und so den­ken ja vie­le beim Wolf meist) hört sich das zwar nicht an — aber  irgend­wie ist es doch auch schön, dass wir selbst die wil­des­ten Wildtiere ganz demo­kra­tisch ein Plätzchen fin­den kön­nen.

Der kom­plet­te Bericht des Runden Tisches kann hier ein­ge­se­hen wer­den: Umdruck 18/​4923

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Ende 20, Politikwissenschaftler, Archäologe, Redakteur, Fotograf und Social Media Manager. Wohnt in Kiel, lebt im Internet, kommt aus Flensburg. Gehört keiner Partei an. Mag neben Politik und Medien alles was blinkt oder salzig schmeckt.

5 Gedanken zu “Status Quo: Der Wolf in Schleswig-Holstein”:

  1. Tom Schulze-Helmke

    Moin aus Bargteheide,
    zwei Aussagen irri­tie­ren mich in die­sem Artikel. „Ein Wolf wur­de bis­her in Schleswig-​​Holstein erschos­sen, da er sich ver­hal­tens­auf­fäl­lig gezeigt hat­te” Wo und wann soll denn das pas­siert sein? Meines Wissens wur­de zwar beim Wolf von Mölln die „Entnahme” als letz­te Möglichkeit beschlos­sen aber da die­ser Wolf wohl wei­ter­ge­zo­gen ist wur­de noch nicht ein­mal eine Vergrämung ver­sucht.
    Des wei­te­ren habe ich noch die Worte von Herrn Dr. Baasch vom Landesjagdverband SH in den Ohren als er auf der Großveranstaltung in Kiel beton­te, dass der Wolf in Schleswig-Holstein nicht ins Jagdrecht auf­ge­nom­men wer­den soll­te. Wann hat sich an die­ser Aussage etwas geän­dert? Oder wie habe ich den Vergleich mit den Seehunden zu ver­ste­hen? Und in wel­cher Form bedür­fen Wölfe einer Hege, eine akti­ve Beteiligung am Monitoring von Seiten der Jägerschaft wür­de doch genü­gen.
    Über eine Antwort wür­de sich auch die Facebookgruppe „Schützt die Wölfe in Deutschland” freu­en.

    Reply
    1. Sebastian Maas Post author

      Moin Herr Schulze-Helmke,

      Zu Frage 1: Stimmt, das habe ich falsch ver­stan­den. Ich habe nur gele­sen, dass die Erlaubnis erteilt wur­de, das Tier zu töten. Das habe ich so gedeu­tet, dass das Tier dann tat­säch­lich auch getö­tet wur­de. Im Artikel habe ich das geän­dert.

      Zu Frage 2: Offen gesagt hat das bei­spiels­wei­se LJV-Geschäftsführer Schober:
      „Wir wür­den es begrü­ßen, wenn der Wolf in das Jagdrecht käme. Das bedeu­tet nicht, dass er bejagt wird, denn das wer­den der Seeadler oder der Fischotter, die im Jagdrecht mit einer ganz­jäh­ri­gen Schonzeit belegt sind, auch nicht.” (http://www.kn-online.de/News/Aktuelle-Nachrichten-Schleswig-Holstein/News-Aktuelle-Nachrichten-Schleswig-Holstein-Aus-der-Welt/Carstensen-warnt-vor-dem-Wolf-Ruf-nach-neuem-Jagdrecht)

      Zur Hege: „Nach dem Jagdgesetz der BRD hat die Hege zum Ziel die Erhaltung eines den land­schaft­li­chen und lan­des­kul­tu­rel­len Verhältnissen ange­paß­ten arten­rei­chen und gesun­den Wildbestandes sowie die Pflege und Sicherung sei­ner Lebensgrundlagen.” (Wikipedia: Hege)

      Liebe Grüße,
      Sebastian Maas

      Reply
  2. Stephan Grafe

    Sehr geehr­ter Herr Maas,

    ich bit­te um Richtigstellung Ihrer Bonusinfo. Es wur­de ledig­lich die Genehmigung sei­tens des MELUR erteilt, den auf­fäl­li­gen Wolf not­falls zu ent­neh­men, gesche­hen ist das jedoch nicht!

    MfG
    St. Grafe

    Reply
    1. Sebastian Maas Post author

      Vielen Dank für den Hinweis, ich habe das geän­dert. Ich habe die Info, dass die Erlaubnis zum Abschuss erteilt wur­de, auch als Ausführung der Tötung gedeu­tet. Das tut mir Leid.

      Reply
  3. Jürgen Vogler

    …Wölfe ins Jagdrecht zu über­neh­men, macht kei­nen Sinn. Außer einen dop­pel­ten admi­nis­tra­ti­ven Aufwand ist davon nichts zu erwar­ten, sie­he Sachsen. Wie bit­te­schön möch­te man einen Wolf, der i.d.R. 25.000 Hektar Lebensraum benö­tigt, eigent­lich jagd­lich hegen? Die orga­ni­sa­to­ri­sche Jagdstruktur in Deutschland und das ent­spre­chen­de Reviersystem ist für die „Betreuung” gro­ßer Beutegreifer, die einen so gro­ßen Lebensraum benö­ti­gen, völ­lig unge­eig­net.

    Mit freund­li­chem Gruß
    Jürgen Vogler
    http://www.wolfsmonitor.de

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