Durch die Woche mit dem Landesblog 8

Von | 20. Februar 2011

Am Montag wis­sen wir wohl ganz genau, ob Olaf Scholz und sei­ne SPD allein und aus eige­ner Kraft die Mehrheit in Hamburg stel­len, oder ob er die Grünen braucht, um von der Hamburger Bürgerschaft als Bürgermeister der Hansestadt gewählt zu wer­den. Bei der Zusammenarbeit Hamburgs und Schleswig-Holstein, das zei­gen Interviews mit dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag und den Lübecker Nachrichten, gibt er den Pragmatiker ohne Nordstaat-Ambitionen, aber mit kla­rer Präferenz für die Fehmarn-Belt-Querung.

Egal, wie es in Hamburg aus­ge­gan­gen ist: Wenn in Nordfriesland heu­te Abend über­all Feuer bren­nen, dann hat das nichts mit dem Wahlergebnis zu tun. Biikebrennen steht an. Den Termin haben wir mit­tel­bar wohl den Hamburgern zu ver­dan­ken. Denn es soll ein Beschluss der Hansestädte gewe­sen sein, weiß Wikipedia zu berich­ten, der den Beginn der jähr­li­chen Walfangsaison fak­tisch auf den Petritag (der 22. Februar) ver­leg­te, da die Schifffahrt bis dahin zu ruhen hat­te.

Fast so trost­los wie die Asche eines Biikefeuers sieht auch die ver­fas­sungs­recht­li­che Lage der Amtsordnung aus, nach­dem das Landesverfassungsgericht vor gut einem Jahr ent­schied, dass die nur „mit­tel­ba­re demo­kra­ti­sche Legitimation des Amtsausschusses ange­sichts der zuneh­men­den Bedeutung der Ämter” nicht ver­fas­sungs­ge­mäß ist. Innenminister Klaus Schlie wird in Bad Bramstedt an einer Podiumsdiskussion der zur FDP gehö­ren­den „Vereinigung libe­ra­ler Kommunalpolitiker in Schleswig-Holstein” zum Thema „Änderung der Amtsordnung” teil­neh­men. Übrigens lie­be FDP: Das Urteil vom 30.08.2010 war das Desaster mit dem Wahlgesetz. Die Amtsordnung ist schon seit dem 26.02.2010 kaputt.

Zur glei­chen Zeit endet in der Theodor-Mommsen-Schule in Bad Oldesloe die CDU-Tournee durch das Bildungsland Schleswig-Holstein Der Namensgeber der Schule sag­te mal: „Gewöhnliche Menschen schau­en die Früchte ihres Tuns; der Same, den genia­le Naturen aus­streu­en, geht lang­sam auf.” Die meis­ten Europäer hal­ten gen­tech­nisch modi­fi­zier­te Lebensmittel für gesund­heits­be­denk­lich, wenn nicht gar für gesund­heits­ge­fähr­dend. Bei der Vorstellung, der Same einer zukunfts­ori­en­tier­ten Bildungspolitik kön­ne dank Gentechnik etwas zügi­ger wach­sen, drückt wohl jeder ein bis zwei mora­li­sche Augen zu.

Man muss ja Schwerpunkte set­zen. Auf der Webseite, die die Aufgaben des Ministerpräsidenten erklärt, lesen wir nach einem Hinweis auf das Portrait unse­res Regierungschefs und einem Verweis auf sei­ne wich­tigs­ten Reden und Regierungserklärungen, dass Peter Harry Carstensen die Menschen, die sich um die Gemeinschaft beson­ders ver­dient gemacht haben, ehrt, damit die Öffentlichkeit ein Stück weit mehr wahr­nimmt, wie wich­tig Gemeinsinn ist. Heute, Dienstag, wird er Rettungsmedaillen ver­lei­hen.

Rettung braucht auch die Stadt Lütjenburg. Deren Bürgermeister über­gibt anschlie­ßend Herrn Carstensen die neue Imagebroschüre „Lütjenburg: Garnisonsstadt mit Herz” sowie eine Liste mit über 6.500 Unterschriften von Bürgerinnen und Bürgern, die sich gegen eine mög­li­che Schließung der Bundeswehrstandorte Lütjenburg, Todendorf und Putlos wen­den. Kalauer: Lütjenburg fühlt sich qua­si von Herrn zu Guttenberg abge­schrie­ben.

Die nächs­ten Tage im poli­ti­schen Schleswig-Holstein sind von der drei­tä­gi­gen Plenarsitzung geprägt.

Mittwoch geht es um 10 Uhr los mit einer aktu­el­len Stunde zu einem Thema, dass auch das Landesblog beweg­te: Keine CCS Lager in Schleswig-Holstein und im Wattenmeer wol­len nicht nur die antrag­stel­len­den Sozialdemokraten.
Wettbewerb ist immer dann doof, wenn man eigent­lich in die ande­re Richtung möch­te. Schleswig-Holstein, in größ­ter Haushaltsnot, möch­te raus aus der ein­zel­be­trieb­li­chen Investitionsförderung. Blöd nur, wenn die Nachbarländer nicht mit­ma­chen. Deshalb for­dern CDU und FDP gegen 11 Uhr, den Subventionswettlauf der Bundesländer bei der ein­zel­be­trieb­li­chen Investitionsförderung zu been­den.

Der DGB ver­an­stal­tet am 24. Februar einen Aktionstag gegen Leiharbeit. Er ist sich sicher, dass die Arbeitgeber Leiharbeit miss­brau­chen: Lohndumping sei die Folge. Die Linken sind auch gegen unhalt­ba­re Zustände im Bereich der Leiharbeitsbranche. Der Landtag dis­ku­tiert dar­über ab 15 Uhr.
Danach ler­nen wir etwas über den Unterschied zwi­schen der am Vormittag dis­ku­tier­ten Unternehmensförderung und dem Erhalt der Frauenfacheinrichtungen in Schleswig-Holstein: Die Förderung der letz­te­ren kann man den Kommunen über­las­sen und aus dem Landeshaushalt strei­chen — unab­hän­gig davon, was in ande­ren Bundesländern pas­siert.
Im Laufe des Nachmittags wird es noch mal kom­mu­nal­po­li­tisch inter­es­sant: Der Vorschlag der Grünen zur Änderung des Gemeinde- und Kreiswahlgesetz will unter ande­rem über­mä­ßig gro­ße Kommunalvertretungen ver­hin­dern.

Wenn ein Plenartag sich dem Ende zuneigt und der Saal und die Lobby sich lang­sam lee­ren, dann pas­siert etwas, was wir Normalsterblichen nur aus schlech­ten Filmen oder ZEIT-Interviews ken­nen: Unsere Abgeordneten lau­fen, in Berlin jeden­falls, Gefahr, Trinker wer­den; bei den Männern kommt noch die Gefahr des Hurenbocks hin­zu. In Kiel pas­siert das bestimmt nicht. Hier haben die Vereine, Kammern oder Verbände schon weit vor der Offenbarung des Kubicki ein umfang­rei­ches sit­zungs­tag­abend­li­ches Ablenkungsprogramm instal­liert, das unter dem Codenamen „par­la­men­ta­ri­scher Abend” läuft. Auf solch einem Abend kann man Reden zuhö­ren und die Sorgen, Nöte, Anregungen und Wünsche des ein­la­den­den Verbandes ken­nen­ler­nen, sich mit Gleichgesinnten über Politik, Alltag oder Kunst unter­hal­ten, sein Gesicht zei­gen oder ande­re gute Dinge tun, wie essen und trinken.Die Sonne geht an die­sem Tag in Kiel so gegen 17.46 unter. Eine hal­be Stunde spä­ter beginnt der VBI-Dämmerschoppen — der Parlamentarische Abend des Verbandes der bera­ten­den Ingenieure, in einem Kieler Hotel.
In dem glei­chen Hotel, in einem ande­ren Saal, fin­det um 19 Uhr ein Sponsorenessen des Hilfs- und Unterstützungsfonds der Polizei statt, Landtagspräsident Torsten Geerdts hält das Grußwort. Die Husumer Landtagsabgeordnete Ursula Sassen ist, laut ihres öffent­li­chen Kalenders, zur glei­chen Uhrzeit im glei­chen Hotel auf einem Empfang der Bundeswehr. Mit ein wenig Phantasie passt das gut zusam­men.

Der Donnerstag beginnt im Landtag mit einem staats­män­ni­schen Thema. Man will auf Antrag der SPD über poli­ti­sche Führung und die Wahrnehmung schles­wig-hol­stei­ni­scher Interessen debat­tie­ren.

Nach der Mittagspause geht es dann um ganz wesent­li­che prak­ti­sche Dinge: Was könn­te der Staat, meint der SSW, sei­ne Einnahmen stei­gern und Ausgaben sen­ken durch Solar-und/o­der Photovoltaikanlagen, wenn er nur die Dachflächen der Gebäude des Landes dafür end­lich mehr nut­zen wür­de. Gut, dass das Plenum dar­über mal aus­führ­lich im Plenum redet. Das wäre auch gut für das schles­wig-hol­stei­ni­sche Handwerk — womit wir schon fast das heu­ti­ge Abendprogramm erreicht hät­ten. Zuvor soll der Landtag aber nach dem Wollen der Grünen die Haushaltshoheit des Landes ver­tei­di­gen! Das Landesblog fand neu­lich, dass das Thema grund­sätz­li­cher dis­ku­tiert wer­den könn­te.

In der Herman-Ehlers-Akademie beginnt um 18.30 der par­la­men­ta­ri­sche Abends des Handwerks in Schleswig-Holstein, Landtagspräsident Torsten Geerdts gruß­wor­tet.

Zur glei­chen Zeit sind des­sen Stellvertreterin, die Landtagsvizepräsidentin Anita Klahn sowie der Finanzminister Rainer Wiegard Gast auf dem par­la­men­ta­ri­schen Abend der Steuerberaterkammer Schleswig-Holstein.
Die Bündnis-Grünen laden an die­sem Abend zur Ausstellungseröffnung und platt­deut­sche Lesung „Butt-Zyklus” ins Landeshaus.

Am Freitag endet dann die drei­tä­gi­ge Debatte. Eröffnet wird die Sitzung mit einen Thema, dass man­chem Städtern völ­lig selbst­ver­ständ­lich erscheint, vie­le Bürgerinnen und Bürger „auf dem Lande” aber fast ver­zwei­feln lässt: Der Ausbau des Breitbandnetzes. Wirtschaftsminister Jost de Jager wird berich­ten. Anschließend geht es um ein ähn­li­ches Thema, nur dass hier der Ausbau nicht immer auf Gegenliebe stößt: Die Entwicklung der Stromnetze in Schleswig-Holstein. Auf Initiative von CDU und FDP berich­tet wie­der­um Jost de Jager.

Das Wochenende naht, die Mittagspause wird ver­kürzt. Schon um 14.00 geht es wei­ter mit der Situation allein­er­zie­hen­der Mütter und Väter und deren Kinder. Sozialminister Heiner Garg beant­wor­tet die gro­ße Anfrage der SPD.

Weil heu­te alle Abgeordneten in ihre Wahlkreise und ins Wochenende eilen, gibt es kei­ne Notwendigkeit, durch Abendseminare Trinker und Hurenböcke von ihrem Tun abzu­brin­gen.

Der Samstag ist für die Schleswig-Holsteinischen Sozialdemokraten noch span­nen­der als es der Wahlsonntag in Hamburg war. In der Kieler Zentrale der SPD wer­den die Stimmen der Briefwahl aus­ge­zählt und dann ver­kün­det, ob es einen Gewinner oder eine Gewinnerin der Mitgliederbefragung für die Spitzenkandidatur gibt. Schafft kei­ner der Kandidaten die 50 Prozent-Hürde, gehen die bei­den Bestplatzierten vier Wochen spä­ter in eine Stichwahl.

Schon seit fünf Jahren gibt es in Neustadt in Holstein eine Kinder-Uni. Da wer­den span­nen­de Fragen, die auch Erwachsene ins Grübeln brin­gen kön­nen, anschau­lich erläu­tert. Um 10.30 heißt der Erklärbär Peter Harry Carstensen. Er geht der Frage nach: Was macht eigent­lich ein Ministerpräsident?

Der Friesenrat lädt zum Biike-Empfang ins Bredstedter Bürgerhaus ein. Viel Prominenz ist ange­sagt: Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsminister Bernd Neumann, die Landtagsvizepräsidentin Herlich Marie Todsen-Reese, Ministerin Dr. Juliane Rumpf und die Beauftragte für Minderheiten Caroline Schwarz kom­men nach Bräist zur Eröffnung und Besichtigung des „Friisk Hüs”. Eine Besichtigung des Hauses fängt am Besten vor des­sen Tür an: Vor der ehe­ma­li­gen Tabakfabrik Preisler in Bredstedt, einst, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, größ­ter Arbeitsgeber in Bredstedt, erin­nert ein auf Anregung des Nordfriisk Instituut in das Pflaster ein­ge­las­se­ner Stolperstein des Kölner Künstler Gunter Demnig an den Tabakarbeiter Andreas Carlsen, den die Nazis ver­folg­ten und in den Selbstmord trie­ben.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

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