
Lennart Fey auf dem SPD Bundesparteitag im November 2009
Im nächsten Jahr stehen Kommunalwahlen an und Oliver Fink hatte vor Kurzem bereits die nicht ganz einfachen Grundlagen erklärt. In einer losen Reihe möchten wir jetzt Personen vorstellen, die tatsächlich Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sind. Überall wird Bürgerbeiteiligung gefordert — sie sind Bürgerinnen und Bürger und sie beteiligen sich. Warum sie das machen, sollen sie selbst erklären.
Diese Reihe startet mit Lennart Fey: Er ist aus dem dem Örtchen Dassendorf bei Geesthacht. Er ist 23 Jahre alt und in der SPD.
Landesblog: Seit wann interessierst Du Dich für Kommunalpolitik?
Lennart Fey: „Ich interessiere mich ca. seit 2003 für Kommunalpolitik. In meinen Heimatdorf Dassendorf bekam die CDU damals bei der Kommunalwahl neun Sitze, SPD und Wählergemeinschaft jeweils vier. Der dann neu gewählte CDU-Bürgermeister hat viele gegen sich aufgebracht und es sich mit vielen verscherzt, weil er — meiner Meinung nach — sein Ego nicht zurückstellen konnte und vieles in der Gemeindevertretung mit seiner knappen Mehrheit durchgewunken hat.
Ich habe damals intensiv die örtliche Presse und die Internetseiten/Flugblätter der drei örtlichen Parteien verfolgt. Zur Bundestagswahl 2005 bin ich dann — vor allem wegen der Kommunalpolitik — in die SPD eingetreten. Ich wollte nicht nur von Leuten vertreten werden die dreimal so alt waren wie ich.
Seit 2008 bin ich nun Gemeindevertreter und Kreistagsabgeordneter. Und der CDU-Bürgermeister ist mit Pauken und Trompeten abgewählt worden.”
Was ist so spannend an Kommunalpolitik?
„Gerade im Dorf oder in der Stadt sieht man was passiert. Die Gemeindevertretung beschließt, dass ein Spielplatz erneuert werden soll und einige Monate später steht man auf dem Spielplatz und sieht die neuen Geräte und die Kinder die sich über diese freuen.
Oder es wird ein neues Baugebiet ausgewiesen. Die Gemeindevertretung bestimmt im groben Rahmen wie (maximale Größe der Häuser etc.) und wo die Häuser gebaut werden. Kommunalpolitik schafft etwas.”
Was war Dein spannendstes Erlebnis?
„Ein Highlight war sicher die Wahl unserer SPD-Bürgermeisterin. Fünf Jahre lang hat die CDU in der Gemeindevertretung gemacht was sie wollte und nach der Kommunalwahl 2008 kippte die Mehrheit endlich. Die neue Bürgermeisterin wurde mit großer Mehrheit gewählt und seitdem machen wir endlich Politik frei von Ego und eigenen Befindlichkeiten.
Ein weiteres Highlight ist, dass wir es geschafft haben 100mbit/s-Internet ins Dorf zu holen. Dafür mussten viele Bürger überzeugt werden mitzumachen um eine vom Versorger gewünschte Anschlussquote zu erreichen. Aber wir haben es geschafft. Anfang nächsten Jahres wird Dassendorf endlich gut versorgt sein. ”
Um was geht es bei Kommunalpolitik?
„Es gibt eine Masse an Themen. Teils sind sie (meiner Meinung nach) langweilig (Friedhofssatzung erstellen), teils richtig spannend und packend.
Zu den spannenden Themen gehört auch das Verhandeln und Planen.
In der Gemeinde Dassendorf haben wir lange überlegt wie wir die Fußballer besser unterstützen. Ein richtiger Kunstrasenplatz ist nicht finanzierbar, dann wurde mit dem Vorstand des Sportvereins beraten und abgewogen und nun wird bald ein kleiner Kunstrasen-Übungsplatz gebaut, damit die Fußballer auch im Sommer, wenn die Rasenplätze gepflegt werden müssen, trainieren können.”
Was musstest Du tun, um von der SPD aufgestellt zu werden?
„Ich bin seit 2005 in der Partei, war — ohne Fraktionsmitglied zu sein — bei vielen Fraktionssitzungen, habe mich informiert, habe Flugblätter verteilt und habe einen Einblick in die Fraktionsarbeit bekommen. 2006 wurde ich dann in den Vorstand der SPD Dassendorf gewählt.
Circa ein Jahr vor der Kommunalwahl wurde ich dann gefragt, ob ich mir eine Kandidatur vorstellen könnte. Einige Monate später wurde ich als Direkt- und Listenkandidat aufgestellt.”
Ist Kommunalpolitik nur eine Karrierestufe — Teil der „Ochsentour” oder ist das etwas, was man auch ohne größere Ambitionen macht?
„Kommunalpolitik ist auch etwas, was man ohne „größere” Ambitionen machen kann. Nur Kommunalpolitiker werden um irgendwann mal Landtags- oder Bundestagsabgeordneter zu werden? Nein, danke. Kommunalpolitik braucht echte Leidenschaft.”
Wird man mit Kommunalpolitik reich?
„Ich bekomme im Monat durch mein Kreistagsmandat und meinen Sitz in der Gemeindevertretung und die Teilnahme an Sitzungen rund. 120 — 160€, davon gehen aber 33% wieder als „Spende” (Mandatsträgerabgabe) an die SPD Dassendorf bzw. SPD Herzogtum Lauenburg, damit diese Wahlkämpfe etc. finanzieren kann.”
Bist Du jetzt einer von „den Politikern”?
Nein. Ich hasse diese Bezeichnung. Ich bin jemand der die Bürger im Kommunalparlament vertritt. Und: Was ist eigentlich „ein Politiker”? Wenn überhaupt dann ist das jemand der mit der Politik sein Lebensunterhalt verdient — ich bin es also nicht.
Was sind die Probleme von Kommunalpolitik heute? Und was kann man da machen?
„DAS Problem von Kommunalpolitik ist, dass sie total überaltert ist. Junge Menschen fehlen, immer mehr Kommunen haben nur noch eine Partei vor Ort. Was dagegen hilft? Mitmachen!”
Anerkennung an Lennart, dass er sich in seinen jungen Jahren kommunalpolitisch engagiert! Einige seiner Antworten sind auch durchaus richtig. Ein Beispiel für andere gibt er aber dennoch nicht gerade ab, wenn überhaupt nur ein warnendes!
Denn ideologisiertes und ideologisierendes kommunalpolitisches Engagement haben wir bereits genug und führt zu nichts außer Spaltung — das gilt für alle Parteien und ihre Vertreter. So sind manche Antworten ziemlich entlarvend: Nur weil einem die Nase des Bürgermeisters der anderen Partei nicht passt und einem Menschen mit knapp 50 Jahren bereits zu alt sind (Altersdiskriminierung???) stellt für mich jedenfalls keinen hinreichend nachhaltigen Grund dar, in die Kommunalpolitik zu gehen. Dass das erste Highlight dann die Wahl einer Parteigenossin zur Bürgermeisterin darstellt, zeigt worauf es dem Antwortenden wirklich in der Kommunalpolitik ankommt.
Sich schließlich davon zu distanzieren, was man nun mal ist — nämlich ein Politiker — bedeutet, sich davon zu distanzieren, was man macht — nämlich Politik. Das finde ich ziemlich armselig, auch weil es dann das Leidenschaft-Gesülze ad absurdum führt und als etwas entlarvt, was allen Politikern immer vorgeworfen wird: Unaufrichtiges, leeres Politiker-Geschwurbel.
Och komm, ich kann schon verstehen, dass einem nicht passt was Bürgermeister X macht und hilft, dass Bürgermeister Y gewählt wird. Irgendwas „politisiert” ja jeden, der dann Politik macht. In diesem konkreten Fall war es halt der Ego-Bürgermeister, der zufällig in einer anderen Partei war. Vielleicht ist da ja sogar die CDU ganz froh, den los zu sein…
Und die Frage nach „den Politikern” ging ja eher in die Richtung, ob man jetzt zu denen gehört, denen alles mögliche vorgeworfen wird… Und sich von zu distanzieren, ist doch okay.
Och komm… ;-) Was Du mit der Fragestellung impliziert hast mag ja etwas anderes gewesen sein — aber Lennart hätte es kaum klarer ausdrücken können, dass er es so nicht verstanden hat. Und ich glaube auch nicht, dass er Welpenschutz in Form von Interpretationshilfe braucht!
Im Grunde gehört er ja nach eigenen Angaben eigentlich gar nicht in diese Artikelserie, die nach deiner Absicht Personen vorstellen soll, „die tatsächlich Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker sind”. ;-)
Hallo Rüdiger,
grundsätzlich stimme ich dir zu, Kommunalpolitik — gerade im 3000 Einwohner -Dorf- sollte nicht ideologisch geprägt sein. Dassendorf ist leider speziell. Ich werde es versuchen zu erklären, in dem ich deine Kritik beantworte:
„Nur weil einem die Nase des Bürgermeisters der anderen Partei nicht passt und einem Menschen mit knapp 50 Jahren bereits zu alt sind (Altersdiskriminierung???) stellt für mich jedenfalls keinen hinreichend nachhaltigen Grund dar, in die Kommunalpolitik zu gehen.”
Leider ist es kein „nur”. Der Ex-Bürgermeister hat viele gegen sich aufgebracht, er hat — meiner Meinung nach — im Umgang mit vielen Mitmenschen versagt. Hier spielt es keine Rolle, ob der Herr in der CDU oder in einer anderen Partei ist. Ich kritisiere im Interview nicht die CDU, mit der möchte ich in Dassendorf ja gerne zusammenarbeiten. Aber mit dem Ex-Bürgermeister, der heute Fraktionschef der CDU Dassendorf ist, ist eine Zusammenarbeit leider unmöglich.
Wir als nun größte Fraktion sind auf die CDU und die Wählergemeinschaft zugegangen. Ein paar Wochen hat die Zusammenarbeit funktioniert, dann kamen Beiträge wie du sie auf der Homepage der CDU Dassendorf findest: Unsachlich und persönlich angreifend. Eine Zusammenarbeit mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden ist so nicht möglich.
In seiner Zeit als Bürgermeister hat er es geschafft, dass 300 Menschen gegen ihn (bzw. die finanzielle Schlechterstellung des ev, Kindergartens durch seine Politik) demonstrieren. Auch empfehle ich diesen Beitrag und den dazugehörigen Zeitungsartikel: http://www.spd-dassendorf.de/index.php?nr=160&menu=1
Wie gesagt: Es geht nicht darum, dass eine Partei in Dassendorf „gut” und die andere „böse” ist. Es geht leider darum, dass man mit einer Person aus der CDU Dassendorf nicht zusammenarbeiten kann.
Zur „Altersdiskriminierung”: Sorry, aber das ist totaler Quatsch. Ich war bei einer Gemeindevertretersitzung, sah viele alte, fast alle Ü50 und wollte nicht nur von denen vertreten werden. Natürlich ist das — und mein Wunsch nach einen politischen Wechsel — genug Motivation um kommunalpolitisch aktiv zu werden. Warum jemand kommunalpolitisch aktiv wird kann sicher viele Gründe haben. Bei mir waren es eben oben genannte!
„Dass das erste Highlight dann die Wahl einer Parteigenossin zur Bürgermeisterin darstellt, zeigt worauf es dem Antwortenden wirklich in der Kommunalpolitik ankommt.”
Hier kann ich fast nur auf oben geschriebenes verweisen. Der Ex-Bürgermeister hat viele Dassendorfer gegen sich aufgebracht. Es ging also um einen Neuanfang für Dassendorf. Es ging um den Wechsel des Bürgermeisteramtes.
Ja, ich bin stolz auf meine Bürgermeisterin. Ich bin stolz, dass wir den Wechsel geschafft haben. Und ja, dieser Wechsel ist für mich ein Highlight, weil wir damit viele Dassendorfer glücklich gemacht haben.
„Sich schließlich davon zu distanzieren, was man nun mal ist – nämlich ein Politiker – bedeutet, sich davon zu distanzieren, was man macht – nämlich Politik.”
Ich bleibe dabei, ich halte das Wort „Politiker” für falsch, weil jeder Mensch Politik macht und machen kann. „Die Politker”, oder „Ihr Politiker habt ja wieder…” dieses Gesülze mag ich nicht mehr hören. Jeder Mensch kann Politik machen, jeder Mensch ist ein politisches Wesen!
Wie gesagt: Die Dassendorfer Verhältnisse sind schwer zu erklären, ich hoffe es ist gelungen etwas Licht ins Dunkle zu bringen.
Grüße
Lennart