Kultur - mit Plan oder mit ohne Plan

Von | 30. September 2011

Bei Wagners Ring des Nibelungen kommt man nicht unter 2 ½ Stunden weg, wird dafür mit über 100 Musikern, 34 Solisten und zwei Chören belohnt. Kulturpolitische Diskussionsveranstaltungen kön­nen da ganz gut mit­hal­ten. Ein prop­pe­vol­ler Schleswig-Holstein-Saal hör­te am Dienstag (27. September 2011) knapp 2 ½ Stunden lang 1 Begrüßung, 1 Grußwort, 1 Impulsreferat, 1 Acapella Chor, 3 Diskussionsrunden mit zusam­men 15 Diskutanten, 1 Resümee von 2 Gastgebern. Ohne Pause.
Der Landeskulturverband, das Kulturforum und die Regionalgruppe der Kulturpolitischen Gesellschaft ver­an­stal­te­ten am Dienstag einen gemein­sa­men Kulturpolitischen Abend im Kieler Landeshaus unter dem Motto „Kultur macht mobil“. Das stimm­te nicht ganz, man durf­te die gan­ze Zeit sit­zen. 

Dr. Bernd Wagner, stell­ver­tre­ten­der Geschäftsführer der Kulturpolitischen Gesellschaft Bonn, sprach kla­re Worte zur „Kulturpolitik in Zeiten der Haushaltskonsolidierung“, die nicht jedem im Saal gefie­len. Angesichts der nicht weg­zu­dis­ku­tie­ren­den Lage der öffent­li­chen Haushalte sei­en Kürzungen unver­meid­lich. Schlimm sei die Situation etwa in den USA, wo die tra­di­tio­nell hohe pri­va­te Förderung durch die Bankenpleiten schier aus­ge­trock­net sei. Die – bei aller berech­tig­ten Kritik im regio­na­len Detail – in der Summe durch­aus respek­ta­blen Entwicklung der staat­li­chen finan­zi­el­len Förderung in Deutschland las­se Kritik unglaub­wür­dig erschei­nen, wenn sie zu alar­mis­tisch ange­legt sei. Zumal auch im kul­tu­rel­len Bereich gern St. Florians Schlachtruf „not in my backyard“ geru­fen wer­de. Vokabeln wie Kulturkampf und Schlacht um die Subventionen sei­en fehl am Platze. Er spiel­te auf Konstantin Richters (in mei­nen Augen vor­treff­li­chen) Zeit-Artikel über die Bühnen in Flensburg und Lübeck an. Damit Kürzungen ver­mit­telt wer­den könn­ten, sei eine Transparenz der Entscheidungen, der Maßstäbe nötig. Öffentlich-pri­va­te Partnerschaften (ÖPP) sah er skep­tisch: man dür­fe und kön­ne nicht ver­leug­nen, dass die Motive eines pri­va­ten Unternehmers und einer öffent­li­chen Förderung zu unter­schied­lich ein, um lang­fris­tig unter einem Dach zu woh­nen. Wichtig sei Drittens die Denkrichtung; Kultur müs­sen man vom Menschen, von der Stadt her den­ken, nicht von den Institutionen her. Und schließ­lich brach er eine Lanze für die soge­nann­ten „frei­wil­li­gen Leistungen“. Es sei näm­lich Unsinn, bei Kürzungen zunächst bei die­sen zu strei­chen und her­nach erst die „Pflichtaufgaben“ ins Visier zu neh­men. Freiwillig sei kein Synonym für ver­zicht­bar. Wäre das eine Theatervorstellung gewe­sen, wäre der Applaus wohl als „ver­hal­ten“ ein­ge­stuft wor­den gewe­sen. Aber ehr­lich war er, der Vortrag.

Ein Acapella-Chor ver­söhn­te die Ohren, bevor Andreas Schmidt vom NDR als Moderator pau­sen­los durch gleich drei Diskussionsrunden führ­te. 

Die Diskutanten, von Schmidt dar­auf hin­ge­wie­sen, das zwi­schen den Bistrotischen fie­se Kabel lau­er­ten, gaben sich sicht­lich Mühe, weder zwi­schen den Stühlen zu sit­zen noch zwi­schen den Tischen zu stol­pern.  

In der ers­ten Runde, beti­telt „Gemeinsame Kulturverantwortung leben“ und besetzt mit Teilnehmern aus der öffent­li­chen und pri­va­ten Kulturförderung, konn­te Birgit Herdejürgen, finanz­po­li­ti­sche Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, von den unfai­ren Sitte erzäh­len, dass in Kürzungsdiskussionen über die klei­nen Beträge gern und inten­siv gefeilscht wer­de, wäh­rend die grö­ße­ren Summen schon mal durch­ge­wun­ken wür­den. Sie plä­dier­te dafür, den aktu­el­len Druck krea­tiv dafür zu nut­zen, Strukturen zu über­den­ken und, wo nötig, zu refor­mie­ren. 
Werner Kalinka, Vorsitzender des CDU-Fraktionsarbeitskreises Innen und Recht sprach über Freud und Leid bei Etatkürzungen, die in Kreis Plön etwa SHMF und Salzau beträ­fen, wünsch­te sich auch in kul­tu­rel­len Fragen inter­kom­mu­na­le Zusammenarbeit und sprach die zuneh­men­de Mobilität und Bereitschaft der Bürger an, für ein kul­tu­rel­les Erlebnis auch mal mehr als 20 Kilometer Anfahrt oder sogar Hamburg in Kauf zu neh­men. Wichtig war ihm Verlässlichkeit und Planungssicherheit, etwa durch Garantieverträge. 
Dr. Bernd Brandes-Druba von der Stiftung des Schleswig-Holsteinischen Sparkassen- und Giroverbandes betrach­te­te eben­falls die Sorge um die Kleinteiligkeit man­cher Strukturen und die von ihm aus­ge­mach­te Fraktionierung im Lande. Für die Stiftung beton­te er deren fes­ten Willen, ihre Förderung per­ma­nent in Frage zu stel­len und ste­tig nach weni­gen Jahren neu aus­zu­rich­ten. Eine lan­des­wei­te Servicegesellschaft, die Stiftungen, Kunst- und Kultureinrichtungen zur Hand gehen kön­ne und sie effi­zi­ent ent­las­te und beglei­te, brach­te er ins Spiel.
Flensburgs Oberbürgermeister Simon Faber berich­tet von der nicht ein­fa­chen Idee, die Klangkörper der Orchester in Sonderburg  und Flensburg nicht des Einsparens wegen son­dern zur Erbauung des Publikums auch mal gemein­sam spie­len zu las­sen. Müssen unver­än­dert drei Bühnen in Schleswig-Holstein bestehen? Oder füh­re Strukturkonservatismus zum Fadenriss, wenn man dar­an den­ke, dass die Kulturpräferenz nach­wach­sen­der Generationen sich wan­de­le.

Als der stets prä­sen­te Moderator die kul­tur­po­li­ti­schen Sprechern aller sechs Landtagsfraktionen zum Thema „Anforderungen an die Aufstellung eines Kulturentwicklungsplanes für Schleswig-Holstein“ nach vorn bat, wur­de es über­ra­schen­der. Denn Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/​Die Grünen) hat­te noch mal nach­ge­dacht und revi­dier­te sei­ne kürz­lich im Landtag noch geäu­ßer­te Unterstützung der Idee. Ein sol­cher Plan, der in sei­ner ers­ten Stufe die Kulturlandschaft beschrei­be, fra­ge weder nach einem Ziel, noch las­se es sich aus dem Kataster ablei­ten. Das im zwei­ten Schritt nöti­ge Rating, Ranking oder Benchmarking kön­ne dann also nicht ziel­ge­rich­tet sein — weil zudem die Politik nicht die Aufgabe habe, der Kultur das Ziel vor­zu­ge­ben. Er bezwei­fel­te, dass die zunächst auch von ihm befür­wor­te Idee funk­tio­nie­ren kön­ne, Kulturförderung wie eine Pyramide zu betrach­ten, in der unten die unver­zicht­ba­ren Basis der sozio­kul­tu­rel­len Infrastruktur ste­he, auf der sich dann, ste­tig ver­jün­gend, die Museen, Theater und ande­re Einrichtungen bis zur Spitze, der Förderung der Festivalkultur, schich­te­ten. Vielleicht müs­se man doch er anders an die Sache her­an­ge­hen, nicht klar tren­nen, son­dern zum Beispiel auch mal Bildung, Tourismus und Kultur zusam­men­den­ken. Ein Plan ermög­li­che das nicht. Tatsächlich fin­det man im aktu­el­len Entwurf des Wahlprogrammes (Seite 63ff) das Wort Plan nicht mehr.  
Anke Spoorendonk vom SSW blieb dabei: Der Plan sei wich­tig. Man müs­se wis­sen, wo man ste­he, wie die Kultur in Schleswig-Holstein auf­ge­stellt sei. Nur dann kön­ne man über­haupt dar­über dis­ku­tie­ren, wohin es gehen sol­le. Nur dann kön­ne die not­wen­di­ge Planungssicherheit für die kul­tu­rel­len Einrichtungen gewähr­leis­tet wer­den. Museen, Archive, Gedenkstätten, Bibliotheken, sie alle wür­den dar­auf war­ten. Über die­se und mit die­sen müs­se man reden. 
Der Sozialdemokrat Hans Müller blick­te in Richtung Regierungsfraktionen und stell­te fest, dass es nach der gro­ßen Anfrage der SPD zum Stand und Perspektiven der kul­tu­rel­len Entwicklung Schleswig-Holsteins, die immer­hin schon in der letz­ten Legislaturperiode von sei­ner Fraktion gestellt wor­den sei, nicht Neues von der Landesregierung gege­ben habe. 
Kirstin Funke von der FDP woll­te kei­nen Plan. 
Das sah der Christdemokrat Wilfried Wengler auch so. Eine leben­di­ge Kultur und ein an Planwirtschaft erin­nern­des Wort, das gin­ge nicht zusam­men. 
Heinz-Werner Jezewski von den Linke brach­te in Erinnerung, dass auch Haushaltspläne Planwirtschaft sei­en. Er sprach sich gera­de in Kulturfragen für par­ti­zi­pa­ti­ve Bürgerhaushalte aus, so lie­ße sich die für die Kultur not­wen­di­ge mög­lichst eigen­stän­di­ge und ver­ant­wort­li­che Trennung Zweckbestimmung rea­li­sie­ren.

Dann dis­ku­tier­ten Vertreter von Kulturinstitutionen über „Widerstand und /​ oder Anpassung“. 
Dr. Martin Lätzel vom Landesverband der Volkshochschulen S-H schau­te nach vorn, will neue Ideen ent­wi­ckeln, Kooperationen suchen, Vernetzungen aus­bau­en. Die Akzeptanz der Einrichtungen dür­fe nicht als gege­ben ange­se­hen wer­den, son­dern müs­se per­ma­nent erhal­ten und aus­ge­baut wer­den. Die Marke müs­se gestärkt wer­den.
Antje Schmidt, deren Altonaer Museum unlängst geschlos­sen wer­den soll­te, plä­dier­te lei­den­schaft­lich für den Widerstand. Ohne ihn, den breit in der Bevölkerung orga­ni­sier­ten Widerstand, hät­ten die Schließung des Museums nicht abge­wen­det wer­den kön­nen. Geblieben sei­en die finan­zi­el­len Probleme. Nicht ver­bind­li­che Zusagen von Zuschüssen, die nur kurz­fris­tig erfolg­ten, ver­hin­der­ten Planung, Ausstellungen und ande­re Projekte bräuch­ten aber lan­ge Vorläufe.
Reinhard Take vom Freundeskreis der Stadtgalerie Kiel hat­te den Widerstand gegen die ange­droh­te Schließung der Stadtgalerie anders orga­ni­siert. Man sei auf die Politik zuge­gan­gen, habe Gespräch und Verhandlung gesucht, zugleich pri­va­te Gelder ein­ge­wor­ben, das Ehrenamt brin­ge sich ver­stärkt in das Tagesgeschäft ein.
Günter Schiemann, der für die LAG Soziokultur S-H sprach, argu­men­tier­te klas­sisch, auf die alt­her­ge­brach­te Art: Die Gebäude müss­ten saniert wer­den, damit sie nicht ver­rot­ten, es gebe zu wenig Personal mit zu wenig Perspektive Und man brau­che mehr Geld. So.
Dr. Ralf Klöter, Kaufmännischer Direktor des Theaters Kiel und auf dem Sprung nach Mannheim moch­te die Frage, mit wie­viel Euro ein Sitzplatz des Theaters in Kiel sub­ven­tio­niert wer­de — zuvor waren die Zuschüsse im Kinder- und Jugendtheaterbereich mit 1,40 bis 3 Euro ange­ben wor­den — lie­ber nicht beant­wor­ten. Man mache „deut­lich was ande­res”. Ach.

Heute, am Freitag (29. September 2011) wird sich zei­gen, wie es wei­ter geht, Kulturministers Dr. Ekkehard Klug hat für 16.00 Uhr Kunst- und Kulturschaffende, Vertreterinnen und Vertreter von Verbänden und aus der Politik zur zwei­ten Kulturkonferenz in der Sparkassen-Akademie in Kiel ein­ge­la­den. Themen sind u. a. die Bewahrung des kul­tu­rel­len Erbes, Raum für die Kunst, die Stärkung der kul­tu­rel­len Bildung sowie neue Partnerschaften pro Kultur. Die drei Verbände habe dafür ein Positionspapier erar­bei­tet: Wir brau­chen eine Allianz für Kunst und Kultur in Schleswig-Holstein.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

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