Ausgaben für Kultur im Landeshaushalt: vergleichsweise kompliziert

Von | 23. Mai 2012

Dirk Mirow, Kanzler (Verwaltungsleiter) der Muthesius-Kunsthochschule in Kiel, hat ges­tern in einem Kommentar zu Martin Lätzels Artikel Es ist kom­pli­ziert dar­auf hin­ge­wie­sen, dass der Anteil der Kulturausgaben am Landeshaushalt 0,3 Prozent betra­ge, Schleswig-Holstein sei damit Schlusslicht in Deutschland. Die Zahl hat­te der Vorsitzende des Landeskulturverbandes, Rolf Teucher, jüngst im Deutschlandradio eben­falls benutzt:

Im Jahr 2000 lag der Anteil der Kulturausgaben am Gesamthaushalt des Landes noch bei knapp einem Prozent – seit­her ging es steil berg­ab, immer wie­der wur­de gekürzt. “Alle Ausgaben des Landes, die der­zeit für Kultur flie­ßen im Landeshaushalt, machen genau 0,3 % des Haushalts aus.”

Die Datenlage dazu ist ziem­lich unüber­sicht­lich. Das liegt zunächst dar­an, dass der Begriff Kulturausgaben sehr unter­schied­lich defi­niert wird.

In zwei Kleinen Anfragen, die der Abgeordnete und spä­te­re Bildungsminister Dr. Ekkehard Klug 2005 und 2007 gestellt hat, wird in den Antworten von nicht näher defi­nier­ten „Ausgaben des Landes für Kultur“ gespro­chen. Aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage des grü­nen Abgeordneten Karl-Martin Hentschel aus dem Jahr 2008 kann man sich dann zusam­men­rei­men, dass damit bestimm­te Kapitel aus dem Bildungsministerium (bzw. Staatskanzlei, die Zuständigkeit wech­sel­te zwi­schen­drin mal) sowie FAG Mittel – Zuweisungen des Landes an die Kommunen für das Büchereiwesen und die Theater – gemeint waren.

Im Kulturfinanzbericht 2010 des Statistischen Bundesamtes wur­de eine ande­re Definition gewählt. Jeder Ausgabetitel im Landeshaushalt (Ein „Titel“ ist so etwas Ähnliches wie ein „Konto“ in der dop­pel­ten Buchführung) trägt eine Funktionskennziffer in sich, die eine (hier­ar­chi­sche auf­ge­bau­te) Auswertung nach Aufgabenbereichen (z.B. Bildungswesen, kul­tu­rel­le Angelegenheiten oder sozia­le Sicherung) zulässt. Mit die­ser Kennziffer kann man pri­ma einen Haushalt „quer“ zu den Ministerien – und auch län­der­über­grei­fend – aus­wer­ten. So macht es der Bericht (sie­he Seite 84/​85).

In einer Kleinen Anfrage des Abgeordneten Hans Müller (SPD) aus dem letz­ten Jahr wur­den die „Ausgaben des Landes für Kultur“ noch um die Ausgaben für die Erwachsenbildung und für den Bund der Nordschleswiger ange­rei­chert. Die Sicht auf Titel und nach Funktionskennziffern (auch sie fin­den wir der Kleinen Anfrage) macht in der abso­lu­ten Höhe deut­li­che Unterschiede aus: Nach Kapiteln gefragt betru­gen die Kulturausgaben 2010 rund 44 Millionen Euro, nach Funktionskennziffern gesucht kom­men wir auf knapp 100 Millionen Euro.

Es wäre, um unnö­ti­ge Streitigkeiten zu ver­mei­den, sinn­voll, sich auf Begrifflichkeiten zu eini­gen.

Das glei­che gilt für einen Maßstab, um sich mit ande­ren Ländern ver­glei­chen zu kön­nen. Der sowohl in den Kleinen Anfragen wie vom Landeskulturverband benutz­te Maßstab „Prozent des Landeshaushaltes“ ist sicher sinn­voll, weil die abso­lu­te Höhe der Ausgaben zwar Tendenzen auf­zeigt …

Kulturausgaben des Landes Schleswig-Holstein in TEuro

Kulturausgaben des Landes Schleswig-Holstein in TEuro

… aber der Bedeutung der Kulturpolitik im „Wettbewerb“ mit ande­ren Politikbereichen des Landes nicht erkenn­bar ist. (In der hier benutz­ten Darstellung habe ich die Definition der Ausgaben aus den Kleinen Anfragen Klug und Hentschel benutzt (also ohne Erwachsenenbildung und Bund der Nordschleswiger).

„Prozent des Landeshaushaltes“ ist aber auch feh­ler­an­fäl­lig, weil man sich zur Berechnung fra­gen muss, was zum Landeshaushalt (genau­er: Höhe der Ausgaben) zählt. In den klei­nen Anfragen Dr. Klugs schau­te die Landesregierung noch auf die Gesamtausgaben des Landeshaushaltes, spä­ter ging man dazu über, Zinsen und Pensionszahlungen außen vor zu las­sen.

Der Unterschied ist signi­fi­kant (auf 0,3 Prozent kom­me ich den­noch nicht):

Kulturausgaben des Landes Schleswig-Holstein in Prozent des Gesamthaushaltes

Mir per­sön­lich gefällt der Maßstab „Anteil am BIP“ oder „Euro je Einwohner“ bes­ser, der im Kulturfinanzbericht 2010 des Statistischen Bundesamtes (Seite 33) benutzt wird, weil wir so die Außenwelt dazu neh­men und uns nicht allein im Landeshaushalt bewe­gen. Unabhängig von der zu fin­den­den Präferenz ist es aber auch hier sinn­voll, eine kon­gru­en­te, abge­stimm­te Sichtweise zu fin­den.

Update: 15:00 Uhr
Weil ich auf Facebook nach kon­kre­ten Zahlen gefragt wor­den war:
Der Kulturfinanzbericht 2010 weist für das Jahr 2007 in der Tabelle 2.3 – 1 (S. 33) die Kulturausgaben des Landes nur inklu­si­ve der Kommunen aus. Land und Kommunen haben zusam­men 159,4 Millionen Euro aus­ge­ge­ben. Das ent­spricht 56,21 € je Einwohner, 0,22% am BIP und 1,39 Prozent am Gesamthaushalt (damit ist wohl die Summe des  Landeshaushalt es und der kom­mu­na­len Haushalte gemeint).

Damit ist Schleswig-Holstein in jeder der drei Kategorien Schlusslicht in der Bundesrepublik.

In der Tabelle 2.3 – 3 (S. 35) wer­den die 159,4 Millionen Euro auf Land und Kommunen ver­teilt: 81,6 Land, 77,8 Kommunen. Da die Ausgaben des Landes nach der Berechnungsweise des Statistischen Bundesamtes für 2010 etwa 100 Millionen betra­gen (so sagt es die Antwort der Landesregierung auf die oben erwähn­te Kleine Anfrage des Abgeordneten Müller), müss­te es von 2007 bis 2010 eine Steigerung der Kulturausgaben von über 20 Prozent gege­ben haben … Das wur­de mit ges­tern abend dann irgend­wann zu kom­plex. Ich fürch­te­te, dass man nach sol­chen Rechenkapriolen noch weni­ger ver­steht als vor­her. Merken muss man sich nur: Schleswig-Holstein gibt sehr wenig für Kultur aus. Das wis­sen die Parteien auch und machen kei­nen Hehl aus dem Dilemma. Das kann man sehr gut in den Antworten der Parteien auf eine ent­spre­chen­de Frage des Dachverbandes der kul­tu­rel­len Jugendbildung nach­le­sen.

Von:

Swen Wacker, 49, im Herzen Kieler, wohnt in Lüneburg, arbeitet in Hamburg.

Ein Gedanke zu “Ausgaben für Kultur im Landeshaushalt: vergleichsweise kompliziert”:

  1. Martin Lätzel

    Ich den­ke auch, dass man sich nicht über die Nacjommastellen strei­ten soll­te. Die von Dir erwähn­ten Vergleichszahlen des Statistischen Bundesamtes bestä­ti­gen zumin­dest die Aussage, dass Schleswig-Holstein in allen Bereichen weit hin­ten liegt (im Bundesvergleich).

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